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Die Darstellung ostasiatischer Frauen macht mich wütend

Fotos: Jaap Buitendijk/Warner Bros. Pictures via AP / Ren Hang / AP Photo/Jens Meyer Kopie 2 / Illustration: Danniela Rudolf-Lübke

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In „The Female Gaze“ kommentiert und analysiert Nhi Le Filme, Serien und andere medien- und popkulturelle Phänomene aus feministischer und anti-rassistischer Sicht. Mit einer Expertise aus Wissenschaft und Subreddit-Abos hinterfragt sie alle zwei Wochen gängige Narrative und Darstellungen aus der Medienwelt. „The Female Gaze“ setzt dem traditionellen Blick auf Medienkultur etwas entgegen.

Anfang des Jahres besuchte ich die Ausstellung „Love, Ren Hang“ in Berlin. Ren Hang war ein Fotograf, der vor allem für seine Aktfotos bekannt war. Seine Models waren seine Freund*innen, also andere junge Chines*innen. Es war nicht da erste Mal, dass ich mir Rens Werke anschaute, aber die Berliner Ausstellung bewegte mich besonders. Die Models waren nackt, aber nicht vulgär, die Bilder erotisch, aber nicht übersexualisiert. Ein ungewohnter Anblick, denn asiatische, speziell südost- und ostasiatische Frauen, werden durch den weißen männlichen Blick in der westlichen Medienwelt fast ausschließlich hypersexuell dargestellt.

Frauen kommen entweder als verwegene Drachenladys oder zarte Lotusblumen daher, aber dazu später mehr. Und während sie objektifiziert werden, sehen wir Männer oftmals entmaskulinisiert und als unbeholfene Nerds wie in „Girls Club – Vorsicht Bissig!“ oder nervigen Sonderling wie Mr. Chow in den Hangover-Filmen. Die westliche Darstellung ostasiatischer Frauen basiert auf jahrhundertealten sexistischen und rassistischen Narrativen, die sich durch Kolonialismus, Kriege und Migration entwickelt haben. Das Bild dieser Frauen ist geprägt durch den Blick des weißen Mannes, der die „Exotische“ nur in Relation zu sich und seinen eigenen (sexuellen) Bedürfnissen sieht. Es zieht sich durch Opern, über Romane bis hin zu Comics, Filmen und Serien durch alle medialen Darstellungsformen und ist bis heute gesamtgesellschaftlich präsent.

Die „Dragon Lady“ ist eine manipulative, emotionslose und vor allem mysteriöse Frau

Eine Studie von 2017 hat das Vorkommen von „Asian Americans and Pacific Islanders (AAPI)“ im US- amerikanischen Fernsehen erfasst. Über einen Zeitraum von elf Monaten wurden 242 Primetime-Serien untersucht. Die Ergebnisse zeigten, dass 70 Prozent der Hauptdarsteller*innen weiß waren, während AAPI nur vier Prozent ausmachten, davon die meisten chinesischer/taiwanesischer, indischer, koreanischer, philippinischer oder japanischer Abstammung. AAPI-Männer hatten mit rund elf Stunden Bildschirmzeit zwei Stunden mehr als AAPI-Frauen. Die Studie kritisierte neben der geringen Sichtbarkeit die Eindimensionalität der Charaktere sowie klischeehafte Darstellungen. Tatsächlich erscheinen südost- und ostasiatische Frauen auf dem Bildschirm meist nur in begrenzten Rollen, die oftmals Sexismus und Rassismus in sich vereinen.  

Die „Dragon Lady“ ist eine manipulative, emotionslose und vor allem mysteriöse Frau. Meist beherrscht sie mehrere Formen der Kampfkunst und ist in Kimonos oder anderer „traditioneller“ Kleidung gekleidet, die sie im Gegensatz zu den weißen Darsteller*innen als das „exotische Andere“ markieren soll. Sie ist verführerisch und nutzt ihre Sexualität zu ihrem Vorteil, indem sie ihre Gegner im Kampf blendet und letztlich erledigt. In ihrer Karriere hat Lucy Liu eine ganze Reihe von „Dragon Ladies“ gespielt. Sei es als kaltherzige, aber sexuell versierte Anwältin Ling Woo in der Serie „Ally McBeal“ oder als Yakuza-Chefin O-Ren Ishii in „Kill Bill – Volume 1“. Es wird debattiert, ob Lius Rollen für mehr stereotypen Schaden als Repräsentation auf dem Bildschirm gesorgt haben. Ich glaube, dass man es als Schauspielerin of Color im weißen Hollywood sowieso schwer hat und dann wahrscheinlich vor der Wahl zwischen diesen oder keinen Rollen steht, aber das ist nochmal ein anderes Thema.

