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Gehalt: Wie viel verdient eine Ausreiseberaterin?
Was genau macht eine Ausreise- und Perspektiv-Beraterin?
Ich arbeite in einer Flüchtlingsunterkunft in Nordrhein-Westfalen und berate dort Geflüchtete, die in ihr Heimatland zurückgehen wollen oder in ein drittes Land, das nicht ihre Heimat, aber auch nicht Deutschland ist. Viele dieser Menschen müssen unser Land sowieso verlassen und wählen die freiwillige Ausreise, weil dies für sie meist die bessere Option ist als eine Abschiebung. Aber es gibt auch Leute, die aus privaten Gründen nach Hause zurückwollen und dabei Hilfe benötigen, weil sie keine Dokumente haben. Und dann gibt es noch diejenigen, die hier nicht richtig ankommen, sich das Ganze anders vorgestellt haben und ihre Angehörigen so sehr vermissen, dass sie zurückgehen möchten. Denen zeige ich dann die Perspektiven auf, wie sie dies möglichst gut umsetzen können. Wenn jemand nicht zurückgehen möchte, obwohl ich demjenigen all seine Möglichkeiten und die Konsequenzen erklärt habe, dann verweise ich die Person an Kollegen aus anderen Bereichen. Ähnlich ist das, wenn jemand Integrationsschwierigkeiten hat. Auch das fällt nicht mehr in meinen Bereich, hier geht es wirklich um die Beratung, wenn jemand Deutschland wieder verlassen möchte oder muss.
Da mein Job etwas kompliziert ist und sich auch mit schwierigen Beratungsfällen auseinandersetzt, ist es gar nicht so leicht, eine passende Bezeichnung dafür zu finden. Früher hieß meine Stelle „Rückkehrberatung“ und so soll sie ab nächstem Jahr auch wieder vorrangig heißen. Wohlfahrtsverbände sehen das aber eher kritisch, da wir eben nicht nur in Hinblick auf eine Rückkehr ins Heimatland beraten, sondern den Geflüchteten auch andere Perspektiven, wie die Reise in ein drittes Land, aufzeigen.
Wie läuft so eine Beratung ab?
Ich schaue zunächst gemeinsam mit den Geflüchteten, was bereits in Deutschland alles an Anträgen gestellt wurde. Also ob ein Asylantrag vorliegt, ob er anerkannt oder ablehnt wurde. Das ist wichtig für die weitere Vorgehensweise. Anschließend checke ich, welche Dokumente sie noch besitzen. Die meisten haben gar nichts, weder Reisepass noch Personalausweis oder Geburtsurkunde. Das führt dann meist zu einem langen Hin und Her mit der Botschaft ihres Heimatlandes, um diese Dokumente wieder zu beschaffen. Zudem telefoniere ich viel mit der Ausländerbehörde zum Stand des Asylverfahrens der Geflüchteten. Wenn die Behörde mir nicht weiterhelfen kann, dann wende ich mich an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Die wissen oft schneller Bescheid. Sind alle Formalien und Personalien geklärt, stelle ich Anträge für eine Finanzierung der Heimreise. Die Geflüchteten bekommen die Flüge bezahlt und je nach Heimatland ein paar Tausend Euro als Starthilfe. Wenn sie zu Hause angekommen sind, können sie sich theoretisch weiterhin bei mir noch melden, wenn sie Hilfe vor Ort brauchen. Diesen Fall hatte ich allerdings noch nicht.
Wer kommt alles zu dir?
Menschen aus aller Welt mit ganz verschiedenen Schicksalen. Neulich war ein Mann aus Iran bei mir, der wollte zurück, weil er seinen kranken Vater unbedingt wiedersehen wollte. Er wusste, dass er dort wahrscheinlich verhaftet wird. Er hat zur mir gesagt, sein Vater könne ihn ja dann im Gefängnis besuchen. Das war hart zu hören.
Außerdem berate ich schon länger eine Frau aus dem Libanon. Sie hat als Grund für ihre Flucht angegeben, dass sie von ihrer Familie – allesamt Muslime – verfolgt wird, weil sie mit einem Christen zusammen war. Sie hat Angst, von ihrer Familie umgebracht zu werden. Dennoch wurde ihr Asylantrag abgelehnt, weil man laut BAMF erst Flüchtlingsstatus erhält, wenn man vom Staat aufgrund seiner Rasse, Religion etc. verfolgt wird. In ihrem Fall war es aber ihre Familie, die sie aufgrund der Religion ihres Freundes verfolgt hat. Es handelte sich dabei also um nicht-staatliche Akteure und deshalb gab es kein Asyl. Ihr wurde gesagt, sie hätte zunächst versuchen müssen, im eigenen Land Schutz zu finden. Da ihre Familie aber ihren Angaben zufolge Kontakte zur Regierung hat, war das wohl nicht möglich. Die Frau tut mir sehr leid, sie ist sehr verzweifelt und weint viel. Und sie sagt, ich sei die Einzige, die ihr zuhört. Das ist besonders traurig, denn sie war schon bei einigen Beratungsstellen und auch dort hätte man ihr zuhören sollen.
