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Handgeschriebene Post bringt uns besser durch die Corona-Pandemie
Eine der Freuden, die mich durch das vergangenen Pandemie-Jahr begleitet hat, kommt stets überraschend – in Form eines aus dem Briefkasten gezogenen Umschlags, bei dem sofort klar ist, dass das ein guter Umschlag ist. Keine Rechnung, keine Werbung, kein Beamtendeutsch. Sondern ein mit der Hand geschriebener Brief von einem Menschen, der mir nahesteht.
Von diesen Briefen bekomme ich gerade mehr als zu Vor-Pandemie-Zeiten – und darüber bin ich sehr froh. Ich finde: Jetzt ist genau der Zeitpunkt, wieder mehr analoge, handschriftliche Post zu schreiben. Die Pandemie setzt uns allen zu, auch denen, die sich im Homeoffice gut schützen können. Ich vermisse Umarmungen, Rotwein-Abende in vollgestopften Küchen, Freund*innen in anderen Städten zu besuchen, Pläne schmieden.
Briefe müssen nicht lang sein, nicht verkopft oder literarisch, meist sind sie aber ehrlich
Briefe kriegen hilft da ein bisschen – welche zu schreiben, auch: An diejenigen, die am meisten fehlen, an diejenigen, von denen man schon viel zu lange nichts mehr gehört hat, an diejenigen, die gerade in Quarantäne sind. Und an die Oma sowieso. Denn jemandem einen Brief zu schicken, zeigt, dass man Zeit investiert, ein bisschen Geld, die Ruhe, die eine hastige Chatnachricht im Gehen nicht braucht, die Sorgfalt, bestimmte Worte zu wählen. Briefe müssen nicht lang sein, nicht verkopft oder literarisch, meist sind sie aber einfach ehrlich. „Ich vermisse dich“, das hat auf Papier geschrieben, in einen Umschlag gesteckt und losgeschickt eine andere Wucht, als ins Handy getippt. Und jemanden oder etwas einfach unendlich zu vermissen, ist das nicht eigentlich das Destillat dieser Tage und Monate? Das konzentrierte, runtergebrochene Gefühl, das jeden Tag in dieser Pandemie begleitet?
Schreiben tut wohl nicht nur mir gut: Vor Ostern zum Beispiel haben 100 000 Kinder Briefe an die sogannte Osterpostfiliale geschickt und so ihre Wünsche und Gedanken an den Osterhasen geschrieben, vermeldet das dortige Postamt. Fast doppelt so viele Briefe wie vergangenes Jahr sind eingegangen. Viele der Kinder haben ihre Ängste und Zukunftssorgen zu Papier gebracht.
Ich habe immer gern geschrieben, schon früh war ich damit ein bisschen aus der Zeit gefallen. Mit 13 gestand ich meinem damaligen Crush (oder Schwarm, wie man damals noch sagte) meine Gefühle per Postkarte. Die Abfuhr bekam ich per SMS. Er muss meine Idee seltsam gefunden haben, schließlich hatten wir damals schon Handys. Trotzdem schreibe ich heute noch immer gern, auch platonische Liebesbriefe.
Die vertraute Handschrift von engen Freund*innen auf einem Umschlag zu sehen, ist tröstlich
Eine Freundin und ich schicken einander gerade oft handschriftliche Traum-Szenarien: Jetzt zusammen auf deinem Balkon sitzen und den ganzen Tag Proseccoschorle trinken. Jetzt zusammen ans Meer fahren. Wenn der Sommer kommt, liegen wir zusammen am See. Sätze wie diese helfen mir, mich dieser Freundinnenschaft zu versichern, und das hilft mir durch die Krise. Ich weiß, dass sie es nicht erwarten kann, all diese aufgeschriebenen Träumereien Wirklichkeit werden zu lassen.
Als ich vor einiger Zeit in eine andere Stadt zog, schrieb ich Abschiedsbriefe an die mir dort wichtigsten Menschen. Sie zwangen mich, mich nochmal auseinanderzusetzen – mit der Person, den Jahren, den Erlebnissen, der Bedeutung unserer Beziehung. Umso schöner, wenn ich von diesen Menschen Post bekomme. Allein die vertraute Handschrift von engen Freund*innen auf einem Umschlag zu sehen, zu wissen, von wem diese Post ist, ist tröstlich. Briefe sind immer überraschend: Nie weiß man, was drin ist und drin steht. Per Brief habe ich erfahren, dass ich Patin werde. Und am Umschlag erkenne ich oft sofort, von wem die Post ist. Ganz schlicht? Knallbunt? Mit feministischen Stickern drauf? Jede*r Freund*in hat auch da eine eigene Handschrift.
Genauso wie ich auch. Ich besitze eine Kiste für an mich adressierte Briefe, und eine mit ganz besonderen Schreibwaren und Briefpapier. Darin sind Postkarten mit Fotografien, die ich jemandem zeigen will, kleine, verzierte Kärtchen, pastellige Papierblätter, neongrüne Briefumschläge, Glitzersticker in Herzform. Alles unnötig, manches kitschig, aber was soll’s. Oft kaufe ich Karten einfach, weil sie mich an jemanden erinnern.
Denn eigentlich ist ja fast jeder Brief ein Liebesbrief. Er zeigt zwischen all der Werbung und der Behördenpost, die wir sonst täglich aus unseren Briefkästen fischen, dass uns jemand wichtig ist. So sehr, dass wir uns hinsetzen, Gedanken zu Papier bringen, eine Briefmarke auftreiben – und das Ganze dann auch noch zum nächsten Briefkasten bringen.