Die „zarte Lotusblüte“ ist unterwürfig, hypersexuell, aber ansonsten passiv

Das Stereotyp der „zarten Lotusblüte“ speist sich vor allem aus Kolonialismus und Kriegen, vor allem dem Vietnamkrieg und wurde maßgeblich durch die Oper „Madame Butterfly“ und den Film „Die Welt der Suzie Wong“ geprägt. Letztlich reichten 25 Sekunden in Stanley Kubricks „Full Metal Jacket“ (1987) aus, um den Eindruck der dauerhaft erregten und vor allem dauerhaft verfügbaren Asiatin im medienkulturellen Gedächtnis zu manifestieren. Besagte Szene zeigt eine vietnamesische Prostituierte, die amerikanische Soldaten mit den Worten „Well, baby, me so horny. Me love you long time. Me sucky sucky, me love you too much“ anspricht. Die „zarte Lotusblüte“ ist unterwürfig, hypersexuell, aber ansonsten passiv. Im Film existiert sie lediglich zur Befriedigung des weißen Mannes, der auf der Suche nach dem „Exotischen“ ist. In alten Hollywood-Filmen begeht die ostasiatische Frau oft gegen Ende Suizid, da der Mann sie verlässt. Unterstrichen wird damit, dass nur der weiße Mann der Frau einen Lebenssinn gibt.

Die Filmemacherin Renee Tajima-Peña argumentiert, dass die westliche Medienwelt viele Formen der „zarten Lotusblüte“ kennt, darunter die Porzellanpuppe, die Geisha, die Prostituierte, die Katalogfrau, die mütterlich, geduldige Mama-san und die Konkubine. Und während ost-/südostasiatische Frauen in Filmen unterrepräsentiert sind, spielen sie eine prominente Rolle in Pornos. Hier ist das Stereotyp der hypersexuellen „zarten Lotusblüte“ ein ganzes Genre für sich. Laut Pornhub Statistik 2019 sind mit „asian“, „korean“, „hentai“ und „japanese“ gleich vier verwandte Kategorien unter den zehn meistgesuchten Begriffen des Jahres, wobei die beiden letztgenannten sogar die Top Zwei ausmachen. Die chinesisch-amerikanische Pornodarstellerin Jade Kush sprach sich immer wieder gegen die Fetischisierung wie auch rassistische Belästigungen von Fans und in der Industrie aus.  

Seitdem ich online präsent bin, bekomme ich regelmäßig belästigende Nachrichten von Männern

Das letzte Mal, dass ich mich besonders über die filmische Darstellung einer ostasiatischen Frau geärgert habe, war in „Phantastische Tierwesen: Grindelwalds Verbrechen“ (2018). J.K. Rowling hat scheinbar sowieso Schwierigkeiten, Schwarze und Figuren of Color zu schreiben. Die Besetzung der Nagini war für mich ein besonderer Tiefpunkt. Nagini ist die einzige ostasiatische Frau im ganzen Film. Durch einen Fluch kann sie sich von ihrer menschlichen Form in eine Schlange verwandeln und ist somit die Attraktion in einem Zirkus. Aus Harry Potter weiß man, dass Nagini Voldemorts treu ergebene Schlange ist. Das dienende Haustier des weißen Faschisten ist also eigentlich eine ostasiatische Frau, die letztlich geköpft wird. Rowling bediente sich hier einem wilden Mix der Stereotype.

Dass die medial vermittelten Stereotype auch Auswirkungen auf die Wahrnehmung im Alltag haben, musste ich oft genug selbst erleben. In einem Dorf wurde mein damaliger Freund gefragt, wie viel ich gekostet habe. Seitdem ich online präsent bin, bekomme ich regelmäßig belästigende Nachrichten von Männern. Von vulgären Fragen über die Weite meiner Vagina bis hin zu „Buchungsanfragen für Zeit zu zweit“, war schon alles dabei. So etwas hat mich vor allem als junge Erwachsene erschüttert. Manchmal fühlte es sich an, als wüsste ich mehr darüber, was auf mich projiziert wird, als wer ich eigentlich sein will. Und während mein Körper einerseits sexistisch kommentiert wird, bin ich ebenso offensichtlich rassistischen Beleidigungen wie „Schlitzauge“ und Co. ausgesetzt.

Ich bin einfach wütend und erschöpft

Die Konsequenzen stereotyper Darstellung sind aber auch wissenschaftlich belegt. Die deutsch-chinesische Politik- und Neurowissenschaftlerin Liya Yu schätzt das Narrativ der gefühllosen „Dragon Lady“ als verheerend ein, da es gesamtgesellschaftlich zu „genereller Missachtung unserer Existenz und unserer Bedürfnisse“ führt. Die Psychologinnen Hsiu-Lan Cheng und Helen Kim argumentieren in einem Paper von 2018, dass die rassistische und sexistische Objektifizierung zu einer geschädigten Körperwahrnehmung und Essstörungen und sogar Trauma-Symptomen führen kann. Als Beispiele für Objektifizierung werden Mikroaggressionen am Arbeitsplatz, sexistische Kommentare, aber auch die mediale Darstellung genannt.

Normalerweise würde ich am Ende dieser Kolumne einen Wunsch formulieren. Ich würde etwas à la „Ich wünsche mir weniger Stereotype“ schreiben, aber ich bin über freundliche Wünsche hinweg. Stattdessen fühle ich Frust, eben weil ich ganz genau weiß, dass die mediatisierten Stereotype konkrete Auswirkungen auf mein Leben und das vieler weiterer Betroffener haben. Ostasiat*innen gelten als Vorzeigeminderheit. Wir sind die, die fleißig arbeiten und die Klappe halten, aber ich habe keine Lust darauf, still zu sein und die Diskriminierung wortlos hinzunehmen. Ich bin niemandes Lotusblüte, Schätzchen, Drachendame, „Sexpüppchen“ oder sonst was. Ich bin einfach wütend und erschöpft.

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