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Abgesperrte Parkbänke sind ein Symbol der Corona-Krise

Ein Ort, an dem sich eigentlich jede*r hinsetzen darf – und auf einmal ist das Hinsetzen verboten.
Illustration: Daniela Rudol-Lübke

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Manchmal fühlt es sich fast so an, als wäre alles normal. Wenn ich hier in Brüssel einen Spaziergang mache und die Sonne scheint. Wenn ich im Park einen Mann joggen sehe, eine Frau mit Hund, einen Vater mit zwei Kindern auf Fahrrädern, dann könnte das auch ein ganz normaler Sonntag sein. Oder ein Feiertag, Ostermontag vielleicht, es riecht ja nach Frühling. Eigentlich ist zwar Donnerstag und Werktag, aber Wochentage kann ich verdrängen, die laufen eh gerade alle irgendwie ineinander über. Und wenn ich keinen Krankenwagen höre und keine Aushänge an geschlossenen Restaurant-Türen lese, wenn der nächste Supermarkt mit Warteschlange davor von hier aus nicht zu sehen ist, dann schaffe ich es vielleicht wirklich, kurz zu vergessen, dass gerade Krise ist.

Aber dann würde ich mich gerne einen Moment hinsetzen und mir die Sonne ins Gesicht scheinen lassen, gar nicht unbedingt, weil das angeblich gut fürs Immunsystem ist, da denke ich grade mal nicht dran, sondern einfach, weil es guttut. Also suche ich eine Parkbank und finde eine und dann stehe ich davor und weiß sofort wieder, was eigentlich los ist. Denn über die Bänke hier sind jetzt oft rot-weiße Absperrbänder gespannt oder blau-weiße der belgischen Polizei, von der linken Ecke der Lehne zur rechten der Sitzfläche und umgekehrt, ein Absperrkreuz, das sagt „Hinsetzen verboten“ und das leicht im Wind flackert. So eine abgesperrte Parkbank ist der stille, aber eindeutige Beleg, dass etwas nicht in Ordnung ist. Und darum ist sie für mich eines der Symbole der Corona-Krise, neben den Masken und unseren vom vielen Waschen rauen Händen. Das Symbol, das am deutlichsten zeigt, dass diese Krise uns alle trifft.

Parkbänke sind gute Orte. Sie stehen im öffentlichen Raum herum, oft sogar an besonders schönen Plätzen, und jede*r, wirklich jede*r darf sie benutzen. Einfach so, kostenlos. Man kann sich darauf ausruhen, lesen, die Umgebung anschauen, sogar schlafen. Für Menschen, die keine Wohnung haben, können sie ein Bett sein, für Senior*innen mit müden Beinen ein willkommener Rastplatz, und weil mindestens drei oder vier Menschen draufpassen, sind sie auch ein guter Treffpunkt (darum hat die jetzt-Redaktion sogar eine eigene Bank im Englischen Garten in München). Eine Parkbank sieht alle Arten von Menschen, reiche, arme, große kleine, glücklich verliebte oder frisch getrennte, gesunde und kranke. 

Wenn Parkbänke abgesperrt werden, müssen wir auf ein Stück demokratisches Leben verzichten

Der ukrainischer Fotograf Eugene Kotenko hat ganze vier Jahre im Leben einer Bank vor seinem Haus dokumentiert und auf seinen Bildern ist das ganze Spektrum zu sehen, vom schmusenden Paar über die Kinder unterm Regenschirm und die alten Herren im angeregten Gespräch, bis hin zum Polizeieinsatz und dem Betrunkenen, der hintenüber gekippt ist. Und weil unsere Städte mittlerweile so durchkommerzialisiert sind, gibt es auch immer wieder Aufrufe und Aktionen, die Parkbänke als demokratische und allen zugängliche Orte zu bewahren, zum Beispiel in Form eines Plädoyers oder einer Kunstaktion. Wenn sie abgesperrt werden, dann heißt das, dass wir auf ein Stück demokratisches Leben verzichten müssen.

Die Corona-Krise trifft das komplette öffentliche Leben. Busse und Bahnen fahren seltener und sind fast leer. Theater und Kinos, Läden, Cafés und Bars haben geschlossen. Vor allem für kleine Geschäfte und Kulturstätten ist das eine Katastrophe. Aber hingegangen sind da immer nur diejenigen, die es sich leisten können. Hier geht es ums Geld, darum, dass es vielen jetzt fehlt. Die Schließungen spiegeln unser Wirtschaftssystem wider, sie führen uns deutlich vor Augen, wie es eigentlich funktioniert und was passiert, wenn plötzlich die Pause-Taste gedrückt wird.

Aber eine Parkbank, die nicht mehr benutzt werden darf, trifft wirklich alle, den Cafébesitzer, die Studentin mit Theaterabo, die alte Dame, die von Grundsicherung lebt, und den Mann, der seit Oktober wohnungslos ist. Und sie trifft uns anders. Weil nicht nur das soziale Leben, das mit Konsum verbunden ist, gerade stillsteht, sondern auch das, in dem wir einfach nur neben- und miteinander existieren. In dem wir einen Ort demokratisch teilen, ohne, dass irgendjemand eine Voraussetzung dafür erfüllen muss, ihn nutzen zu dürfen. Daran muss ich denken, wenn ich das Absperrband an einer Bank flattern sehe: dass diese Krise an den Grundfesten unserer Gesellschaft rüttelt und niemanden unberührt lässt. 

Es ist fast unmöglich, eine Parkbank abzusperren. Sie ist einfach nicht dafür gemacht, nicht benutzt zu werden

Aber an den abgesperrten Parkbänken in meiner Stadt kann ich auch erkennen, dass sich die Menschen den öffentlichen Raum nicht ganz nehmen lassen wollen. Oft sind die Bänder abgerissen oder jemand setzt sich trotzdem hin, an den Rand der Bank. Denn es ist ja fast unmöglich, eine Parkbank abzusperren. Sie ist einfach nicht dafür gemacht, nicht benutzt zu werden, sondern im Gegenteil so offen und einladend, dass man sie schon abmontieren, mit Stacheln versehen oder einen kleinen Bunker drumrum bauen müsste, um Menschen daran zu hindern, sich drauf zu setzen. Der Anblick der Bänder tut darum weh, aber er macht mir auch ein bisschen Hoffnung: Die Situation ist nur vorübergehend, provisorisch, aus der Not heraus geboren. Und sie wird vorbeigehen.

Im Park bei mir um die Ecke hat die Polizei offensichtlich schon aufgegeben: Die Absperrbänder wurden wieder entfernt. Ab und zu sitzen einzelne Menschen auf den Bänken. Wenn Polizist*innen durch den Park patrouillieren, weisen sie sie darauf hin, dass sie sich nicht länger aufhalten dürfen. Vermutlich muss das jetzt so sein, zu unser aller Schutz. Aber ich habe auch schon gesehen, wie Beamt*innen an einer alten Dame vorbeigegangen sind, die auf einer Bank saß, offensichtlich etwas müde. Sie sahen einfach nicht hin. Und für ein paar Minuten gehörte diese Bank in der Sonne der alten Dame ganz alleine. Fast so, als wäre alles normal und nicht Krise.

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