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Wie Computerspiele und Zocken Freundschaften retten können
In der Schulzeit konnten meine Freund*innen und ich uns jeden Tag sehen. Dann kam die Uni und ich war 300 Kilometer von ihnen entfernt. Telefonieren fanden wir alle nicht so cool. Dabei braucht man doch angeblich Kontakt zueinander, um enge Bindungen aufrecht zu erhalten? Würden unsere Freundschaften also zwangsweise vorbei sein?
Nein. Wir fanden einen anderen Weg, in Kontakt zu bleiben: League of Legends. Das Ziel des Computerspiels: Die Türme des gegnerischen Teams zerstören. Dabei spielt man online fünf gegen fünf. Zwei Freundinnen und ich fingen neu mit Spielen an, fünf andere spielten schon jahrelang. Im ersten Semester verbrachten wir so gut wie jeden Abend damit, zusammen ein paar Runden Online-Games zu spielen. Manchmal verabredeten wir uns explizit dazu, aber meistens hingen wir eh vor dem Bildschirm rum und eins kam zu anderen. Dabei konnten wir uns unterhalten. So blieb ich up to date, was für neue Menschen meine Freund*innen kennenlernten, wie ihnen die Uni gefiel und was in unserer Heimatstadt, in der die meisten geblieben waren, so los war.
Ich war ziemlich schlecht in League of Legends. Meine Freund*innen nicht
Wir blieben also nicht nur in Kontakt, wir hörten uns fast täglich. Mit dieser Taktik sind wir nicht alleine: Ein US-amerikanisches Meinungsinstitut fand heraus, dass Online-Games vor allem für Teen-Jungs wichtig sind, weil sie so täglich Zeit mit ihren Freund*innen verbringen. Schlau, oder? Meine Freundesgruppe und ich erreichten so fast das gleiche Level wie damals in der Schule. Es gab nur ein Problem: Ich war ziemlich schlecht in League of Legends. Meine Freund*innen nicht. Und das wurde zum Konflikt.
Online-Games sind ein harter Sport, bei League of Legends gibt es zum Beispiel eine jährliche Weltmeisterschaft. Den Gewinner*innen winken Preisgelder in Millionenhöhe. Um wirklich wirklich gut zu werden, muss man hart trainieren und viel Zeit vor dem Bildschirm verbringen. Man muss schnell sein, den Überblick über das Spiel behalten, die Fähigkeiten der anderen Spielfiguren im Kopf haben. Rund 100 Millionen Menschen spielen weltweit regelmäßig LoL, die Games-Branche ist milliardenschwer. League of Legends ist kostenlos, aber In-Game-Käufe sind möglich.
Online-Spiele sind natürlich nicht unbedenklich: die Hardware zum Zocken ist teuer und es besteht die Gefahr süchtig nach dem Spielen zu werden. In Deutschland ist jede*r zwölfte Jugendliche*r abhängig von Computerspielen. Diese sogenannten „Risiko-Gamer“ haben laut einer DAK-Studie mehr emotionale und Verhaltensprobleme als unauffällige Spieler*innen.
Süchtig zu werden, war zum Glück eher nicht mein Problem. Sondern, dass ich zu schlecht, zu langsam, zu blöd für LoL war. Das ließen mich meine Teamkolleg*innen auch regelmäßig spüren. Manchmal mussten wir nämlich mit willkürlich zugelosten Menschen spielen, weil nicht fünf von uns gleichzeitig Zeit hatten. Man sagt der LoL-Community nach, dass sie sehr gemein ist. Das kann ich bestätigen, denn mein Charakter ist ständig gestorben. Die Reaktionen: „What the fuck are you doing?“, „Why are you helping the enemy?“ oder „Wow are you seven years old?“ Meine Freund*innen versuchten, das abzufangen. Ich solle nicht darauf hören. Sie hatten Recht, aber belastend waren die Beleidigungen trotzdem. Wenn ich zu frustriert für LoL war, spielten meine Freund*innen mit mir eine Onlineversion von Montagsmaler, aber das war auch keine Lösung. Die waren schließlich unglaublich gut in LoL und wollten weiterzocken. Ihr Ehrgeiz übertrug sich auf mich. Eigentlich konnte es mir ziemlich egal sein, dass ich schlecht war. Aber ich wusste, dass meine Freund*innen richtig gut spielen wollten. Da stand ich im Weg. Ist das Leistungsdruck?
Also übte ich oft alleine gegen leichtere Gegner*innen, um mit dem Niveau meiner Freund*innen mithalten zu können. Ziemlich viel Einsatz dafür, dass ich eigentlich nur Kontakt mit meinen Friends halten wollte. Irgendwann schrieb mir beim alleine üben jemand „seriously, go back to playing mario kart“. Das sei mehr mein Niveau. Danach hatte ich genug, war frustriert und wütend und hörte auf zu spielen.
Wäre ich besser in League of Legends gewesen, wären wir vielleicht gemeinsam erwachsen geworden
Im Umkehrschluss entfielen dadurch auch die Spiele-Sessions mit meinen Freund*innen. Manchmal gabs noch eine Partie Montagsmaler, aber irgendwann war uns das auch nicht mehr wichtig. Wir hatten uns in der Zwischenzeit alle unser eigenes Leben aufgebaut. Und uns schließlich tatsächlich aus den Augen verloren. Heute sehen wir uns nur noch, wenn wir alle gleichzeitig Heimatbesuch machen. Ostern, Semesterferien, Weihnachten. Manchmal schwelgen wir dann in Nostalgie über die Zock-Phase im ersten Semester. An Weihnachten mussten wir uns leider gegenseitig komische Fragen stellen: „Na, wie läufts mit deinem Studium?“, „Weißt du, was die Magdalena jetzt macht?“
Wäre ich besser in League of Legends gewesen, wären wir vielleicht gemeinsam erwachsen geworden. Zocken kann Menschen verbinden und Freundschaften am Leben halten. Aber eben nur, wenn alle ein vergleichbares Niveau haben. Man umgibt sich eben doch am liebsten mit denen, die einem ähnlich sind. Schade, denn mit Diversität machen Freundschaften, macht das Leben mehr Spaß. Freundschaft und Diversität gegen den blöden Leistungsdruck und den Konkurrenzkampf. Ob beim Zocken oder in der großen weiten Welt.