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2000 Euro brutto für das Model

Natali stresst am meisten, wie flexibel sie für ihren Job sein muss. Denn meist erfährt sie erst ein paar Tage vorher, ob sie einen Job bekommt.
Foto: Julia Kiecksee / Bearbeitung: SZ Jetzt

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Am Set arbeitet Natali mit Stylist:innen und Fotograf:innen zusammen und posiert für Kleidungsmarken. Durch ihren Job hat sie viele Leute kennengelernt, darunter auch ihre beste Freundin. Dieser soziale Aspekt und die Arbeit am Set gefällt ihr am meisten. 

Was ich als Model mache 

„Ich bin ein kommerzielles Model, was bedeutet, dass ich viel Bild und Videomaterial für beispielsweise Onlineshops mache und nicht unbedingt Kleidung bei Modeshows präsentiere. Weil ich ein „New Face" bin, also noch frisch in der Branche, arbeite ich stark an meinem Portfolio und habe dafür viele Test-Shootings. Es ist wichtig, mein Modelportfolio mit so vielen Fotoshootings wie möglich auszubauen, um potenzielle Kund:innen von mir zu überzeugen.“

Wie mein Arbeitsalltag aussieht 

„Den Modelalltag kann man am besten in einer Woche beschreiben. An drei bis vier Tagen habe ich Castings, die meistens online stattfinden. Ich drehe für drei bis vier Stunden zuhause ein Casting-Video mit Handy, Licht und Stativ. Falls ich im Prozess weiterkomme, gibt es ein Callback, bei dem Kund:innen oft mehr Videos mit verschiedenen Perspektiven von mir sehen wollen. Danach gibt es einen Termin für das „Fitting”. Ein paar Tage vor dem Job probiere ich die Kleidung an und wir besprechen mit den Stylist:innen Haare und Make-up. Am Tag des Shootings werden mir Haare und Nägel hergerichtet und ich habe für mehrere Stunden einen Foto- oder Video-Shoot. Die Leute am Set sind eigentlich immer nett und meistens gibt es auch gutes Essen vor Ort. An manchen Wochen ist aber auch nichts los und ich warte nur auf Castingtermine.“

Was der Job mit meinem Privatleben macht

„Der Job ist teilweise sehr stressig, nicht unbedingt wegen der Arbeitsbelastung, sondern weil man sehr flexibel sein muss. Meistens weiß ich erst ein paar Tage vorher, ob ich einen Job bekomme, was natürlich meinen ganzen Kalender durcheinanderbringt. Wegen meines Nebenjobs als Eventmanagerin und meines Studiums kann das umständlich werden, aber so geht es den meisten Models. Mit meinem sozialen Leben wird das auch oft schwierig. Ich musste meiner Familie schon oft kurzfristig absagen, weil ein Jobangebot kam.“

 Wie ich zum Job gekommen bin

„In der Schulzeit haben mich zwei meiner Freund:innen „entdeckt” und wir hatten ein paar hobbymäßige Fotoshootings. Als ich die Bilder auf Instagram gepostet habe, haben sie viel Resonanz gefunden und es kamen mit der Zeit Anfragen von anderen Fotograf:innen. Kurz darauf habe ich den Entschluss gefasst, mich bei Agenturen zu bewerben, schließlich hat das geklappt. Ich habe mich online beworben und zusätzlich den Agenturen auf Instagram geschrieben, um schneller ihre Aufmerksamkeit zu bekommen. Online musste ich meine Polas einsenden, das sind Bilder von mir aus jeder Perspektive, und meine Körpermaße angeben.“

Welche Fragen ich auf Partys gestellt bekomme 

„Ich werde oft gefragt, ob ich vor der Kamera nervös werde und wie ich überhaupt an eine Agentur gekommen bin. Es ist auf jeden Fall große Neugier da, aber ich habe auch das Gefühl, mein Job ist vor allem älteren Leuten suspekt. Die Haltung gegenüber meinem Beruf ist generationsabhängig. Dann höre ich oft, dass das ja keine vernünftige Arbeit sei. Manchmal kann das auch richtig unangenehm werden und ich werde gefragt, was ich denn machen wolle, wenn ich „alt und hässlich” werde.“

