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Hochzeitsfeiern: Unsere Autorin will nicht mehr dazu eingeladen werden
„Unmöglich, wie die angezogen sind!“, murmelt eine Omi am Brauttisch. Ich spüre die Blicke auf mir und meinem Partner. Ich in Kleid, Lederjacke und Springerstiefeln, er mit Anzug und Melone im Dandy-Look. Nur, weil das Brautpaar wollte, dass sich die Gäste authentisch in Wohlfühl-Schale werfen, heißt das noch lange nicht, dass die ältere Verwandtschaft das toleriert. „Also so geht man doch nicht zu einer Hochzeit!“, raunt ein anderer Gast. Tja, da bin ich wieder: auf dem verkrampftesten Minenfeld unserer Gesellschaft, dem Hochzeitsparkett. Aber ich bin harmoniebedürftig und somit bisher jeder Einladung gefolgt. Damit ist jetzt Schluss. Hört auf, mich einzuladen!
Ich halte Hochzeiten für ein absurd teures Fest, bei dem Menschen zusammengepfercht werden, die einander vielleicht besser nie begegnen sollten. Und bei dem alle so tun, als würde plötzlich ein besseres Leben für zwei Menschen beginnen, denen es vor der Unterschrift beim Standesamt ja nicht schlechter ging. Natürlich freue ich mich, wenn meine Freund*innen ihr Glück feiern. Doch bei Hochzeiten sind die Erwartungen an diesen einen Tag so gigantisch, dass die Enttäuschung garantiert ist. Entweder ist die Hochzeitstorte nicht perfekt, oder ein Gast viel zu früh unangenehm betrunken oder die Sitzordnung zaubert Unzufriedenheit in die Gesichter.
Und dann die Vorbereitung: Kein Hochzeitspaar aus meinem Freund*innenkreis war entspannt in den Wochen vor der Feier, oft waren schon in den Monaten vor dem Ereignis Wochenenden und Feierabende durchgetaktet. Location, Gästeliste, Blumenschmuck, Programm – das ist nicht nur für das Paar anstrengend, sondern auch für die Trauzeug*innen und all jene, die sich mit ihren bald verheirateten Freund*innen plötzlich nur noch über die Farben von Luftballons und die Vor- und Nachteile von Fackelbeleuchtung unterhalten können. Warum das alles? Wozu der Stress? Wem wollt ihr etwas beweisen?
Und dann das schwierigste an der Hochzeit – das Geschenk. Oder besser: das Geld
Und dann ist er endlich da, der Tag aller Tage. Die Nerven liegen blank. Dabei beginnen die unangenehmen Auftritte erst jetzt. Zum Beispiel mit der Rede des Brautvaters. Da steht Papa Jürgen* mitten im Raum, alle Augen ruhen auf ihm. Um seine Tochter hat er sich selten gekümmert. Die Bühne nutzt er trotzdem gern. Her mit dem Mikro, in das er mit hochzeitstypischer Unprofessionalität nuschelt: „Erstmal ein großes Danke an den Bräutigam!“ Seine Tochter ist klug und hübsch und trotzdem tut er so, als hätte er nach viel Anstrengung endlich den klapprigen VW-Polo verkauft. Schweigen und betretenes Wegschauen. Nur Jürgens Mutter und Jürgens neue Frau lächeln ihm auffordernd zu. Ich ertrage keine Fremdscham. Eigentlich disqualifiziert mich allein das schon als Hochzeitsgästin.
Wenigstens fließt der Prosecco schneller, je teurer die Location ist, denn desto besser ausgebildet ist das Service-Personal. Damit steigt meine Chance auf eine gezielte Kurzzeitamnesie. Das hat schon einige Male meine psychische Gesundheit gerettet. Denn spätestens, wenn die Hochzeitsspiele beginnen, sind wir wieder bei der Fremdscham. Was ist lustig und auch nur ansatzweise würdevoll daran, den Bräutigam vor einem Laken zu platzieren und die Braut dazu zu bringen, ihn blind mit Torte zu füttern? Was ist romantisch daran, Teelichter zu verteilen und dazu „I See Fire“ von Ed Sheeran zu spielen? Einiges, offensichtlich. Denn jetzt sitzen Alexander* und Rebecca* selig in der Mitte des Raumes. Jeder Gast darf – also muss – ein Teelicht vor ihnen platzieren und ihnen etwas wünschen. Währenddessen singt Ed Sheeran auf Englisch von Blut im Wind und Feuer, das die Seelen aushöhlt. Den Songtext hat sich wohl niemand genauer angehört.
Und dann der Hochzeitstanz: Den Eltern stehen die Tränen in den Augen, während ihr kleiner Engel vom frisch Angetrauten beim Eröffnungswalzer über das Parkett bugsiert wird. Es sieht umständlich aus, vielleicht sogar schmerzhaft. Und auch das Brautpaar ist peinlich berührt, während ihm die umstehenden Gäste zuklatschen. Warum tut ihr euch das an? Solltet ihr bei 15 000 Euro Budget und zwölf Monaten Vorbereitung nicht den meisten Spaß auf eurer Hochzeit haben? Ich habe wirklich noch nie ein Paar erlebt, das selbstbewusst und voller Freude den ersten Tanz durchgezogen hätte. Nur meine Patentante, die hat auf ihrer Hochzeit Gangnam-Style getanzt.
Und dann das schwierigste an der Hochzeit – das Geschenk. Oder besser: das Geld. In meinem Alltag würde ich nie in den überdekorierten Restaurants essen, nein speisen, in denen ihr feiert. Klar gibt es kein Gesetz, das mich dazu verpflichtet, mit meinem Geldgeschenk dafür zu bezahlen. Aber eine Geschenke-Liste und Stirnrunzeln gibt es am Ende eben doch.
Das alles lässt mich mit einem miesen Gefühl zurück. Klar, feiert eure Liebe! Aber all diese Fallstricke, die Sitzordnungen, die Perfektion, das Tratschen der Anwesenden, die Peinlichkeiten und vor allem eure Anspannung – das halte ich schwer aus. Wenn euch eigentlich alles zu viel und zu stressig ist – können wir nicht einfach ein großes Gartenfest machen, Bier trinken und auf euch anstoßen? Ohne Dresscode, ohne Menschen, die man nur aus Zwang einlädt, ohne Traditionen, die euch mehr einengen, als dass ihr sie genießt. Dann bin ich dabei. Bis dahin – verschont mich bitte mit der nächsten Einladung. Da bleibe ich lieber daheim, trinke ein Glas auf euch, gucke Netflix und überweise euch einfach einen Zwanni bei Paypal.