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1918 Euro brutto für die Archäologin in Teilzeit

Foto: Privat / Bearbeitung: jetzt

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Was fasziniert dich an deinem Beruf?

Besonders spannend sind natürlich die Ausgrabungen. Einmal habe ich zum Beispiel an einer Rettungsgrabung teilgenommen. Davon spricht man, wenn Funde durch unmittelbar bevorstehende Baumaßnahmen gefährdet, beschädigt oder durch Erosion freigelegt wurden und sie daher schnellstmöglich geborgen und dokumentiert werden müssen. Bei dieser Grabung haben wir einen frühmittelalterlichen Friedhof freigelegt. Sehr spannend war, dass manche der Gräber in nord-südlicher und andere in ost-westlicher Richtung ausgerichtet waren. Allein durch die Ausrichtung konnte man schon feststellen, ob die Menschen, die dort bestattet worden waren, Christen oder Heiden waren. Letztlich kann man in der Archäologie durch noch so kleine Funde Stück für Stück rekonstruieren, wie die Menschen früher gelebt haben und wie sich die Menschheitsgeschichte entwickelt hat.

Aber auch die digitale Dokumentation der Daten und die Auswertung der Proben und Funde machen mir viel Spaß. Zum Beispiel, wenn ich alte Keramikscherben zusammensetze oder alte Handschriften aus den Archiven miteinander vergleiche und versuche, Textstellen zu entschlüsseln.

Welche Frage wird dir immer gestellt, wenn du von deinem Beruf erzählst?

Die Leute sind oft sehr interessiert an meinem Job. Wie die Arbeit als Archäologin aussieht, können sie sich in der Regel aber nicht so genau vorstellen. Manche verbinden den Job sogar mit den „Indiana Jones“-Filmen. Ich muss dann immer ein bisschen schmunzeln, weil die Realität natürlich ganz anders aussieht, als es im Film dargestellt wird. Ich schlängle mich nicht durch irgendwelche Gruben und muss keinen gefährlichen Fallen ausweichen, um einen Goldschatz zu bergen. Trotzdem finde ich meinen Job aber mindestens genauso spannend – wenn auch nicht so riskant, wie es der Film vielleicht vermuten lässt.

Außerdem werde ich hin und wieder gefragt, ob ich schon mal einen Dinosaurier ausgegraben habe. Ich antworte dann, dass ich zwar (fast) alle alten Dinge mag, man dies aber eher einen Paläontologen fragen sollte. Die Archäologie befasst sich nämlich nicht mit der urzeitlichen Tierwelt, sondern nur mit den Funden, die mit der Menschheitsgeschichte zusammenhängen.

Wie bist du Archäologin geworden?

Archäologin zu werden war früher nie mein Traum, stattdessen wollte ich gerne als Tierärztin oder Biologin arbeiten. Mit dem Biologiestudium hat es aber nicht geklappt, da ich nicht angenommen wurde. Stattdessen habe ich versucht, über Umwege in den Fachbereich Biologie reinzukommen. Dabei habe ich den Studiengang „Prähistorische und Historische Archäologie“ entdeckt, bei dem es möglich war, Biowissenschaften als Zweitfach zu belegen. Während des Studiums habe ich dann aber gemerkt, dass ich Archäologie viel spannender finde als Biologie. An dem Archäologiestudium hat mir auch sehr gefallen, dass man seinen Studienplan individuell und flexibel zusammenstellen konnte und es viele Überschneidungen mit anderen Bereichen gibt. Zwar musste ich gewisse Grundlagenseminare belegen, durch die Wahl des Nebenfachs, wie zum Beispiel Klassische Archäologie, Geschichte, Geografie, Geowissenschaften, Informatik oder Biowissenschaften, konnte ich aber meine Spezialisierung selbst wählen.

An meinen Bachelor habe ich noch einen Master im Bereich Archäologie drangehängt und schließe nun bald meine akademische Laufbahn mit der Dissertation ab. Wenn man als Archäologe in der Forschung arbeiten will, ist ein Doktortitel fast schon Voraussetzung. Denn nur wer diesen Titel hat, darf auch eigene Forschungsarbeiten durchführen. Es gibt aber auch Archäologen, die keinen Doktortitel haben und eher technische Stellen besetzen. Sie unterstützen dann Forschungsprojekte und analysieren beispielsweise Proben oder digitalisieren Kartenmaterial. Andere arbeiten im Archäologischen Landesamt oder im Museum.