Welche Eigenschaften ich für den Job brauche 

„Man braucht viel Durchhaltevermögen, weil es eine Weile dauert, bis man den ersten Job bekommt. Man wird oft abgelehnt und ich habe das Gefühl, dass die meisten daran irgendwann verzweifeln und aufgeben. Es kommt beispielsweise vor, dass du die Chance auf einen riesigen Job hast und bei den Castings immer weiter kommst,  aber kurz vor dem Ende dann doch abgelehnt wirst. Oft gibt es danach nicht einmal eine Begründung, weil der Kunde keine Zeit für eine Rückmeldung hat. Ich kenne kaum ein Model, bei dem deswegen keine Tränen geflossen sind. Äußerlich ist es für mich als kommerzielles Model wichtig, gesund auszusehen und eine sportliche Figur zu behalten. Bei High-Fashion-Models, die Designer-Marken präsentieren, ist das noch heftiger. Man muss oft ein extremes Gewicht halten und die Maße 90-60-90 sind da für viele Kund:innen schon „zu viel”. Als ich bei Castings für die Berlin Fashion Week war, habe ich mitbekommen, wie anderen Mädels gesagt wurde, dass ihre Hüfte oder Taille zu breit sei.“

Vorstellung vs. Realität 

„Ich glaube, viele junge Mädels denken, dass sie nach ihrem ersten Job zur nächsten Naomi Campbell werden. So ein Durchbruch ist aber selten und man muss oft gebucht werden, um sich auf das Modeln als Haupteinkommensquelle zu verlassen. Man muss in der Branche also realistische Erwartungen haben. Dazu kommt, dass man auch erst 30 bis 90 Tage später bezahlt wird und sich deswegen seinen Lohn gut einteilen muss. Im High-Fashion-Bereich verdient man im Vergleich zum kommerziellen Bereich, besonders als Anfängerin, sehr wenig. Für eine Runway-Show bei der Fashion Week kann man mit einer Entlohnung zwischen 90 bis 400 Euro rechnen. Bei kommerziellen Jobs bekommt man pro Buchung zwischen 500 und 1500 Euro.“

Was das Modeln mit meinem Selbstbild macht 

„Ein sehr dünnes Ideal ist in der Modewelt noch immer der Standard, viele Models reduzieren ihr Gewicht deshalb auf eine ungesunde Art und Weise. Ich bin, was den Bevölkerungsdurchschnitt angeht, dünn. Aber wenn ich mich mit Runway Models vergleiche, habe ich das Gefühl, fast doppelt so viel auf den Knochen zu haben. Ich muss mir immer wieder klar machen, dass nur weniger als ein Prozent der Bevölkerung solchen Maßen entspricht und sie oft auf ungesunde Weise erreicht werden. Ich denke, dass High-Fashion-Models sich besser fühlen würden, wenn sie ohne Zwang ihre natürliche Form beibehalten würden. Ich habe aber gemerkt, dass im kommerziellen Bereich nach immer mehr mid-size Models gesucht wird.“

Wie lange ich noch modeln will

„Ich studiere Psychologie. Sollte es also mit dem Modeln nicht so gut laufen, kann ich auf mein Studium zurückgreifen. Es gibt auch Models über 35, die noch Jobs bekommen. Diese Branche für Ältere nennt man „Best-Ager”. Ich glaube,bis 30 kann ich auf jeden Fall noch modeln und falls ich es unbedingt will, auch noch darüber hinaus.“

Wie viel ich verdiene 

„Mein durchschnittliches Gehalt beträgt 2000 Euro brutto pro Monat. Ich versuche, einiges davon  für Reisen oder einen Umzug auf die Seite zu legen. Das ist natürlich viel Geld, besonders im Vergleich zu traditionellen Berufen. An der Stelle will ich besonders frischen Models mitgeben: Es ist nicht unangenehm oder peinlich, noch einen Nebenjob zu haben, um über die Runden zu kommen. Ich stehe selbst noch in meiner Entwicklungsphase und besonders am Anfang ist ein Zweitjob normal.“

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