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Zwingt mir nicht das WG-Leben auf!

Illustration: FDE

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„WG-Leben, das ist eine Erfahrung, die MUSST du in deiner Jugend gemacht haben!“ und „In einer fremden Stadt ist es doch sonst VOLL schwer, neue Freunde zu finden?!“: Das sind nur zwei der Sätze, die ich mir als junge Nicht-WG-Bewohnerin von meinen Freund*innen und älteren Bekannten regelmäßig anhören muss. Denn für viele gehört die Wohngemeinschaft zum Studierendenleben wie Mate-Tee und der Mittwochmorgen-Kater. Für mich allerdings nicht: Ich bin 21, seit vier Jahren Studentin und habe – bis auf ein paar längere Wochenenden bei meinem Ex-Freund – noch nie in einer WG gelebt. Und ich bin mir nicht sicher, ob sich das jemals ändern wird.

Das scheint für viele schockierend zu klingen. Offenbar auch für meine Freund*innen und sogar entfernte Bekannte meiner Familie, die nicht aufgeben, mir das WG-Leben schmackhaft machen zu wollen. Als Student*in nicht in einer Wohngemeinschaft zu leben, ist anscheinend die Ausnahme.

Das bestätigt eine Studie des Centrum für Hochschulentwicklung (CHE). Die Forscher*innen haben 2018 im Zuge eines Hochschulrankings rund 150 000 Studierende zu ihrer Wohnsituation befragt, das Ergebnis mit den Zahlen aus dem Jahr 2003 verglichen und herausgefunden: Das Leben in Wohngemeinschaften wird immer beliebter. 2018 wohnten 30,8 Prozent der befragten Studentent*innen in WGs, ein Plus von rund zehn Prozent im Vergleich zu 2003. Und das sind nur die WGs in privaten Mietwohnungen, die in Studentenwohnheimen sind da noch nicht eingerechnet. Dagegen wohnen nur 26,9 Prozent der Student*innen alleine (das schließt allerdings nicht aus, dass diese vorher mal WG-Erfahrung gemacht haben).

Wenn mal wieder dreckiges Geschirr die Spüle versperrt, weiß ich, wer dafür verantwortlich ist

Der Trend zur Wohngemeinschaft hängt sicher auch damit zusammen, dass die Zahl der Studierenden jahrelang gestiegen ist und all diese Menschen ja auch irgendwo wohnen müssen – und dass Wohngemeinschaften in Großstädten oft günstiger sind als alleine zu wohnen. Manche könnten sich das Studieren anders gar nicht leisten. Für viele ist aber das Lebensgefühl in der WG entscheidend. Das bestätigt das Verhalten meiner Freund*innen, die mir ständig von ihren WG-Erfahrungen vorschwärmen und bei Verabredungen absagen, „weil in der WG heute Filme-Abend ist“. Und viele Argumente klingen selbst für mich verlockend: In WGs ist man immer in Gesellschaft, wenn man jemandem zum Reden oder Abhängen braucht, knüpft im besten Fall enge Freundschaften und feiert spontane WG-Partys (die ja bekanntlich die besten Partys sind).

Aber ich wohne nunmal lieber alleine. Alleine wohnen ist super. Ich kann morgens, noch im Halbschlaf, mit zerzausten Haaren und Schlafanzug ins Bad huschen, ohne die genaue Uhrzeit am Abend vorher mit meinen Mitbewohner*innen abgesprochen zu haben. Ich muss mit niemandem sprechen, wenn ich total genervt und erledigt von der Uni oder Arbeit heimkomme. Und wenn mal wieder zu viel dreckiges Geschirr die Spüle versperrt oder der Wind beim Lüften die Staubflusen vom Fensterbrett ins Zimmer weht, weiß ich sofort, wer dafür verantwortlich ist – und wer dafür gerade stehen sollte.

Ich lese gerne, ohne von den Schreien aggressiver Playstation-Kommentator*innen im Nebenzimmer gestört zu werden, und höre gerne Podcasts, bei denen wirklich nur die Podcaster*innen reden. Ich koche gerne wann und was ich will, mit den frischen Lebensmitteln aus meinem eigenen Kühlschrank, in dem jedes Fach mir gehört. Und dann bin ich froh, wenn die Reste wirklich für die nächsten Tage reichen und nicht von den geiernden Mitbewohner*innen mit einem subtilen „Oh, das riecht aber gut“ angefordert werden.

Ich halte mich für sozial kompetent genug, auch außerhalb meiner Wohnung Kontakte zu knüpfen

Auch wenn ich ein bisschen introvertiert bin, bin ich natürlich gerne mal unter Leuten. Aber das geht eben auch ohne WG. Kaum zu glauben, aber ich habe während meines Bachelor-Studiums sogar ziemlich viele neue Freund*innen gefunden. Denn das Studierendenleben umfasst so viel mehr als nur die Wohnsituation. Und bietet so viele Möglichkeiten, Leute kennenzulernen: Die Erstsemester-Bar-Touren und Fachschaftspartys, die alltägliche Kaffeepause mit den Seminar-Kolleg*innen und natürlich die WG-Partys der WGs, in denen man nicht selbst wohnt. Zugegeben, durch Corona ist das mit dem Leute kennenlernen ein bisschen schwieriger geworden. Aber grundsätzlich halte ich mich, auch im Blick auf mein bevorstehendes Masterstudium, für sozial kompetent genug, in einer fremden Stadt und außerhalb meiner eigenen Wohnung Kontakte zu anderen Menschen zu knüpfen.

Die Finanzen spielen bei der Wahl der Wohnung natürlich eine wesentliche Rolle – auch für mich. Denn damit hier keine Missverständnisse entstehen: Nein, ich werde nicht von meinen Eltern finanziert, sondern von BAföG und teilweise ziemlich mies bezahlten Nebenjobs. Deshalb muss natürlich auch ich ans Geld denken. Aber meine Ein-Zimmer-Wohnung kostet nun mal genauso viel wie ein durchschnittliches WG-Zimmer. Sie ist vielleicht nicht besonders groß, aber das nehme ich für die Qualität des Alleinewohnens gerne in Kauf.

Natürlich gibt es wunderschöne WGs mit tollen Mitbewohner*innen

Ich will gar nicht ausschließen, jemals in einer WG zu wohnen. Ich will nur einfach nicht, dass alle ständig behaupten, das sei ein absolutes Muss für Student*innen. Denn ich will selbst entscheiden, was das Beste für mich ist. Dass das nicht zwingend das WG-Leben ist, muss ich mir selbst immer wieder klarmachen. Denn nach so viel Einflussnahme und Überzeugungsarbeit von außen ist es manchmal schwer, nicht an meiner eigenen Entscheidung zu zweifeln.

Natürlich gibt es wunderschöne WGs mit tollen Mitbewohner*innen. Viele meiner Freund*innen wohnen in welchen. In denen feiern wir gemeinsam WG-Partys, kochen zusammen oder chillen nach der Uni spontan auf der Couch und tauschen den neuesten Klatsch aus. Und danach gehe ich nach Hause, in meine kleine Ein-Zimmer-Wohnung, wo ich meine Ruhe habe und nichts mit anderen teilen muss.

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