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Graphic Novel: Kathrin Klingner zu „Über Spanien lacht die Sonne“ über Hate Speech
Die Comic-Zeichnerin Kathrin Klingner arbeitete viele Jahre im Nebenjob als Moderatorin für Online-Kommentare. Jetzt hat sie ihre Erlebnisse in diesem Job in einem Comic verarbeitet. „Über Spanien lacht die Sonne“ erzählt die Geschichte einer Kommentarmoderatorin, die neu in den Job kommt und deren Leben ziemlich schnell von den Hasskommentaren im Internet bestimmt wird. Der Comic spielt im Jahr 2015, zur Zeit der sogenannten Flüchtlingskrise. Wir haben mit Kathrin Klingner darüber gesprochen, was sich in diesem Jahr im Internet geändert hat und warum das historisch war.
jetzt: Kathrin, du hast, so wie deine Hauptfigur Kitty, als Kommentarmoderatorin gearbeitet. Wie war dein Alltag in diesem Job?
Kathrin Klingner: Anders als im Comic haben weder ich noch meine Kolleg*innen die Kommentarmoderation jemals als Vollzeitjob gemacht. Im Schnitt war ich ein- bis zweimal in der Woche dort. In einer Schicht liest man etwa 400 bis 800 Kommentare zu verschiedenen Themen, den größten Teil davon kann man online stellen. Kommentare, die grob beleidigend oder diskriminierend sind, werden gelöscht. Auch Kommentare, die Werbung beinhalten oder irgendwelche Zahlen und Fakten in den Raum stellen, die man nicht nachprüfen kann – Stichwort „Fake News“.
Du hast 2013 mit diesem Nebenjob angefangen. 2015 kam dann die sogenannte Flüchtlingskrise.
Ja, das war in Sachen Kommentare auf jeden Fall ein Wendepunkt. Eigentlich hauptsächlich Silvester 2015/16 und die Übergriffe in Köln. Für viele Leute war das so ein Startschuss zur Enthemmung. Auch für solche, die sich in Onlineforen sonst eher zurückhalten. Auf einmal meinten viele, sie könnten im Internet alles schreiben, ohne dass es dafür Konsequenzen gäbe.
Gab es deinem Empfinden nach 2015 mehr Hass im Internet als heute?
Ich glaube jedenfalls nicht, dass es seitdem weniger Hass gibt. Irgendwas ist 2015 entfesselt worden. Die Themen haben sich zwar verändert, es geht nicht mehr nur um Flüchtlinge, sondern auch um den Klimawandel und Corona. Die Agressivität, mit der diskutiert wird, ist aber nach wie vor die gleichen. Die Leute sehen ihr Gegenüber nicht mehr als eine Person mit einer Meinung, die sie schlecht finden, sondern als einen Feind, der grundsätzlich bekämpft werden muss.
Wann hast du dich entschieden, aus diesem Stoff einen Comic zu machen?
Ich dachte 2015 bei der Arbeit ständig, dass gerade etwas passiert, von dem man sich später erzählen wird. Das wollte ich irgendwie protokollieren. Zuerst hatte ich nur ein Heftchen für eine kleine Comic-Messe gemacht. Ich wollte dann aber weiter an der Geschichte arbeiten und habe dann die nächsten zweieinhalb Jahre an „Über Spanien lacht die Sonne“ gezeichnet.
Der Chef deiner Hauptfigur Kitty sagt im Comic, dass seine Moderator*innen so seien wie „Förster im Online-Wald“. Sie würden quasi das Internet schön halten. Hast du dich in diesem Job so gefühlt?
Nein, gar nicht. Im Comic sagt Kittys Chef diesen Satz, als er für eine Teamsitzung seiner Firma eine Art Peptalk einübt. Das mit den „Förstern im Online-Wald“ überlegt er sich, um seinen Angestellten ihre Arbeit ein bisschen schönzureden. Ich hatte als Kommentarmoderatorin eher das Gefühl, man ist so etwas wie eine Reinigungskraft.
Kitty datet einigermaßen erfolglos in der Welt herum, ist oft allein und trinkt abends zu viel Wein. Ich würde mal sagen, sie kriegt es so mittelgut hin, den Hass, der ihr täglich um die Ohren fliegt, zu verarbeiten. Kann man das überhaupt?
Kitty als Hauptfigur geistert wirklich ziemlich haltlos durch ihr Leben. Allerdings denke ich nicht, dass der „schlimme Job“ dafür der Auslöser ist und sie versucht, irgendetwas zu verarbeiten. Sie kommt eher als bereits etwas verlorener Charakter zu dieser Gruppe von Angestellten hinzu, die alle versuchen, irgendwie das Beste aus ihrem Alltag zu machen.
Du warst lange in diesem Job. Wie hast du den Alltag als Kommentator-Moderatorin verarbeitet?
Ich habe ein Comic darüber gezeichnet.