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Deutschrap und Sexismus: Wie Rapperinnen an der Männerdomäne rütteln
Rapperinnen können auch mit sexistischen Lines empowern
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Tangas blitzen durch tiefsitzende Hosen, Bootys wackeln vor polierten Sportwagen. Ganz in Leder gekleidet steht die Hauptfigur im Cabrio und rappt:
„Klär deine Perle aus dem Auto mit ein´m Blick!“
Eine Tänzerin beißt sich auf die Unterlippe, neben ihr drehen Reifen durch. Was klingt wie ein Deutschrap-Video aus dem Bilderbuch, ist in Wahrheit alles andere als Standard – denn es rappt eine 19-jährige Frau: Badmómzjay.
Bislang waren es ihre männlichen Kollegen, die solche Sätze rappten und damit ihr Ego polierten. Doch seit immer mehr Frauen im Deutschrap erfolgreich werden, verändert sich das. Heute hört man sexistische Lines immer öfter auch von Rapperinnen. Super, könnte man meinen, dann machen Frauen jetzt den gleichen Mist wie Männer. Doch ganz so einfach ist es nicht. Denn sexistische Begriffe können nicht nur beleidigen. Sie können auch empowern. Zumindest dann, wenn sich der Kontext ändert. Es geht eben nicht nur darum, was gesagt wird, sondern auch darum, wer spricht.
Seit Jahrzehnten prägt die Sichtweise heterosexueller Männer den Deutschrap. Nur eines von tausenden Beispielen: Gzuz rappt in seinem Lied „Mörder“: „Ich nehm' die Drogen, deine Kohle und die Frau“. Die Frau wird in einer Reihe mit zwei Objekten genannt. Was mitschwingt: Eine Frau ist so wertvoll (oder wertlos) wie Geld. Oder eben wie Drogen. In wenigen Worten wird sie vom Rapper objektiviert, bevormundet, erniedrigt, sexualisiert. Texte männlicher Rapper sorgten deshalb regelmäßig für Aufschreie. Deutschrap wird immer wieder in Talkshows und in Schulstunden diskutiert, vor zwei Jahren kam die #metoo-Bewegung auch im Deutschrap an, doch an der oft frauenfeindlichen Grundhaltung vieler Rapper hat sich nicht viel geändert.
Was die Rapperinnen jetzt mit ähnlichen Zeilen machen, bewirkt das Gegenteil. „Ich ficke deine Mutter ohne Schwanz“, behauptete SXTN, während sich Badmómzjay als die „weibliche Heffner“ bezeichnet und Shirin David rappt, sie nehme „zwei Baddies mit heim“. Hier rappen Frauen – und deuten männliche Stereotype für sich um.
Rapperinnen besetzen Begriffe mit Eigenschaften wie Unabhängigkeit und Selbstbestimmtheit neu
Dabei ist zwar auch nicht alles Goldkettchen, was glänzt: In den Lyrics der Rapperinnen bleiben die von Männern erfundenen Rollen bestehen, auch von den Rapperinnen werden andere Frauen sexualisiert. Das zeigt bislang bestehende Grenzen dieser Form des Empowerments auf. Dennoch ist die neue Verwendung solcher Zeilen ein Schritt in die richtige Richtung. Denn die Künstlerinnen erzählen aus ihrer eigenen Perspektive. Und die ist erstens weiblich und zweitens nicht nur hetero. Sie verteilen die Machtverhältnisse also neu.
Shirin David, die erst als Youtuberin bekannt wurde und jetzt an der Spitze des deutschsprachigen Female-Raps steht, erklärt das in einem ihrer Songs so:
„Was sind Bad Bitches? […] Sowas wie 'ne Existenz, die selbstbestimmt ist.“
Und genau das ist der Kern: Statt sexistische Klischees zu reproduzieren, besetzen Rapperinnen Begriffe mit Eigenschaften wie Unabhängigkeit und Selbstbestimmtheit neu. Einstige Beleidigungen werden zu ermächtigenden Selbstbezeichnungen, die an Rap als Männerdomäne rütteln:
„Hoes up, Gs down!“ (Shirin David)
Snoop Dogg hatte Anfang der 1990er das Gegenteil gerappt. Aber die Künstlerinnen bedienen sich nicht nur bei ihren Kollegen, wenn es um einzelne Worte geht, sondern spiegeln auch Situationen: Es ist nicht mehr irgendein Wannabe-Gangsta-Rapper, der dir (lyrisch) deine „Perle klaut“, sondern Badmómzjay – mit langen French Nails, Low Waist Pants und glossy Lips. Dabei inszeniert sie sich nicht maskulin, sondern hyperfeminin. Sie möchte gar nicht wie ihre Kollegen sein. Sie betont viel lieber ihre Weiblichkeit.
„Hol´ mir deine Perle, Bastard,
yeah, I´m bein´ gay for real.“ (Badmómzjay)
oder
„Sag dei'm Boy, dass du bi bist, lass mich dein Girl sein!“ (Shirin David & Kitty Kat)
Durch Songtexte wie diese entsteht Vielfalt in der Branche. Endlich werden auch Menschen angesprochen, die die Mehrheit der Szene bisher ausgeschlossen hat. Das bereichert die Branche über den musikalischen Aspekt hinaus. Und: Dass die Lines nicht nur leere Worte sind, zeigen manche Rapperinnen auch dadurch, dass sie sich mit der queeren Community solidarisieren – so wie Nura, die zu dem mittlerweile aufgelösten Duo SXTN gehörte, alljährlich auf dem CSD. Oder wie Badmómzjay, die öffentlich über ihre Bisexualität spricht.
Klar, Deutschrap alleine kann keine feministischen Wunder vollbringen. Doch in der Szene verschieben sich gerade die Machtverhältnisse – Empowerment, das dringend nötig ist, auch weit über die Rapkultur hinaus. Oder wie Shirin sagt:
„Bitches brauchen Rap.“