 

Wie sieht dein Alltag als Archäologin aus?

Anders als Archäologen, die beispielsweise bei Grabungsfirmen oder im Landesamt arbeiten, bin ich leider sehr selten an der frischen Luft. Das liegt am Thema meines Projekts, in dem ich Daten aus einer bereits abgeschlossenen Grabung auswerte. Daher sitze ich an meinem Arbeitsplatz am Zentrum für Baltische und Skandinavische Archäologie meistens vor dem Computer. Dort werte ich zum Beispiel digitale Vermessungen oder Beprobungsergebnisse aus. Oft bin ich auch in der Bibliothek und lese die neuesten Publikationen oder schlage Fachliteratur nach, mit der ich die historischen Zusammenhänge zu bestimmten Funden rekonstruieren kann.

Gelegentlich kommt es auch vor, dass ich Forschungsreisen unternehme, beispielsweise, um an Fachkonferenzen teilzunehmen und mich mit Kollegen auszutauschen. Und auch an Ausgrabungen nehme ich hin und wieder – wenn auch leider sehr selten – teil. Für meine letzte Grabung bin ich nach Russland gereist, um dort Funde aus einer frühmittelalterlichen Siedlung auszugraben. Als deutsche Forscherin durfte ich die Funde aber nicht einfach mit nach Hause nehmen, da es sich um das Kulturgut der russischen Föderation handelt. Stattdessen habe ich Proben entnommen und die Funde fotografiert, vermessen, gewogen und gezeichnet. Diese Datenhabe ich dann vom Schreibtisch aus ausgewertet. Das heißt, ich vergleiche die Objekte mit ähnlichen Funden aus der Literatur, um etwa feststellen zu können, was der Fundgegenstand genau ist, wo er herkommt, wie weit er verbreitet ist und aus welcher Zeitepoche er stammt. So kann ich zum Beispiel erkennen, welche Handelskontakte es damals gab oder wie sich die Menschen ernährt haben.

Wie viel verdienst du?

Ich werde nach dem Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst bezahlt und verdiene in meiner Teilzeitstelle monatlich 1918 Euro brutto. Aktuell arbeite ich noch an meiner Dissertation und werde auch ausschließlich für diese Arbeit bezahlt. Da ich mich gerade kurz vor Abschluss der Arbeit in der „heißen Phase“ befinde, bin ich etwa zehn bis zwölf Stunden pro Tag damit beschäftigt. Dieser hohe Arbeitsaufwand ist für Doktoranden ganz normal, da es eben dazugehört, sich auch in seiner Freizeit viel mit der eigenen Forschung zu beschäftigen. Für gewöhnlich arbeite ich aber nur etwa acht Stunden täglich.

Mit etwas mehr Berufserfahrung habe ich später die Möglichkeit, bis zu 5800 Euro brutto zu verdienen. Wer als Archäologe in der Forschung arbeiten will, muss aber wissen, dass viele Projekte und Stellen auf wenige Jahre befristet sind. Danach muss man oft weiterziehen und auch Ortswechsel in Kauf nehmen. Natürlich ist das mit der Zeit sehr anstrengend. Ich persönlich versuche aber, flexibel zu sein und das einfach zu akzeptieren, da es zu meinem Job einfach dazugehört und ich unbedingt weiter in der Forschung arbeiten möchte.

Welche Fähigkeiten sollte man als Archäologin mitbringen?

Wer Archäologe werden möchte, sollte einen großen Wissensdurst, eine gewisse technische Affinität und Ausdauer mitbringen, da man sich oft lange mit bestimmten Dingen, wie Textstellen oder alten Funden, auseinandersetzen muss, um die Geschichte dahinter zu verstehen. Auch eine gewisse körperliche Fitness schadet nicht, da Ausgrabungen sehr anstrengend sein können. Außerdem sollte man sehr gerne lesen, denn zumindest in der Forschung ist es wichtig, sich ein sehr breites Hintergrundwissen anzueignen.

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