Wie verarbeitest du solche Schicksale?
Wir reden mit den Kolleginnen und Kollegen untereinander über unsere Fälle. Auch zu Hause oder bei Freunden erzähle ich mal etwas anonymisiert. Würde ich das alles für mich behalten und in mich reinfressen, wäre das auf Dauer schwierig. Aber das Reden hilft sehr. Es gibt auch spezielle Angebote meines Arbeitgebers, in denen belastende Situationen angesprochen werden können. Außerdem werden auch Weiterbildungen zur Psychohygiene speziell für Ausreise- und Perspektivberater angeboten. Das finde ich gut, denn dadurch fühle ich mich nicht allein gelassen. Was für mich nur wichtig ist: Ich brauche eine räumliche Trennung, daher gehe ich für den Job in die Flüchtlingsunterkunft und lasse nach Feierabend aber auch gedanklich alles dort. Auch in Corona-Zeiten bin ich noch vor Ort, da die Beratung persönlich einfach besser funktioniert. Sobald es einen Corona-Fall in der Unterkunft gibt, kann ich aber auch eine telefonische Beratung anbieten.
Gibt es bei der Beratung auch mal Kommunikationsprobleme?
Meine Stelle hat leider keine Mittel für Übersetzerinnen und Übersetzer, deshalb müssen die Geflüchteten, die weder Deutsch noch Englisch sprechen, oft einen Bekannten mitbringen, der übersetzt. Zum Glück haben wir in der Unterkunft aber auch Betreuerinnen und Betreuer, die Arabisch, Kurdisch oder Farsi sprechen und mal kurz aushelfen können. Zudem habe ich eine ehrenamtliche Übersetzerin für Französisch, eine nette Dame, die mal Professorin war. Und wenn alles nichts hilft, dann mache ich die Beratung auch mal komplett mit Google Übersetzer. Da kommt natürlich manchmal Quatsch raus. Dann sitzen die Geflüchteten da erst mal mit einem Fragezeichen im Gesicht und ich muss das Ganze noch mal in einfacheren Sätzen eingeben. Das größte Problem entsteht aber, wenn die Menschen nicht lesen können. Dann kann man Google Übersetzer auch vergessen. Einmal haben wir in so einem Fall einen Übersetzer über einen Kollegen finanziert.
Was gefällt dir an deiner Arbeit?
Dass ich mit Menschen arbeiten kann – vor allem mit verschiedenen Menschen aus ganz unterschiedlichen Ländern, die alle eine Geschichte zu erzählen haben. Das finde ich spannend. Und ihnen zu helfen, sodass sie nach der Beratung zufrieden sind, das ist ein schönes Gefühl. Es geht darum, ihnen zuzuhören und ihnen zu vermitteln, dass ihr Anliegen wichtig ist. Mir wird immer zurückgespielt, dass sie das sehr schätzen.
Was verdient eine Ausreise- und Perspektivberaterin?
In Vollzeit habe ich in dem Beruf mal ungefähr 3000 Brutto verdient. Momentan habe ich die Stelle auf Teilzeit reduziert, da ich nebenbei Psychologie studiere.
Wie reagieren andere auf deinen Job?
Bisher fanden es alle spannend. Die meisten wissen allerdings nicht, was man mit der Jobbezeichnung genau anfangen soll. Einige haben gedacht, ich würde Flüchtlinge beraten, die zum Beispiel aus Syrien nach Deutschland ausreisen wollen. Also, dass ich denen quasi bei der Flucht helfe. Andere haben das kritisch gesehen und dachten, ich würde die Leute abschieben. Generell zeigen die Leute immer Interesse, aber sie brauchen auf jeden Fall erst mal eine genauere Erklärung. Dazu sage ich dann auch immer, dass ich eben nicht wie eine Juristin eine Abschiebung anfechten kann, denn wenn die Leute zu mir in die Beratung kommen, ist die Entscheidung in Bezug auf ihre Ausreise bzw. Abschiebung oft schon gefallen. Ich helfe dann nur noch, die bestmögliche Perspektive in dieser Situation aufzuzeigen. Die freiwillige, geplante Ausreise ist da oft ein besserer Weg als eine würdelose Abschiebung.