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3100 Euro brutto für die Buchbinderin

Als Buchbinderin verleiht Eva vielen Büchern ein neues Leben.
Foto: Privat/Bearbeitung: SZ Jetzt

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Der Beruf der Buchbinderin ist so einzigartig, dass er in nächster Zeit nicht aussterben wird, glaubt Eva Kodera, 29. Sie hat nach ihrer Selbstständigkeit noch ihren Meister gemacht und mittlerweile eine eigene Werkstatt im Allgäu eröffnet. 

Was ich als Buchbinderin mache 

„Ich bin in einer Buchbinder-Firma angestellt, die halbindustriell arbeitet. Dort arbeite ich in Teilzeit drei Tage pro Woche. Da binden wir Mappen, passgenaue Schutzkartons oder Passepartouts, meistens für Museen. Die Passepartouts in einem bekannten europäischen Kunstmuseum sind zum Beispiel von uns. Die Pappboxen, die wir herstellen, sind so gemacht, dass der Inhalt 24 Stunden trocken bleibt, falls es einen Rohrbruch gibt oder sowas. Sie sind außerdem maßangefertigt und schaffen aufgrund des pH-Werts ein deutlich besseres Klima für die Inhalte als Plastikboxen. Das ist für Archive wichtig, aber auch für französische Modehäuser, mit denen wir arbeiten. Im Durchschnitt mache ich pro Monat um die tausend Boxen.

Nebenher habe ich auf Etsy einen Onlineshop, da gibt es hauptsächlich Aufträge für Jahrestagebücher, Skizzenbücher oder sogenannte Upcyclingbücher. Viele bringen es nicht übers Herz, alte Bücher wegzuschmeißen, aber was soll man mit ihnen machen? Ich trenne dann die alten Seiten raus und gebe dem schönen Einband frische leere Seiten, zum Beispiel für ein Notizbuch.“  

Wie viel ich als Buchbinderin verdiene 

„Mein geschätzter Monatsdurchschnitt aus beiden Jobs liegt bei 3100 Euro brutto, davon kommt ein größerer Teil aus der Festanstellung. Durch die Selbstständigkeit schwankt mein monatliches Gesamteinkommen natürlich etwas. Es gibt Monate, da verdiene ich quasi nur durch die Festanstellung. Im Dezember hingegen habe ich schon so viel Umsatz gemacht, dass die Selbstständigkeit bei weitem mehr eingebracht hat.“ 

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Foto: Privat

Wie ich zu meinem Beruf gekommen bin 

„Mit zwölf habe ich ,Tintenherz‘ von Cornelia Funke gelesen, darin wird die Geschichte eines Buchbinders und seiner Tochter erzählt. Und auch viel über seine Arbeit. Ich war begeistert von der Idee, Buchbinderin zu sein. Nach dem Abi habe ich dann mit einer dreijährigen Ausbildung angefangen. Später habe ich hier im Allgäu in Vollzeit zu arbeiten angefangen und mich daneben selbstständig gemacht. Der Onlineshop lief super und ich habe mich dann dazu entschieden, dass ich noch meinen Meister als Buchbinderin machen möchte. Ich wollte einfach nicht schon mit 21 Jahren den Höhepunkt meines Wissens erreicht haben. Mittlerweile habe ich die Stundenzahl bei meiner Festanstellung reduziert und meinen Onlineshop weiter ausgebaut, ich arbeite pro Woche an zwei Tagen selbstständig. Seit Juni habe ich eine große Werkstatt mit über 100 Quadratmetern, die ich gerade noch einrichte. Das ist ein ganz anderes Setting, als zuhause am Esstisch zu arbeiten, was dann oft als Hobby dargestellt wird. Aber ich bin Meisterin, das ist kein Hobby.“ 

Wie mein Arbeitsalltag aussieht 

„Auf der Arbeit haben wir eine Tafel, in der die ganzen Aufträge nach Fälligkeitsdatum sortiert hängen. Da schaue ich, was wann fällig ist, was ich gestern vielleicht nicht mehr geschafft habe, und dann arbeitet man Stück für Stück seine Aufgaben ab. Es gibt einen Arbeitsrhythmus, damit man nicht andauernd alle Abschnitte wiederholen und die Maschinen jedes Mal putzen muss. Die Aufträge sind manchmal kleiner oder größer, dann muss man auch mal zu zweit arbeiten.  

