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„Mütter machen Porno“: Welches Problem die neue Sat.1-Doku wirklich aufzeigt
Aphrodite und Eros treffen sich in einer „erotisierenden Zwischenwelt“, die eigentlich ein ganz normaler Club ist. Sie tanzen kurz miteinander und reden gegen den Beat an. Dann geht sie vor ihm in die Knie, bleibt kurz unten, mit ihrem Kopf auf Schritthöhe. Hinter ihnen auf der Tanzfläche steht auf einmal ein rundes Bett, bereit für ihre „magischen Spiele der Begierde“. Auf dem Bett haben sie dann sehr, sehr langsamen Sex. Mitten im Technoclub und während alle andere nackt um sie herumtanzen.
Das ist er also: ein Porno für Jugendliche. Fünf Mütter haben ihn für ihre Kinder und für die neue Sat.1-Dokumentation „Mütter machen Porno“ produziert. Im Abspann des Pornos steht „Idee und Regie – alle Mütter zusammen“. Die fünf Ü35-Frauen, die sich konsequent „Mädels“ nennen, haben Kinder im pornokonsumierenden Alter, die wiederum Väter haben, denen das anscheinend ziemlich egal ist, weil sonst hieße es nicht „Mütter machen Porno“ sondern „Eltern machen Porno“. Natürlich müssen sich mal wieder die Frauen drum kümmern.
Mutter Bianca hat Angst, dass ihre Kinder davon „total zerstört im Kopf“ werden
Das Format ist nicht neu, vor einem Jahr lief „Mums make Porn“ bereits in Großbritannien, in beiden Dokumentationen wird „das Internet“ als „das Problem“ identifiziert. Kinder und Jugendliche haben unbeschränkten Zugang zu pornografischen Inhalten und die Mütter glauben, das vermittele ein falsches Bild von Lust und Liebe. Mutter Bianca fasst das folgendermaßen zusammen: Sie habe Angst, dass ihre Kinder davon „total zerstört im Kopf“ werden. Um zu verstehen, was anders sein muss, besuchen die „Mädels“ einen Pornodreh, die Erotikmesse Venus, einen Bondage-Workshop und sprechen mit einer Sexualtherapeutin und der Pornoproduzentin Erika Lust.
Aber kann das funktionieren? Mit einem selbstgedrehten Porno jungen Menschen zu einem nach Mutter-Maßstäben korrekten Verständnis von Sex zu verhelfen? Machen wir es kurz: Nein.
Natürlich ist es vernünftig, etwas gegen Gewalt in Pornos tun zu wollen und dagegen, dass Frauen in ihnen oft nicht so gut wegkommen. Was aber nicht vernünftig ist, ist dabei andere sexuelle Vorlieben abzuwerten und beispielweise einen Dreier als nicht „normal“ zu beschreiben oder Kategorien von Männlichkeit (großer Penis gleich ordentlicher Mann) aufrechtzuerhalten.
Auch nett: Junge Menschen kommen in der Doku nur dann vor, wenn sie vor eine Graffitiwand (das ist doch gerade cool, oder?) gesetzt werden und dann bestätigen: „Ja, wir gucken Pornos!“ Damit hat das Ganze dann auch die nötige Relevanz, denn das, liebe Zuschauer*innen, könnte Ihr Kind sein!
Aber Moment mal! Was war noch einmal der Grund dafür, dass junge Menschen sich von Pornos aufklären lassen und dann möglicherweise ein verzerrtes Bild von Sexualität haben? Genau! Erziehungsberechtigte, die nicht mit ihren Kindern über Sex reden, und Schulen, die unterkomplexen Aufklärungsunterricht leisten.
„Eigentlich gucke ich gar keine Pornos mehr“
Und da auch in der Doku „Mütter machen Porno“ mal wieder niemand den jungen Menschen zuhört, gehen die eigentlich wichtigen Momente komplett unter: Da ist die (namenlose) junge Frau vor der Graffitiwand, die sagt: „Eigentlich gucke ich gar keine Pornos mehr.“ Oder der Sohn, der über den einfachen Zugang zu Pornos sagt: „So ist das Internet, so funktioniert das einfach.“
So funktioniert das einfach und dagegen kann man nichts tun. Außer dafür zu sorgen, dass sich Kinder und Jugendliche keine verstörenden Aufklärungsalternativen suchen müssen. Viele junge Menschen haben auch schon von alleine begriffen, dass Pornos Fantasien abbilden und keine Realitäten – und vielleicht ist es genau deswegen gut, dass es die Doku gibt, denn im Grunde ist sie die noch viel notwendigere Aufklärungsarbeit für Erwachsene.