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Foto: Privat

Bei meinem Job als Selbstständige habe ich eine App, in der ich alle Aufträge sammle und dann auch Stück für Stück durchgehe. Da schicke ich inzwischen pro Monat 17 bis 60 Bücher in die Welt. Je nach Auftrag brauche ich für einen Einband zwischen einer Stunde bis hin zu 20 Stunden. An meinem Meisterstück habe ich sogar vier volle Tage gearbeitet. Preislich fangen Bücher ab 50 Euro an, gehen aber schon mal auf die 100 Euro zu. Der teuerste Auftrag bisher hat 1400 Euro gekostet.“  

Vorstellung vs. Realität 

„Viele Leute wissen gar nicht, dass die Buchbinderei noch existiert. Die stellen sich das mit ganz alten Maschinen vor. Es sind tatsächlich zum Teil viele sehr alte Geräte, weil die Arbeitsweise sich über die Jahre nicht viel geändert hat. Zum Beispiel die Pappscheren, mit der man große Bögen klein schneiden kann, sind zum Teil 100 bis 150 Jahre alt. Die Geräte werden einfach immer weitergegeben, so dass keine neuen produziert werden. Deswegen sind die Sachen auch so teuer. Mit Lederbüchern und Pergament arbeitet man aber eher selten.“ 

Wie sich der Job auf mein Privatleben auswirkt 

„Im Restaurant gucke ich mir immer an, wie die Speisekarte gemacht ist. Wie sehen die Ecken aus, welche Art von Bindung ist es? Mein Freund lacht mich dafür furchtbar aus.  Es kommt auch mal vor, dass Kunden zu Freunden werden. Ich habe ein Hochzeitalbum gemacht für ein Paar, das dann die Flitterwochen im Allgäu verbracht hat. Aus einem spontanen Kaffee mit der Braut ist dann eine ganze Freundschaft geworden. Sie hat mir erst zuletzt beim Einrichten meiner Werkstatt geholfen. Mir ist es einfach wichtig, dass ein Auftrag auch irgendwie ein Herzensprojekt ist. Sei es das Hochzeitsalbum oder das alte Buch der Uroma, das ich reparieren soll. Da stecken ganz viele Emotionen drinnen, viel Liebe.

Aber auch die stressigen Phasen meines Berufs wirken sich auch auf mein Privatleben aus. Zum Ende des Jahres habe ich kaum Zeit für etwas anderes als Arbeit. Die ganzen Museen müssen den Rest ihres Jahresbudgets ausgeben, sonst würden sie im Folgejahr weniger bekommen, weil sie nicht so viel verbraucht haben. Gleichzeitig habe ich in meiner Selbstständigkeit die Vorbereitung für eine große Comicmesse und das Weihnachtsgeschäft. Da warne ich mein Umfeld auch vor, dass ich in dieser Zeit weniger erreichbar bin. Man muss dann nachsichtig mit sich selbst sein, wenn mal der Haushalt liegen bleibt, weil andere Sachen in dem Moment wichtiger sind. Das ist dann okay so, das ist kein Versagen.“ 

Welche Fragen mir auf Partys gestellt werden 

„Ganz viel zu hören bekomme ich „Ach, das gibt es noch!“. Der Buchbinderberuf war eine lange Zeit nicht präsent, weil viele der älteren Generation in Rente gegangen sind und nicht so viele nachgerückt sind. Bei denen, die jetzt unter 35 sind, ist der Beruf aber durch „Tintenherz“ wieder ein bisschen ein Ding geworden.“ 

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Foto: Privat

Welche Rolle Nachhaltigkeit beim Buchbinden spielt 

„Meine Bücher sind vegan, außer ich arbeite mit Seide fürs Kapitalband, das ist das oft bunte kleine Stück Stoff, das an der Ober- und Unterkante des Buchrückens klebt. Oder ich verwende Leder oder Pergament, das kommt aber selten vor. Gerade Upcyclingbücher geben hübschen alten Büchern wirklich ein zweites Leben. Das Papier, das ich benutze, besteht größtenteils aus Resten von meinem anderen Job, die ich mitnehmen darf. Das meiste verwendete Holz davon ist FSC zertifiziert. In der Buchbinderei werden generell viele Materialien weitergegeben und meiner Meinung nach sehr wenig weggeschmissen.“ 

Welche Eigenschaften man für den Job braucht 

„Es braucht Geduld und Fingerspitzengefühl. Und einen Wunsch danach, exakt zu arbeiten. Ein bisschen handwerkliches Geschick ist auch nötig und einfach Freude am Tüfteln. Man kriegt nicht überall genau vorgegeben, wie alles sein soll. Da muss man sich ausprobieren und darf auch mal kreativ sein.“ 

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Foto: Privat

Wie die Zukunft meines Berufs aussieht 

„Es ist wichtig, zwischen der Industriebuchbinderei und der Handbuchbinderei zu unterscheiden. Bei den industriellen Büchern kann es sein, dass die Aufträge weniger werden, aber die Sachen, die ich mache, kann man nicht so einfach ersetzen. Klar gibt es auch digitale Künstler, aber es ist einfach etwas anderes in ein Skizzenbuch zu malen. Auch handgebundene Fotoalben sind etwas Besonderes. Die Nachfrage danach ist immer noch da und wird nicht weggehen.“

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