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2873 Euro brutto für den Friedhofsgärtner

Foto: Jürgen Glunz/Bearbeitung: SZ Jetzt

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Philip Glunz pflanzt, schneidet und gießt Gräber – er kümmert sich um die Erinnerung an Menschen. Der Ohlsdorfer Friedhof in Hamburg ist als riesiger Park der perfekte Arbeitsplatz für ihn. Hier erzählt er, was die Arbeit so anspruchsvoll macht und warum er trotz oder gerade wegen seines abgeschlossenen Studiums in einem klassischen Ausbildungsberuf arbeitet.

Wie ich zu dem Job gekommen bin

„Das ist vielleicht ein Generationen-Ding, es scheint in den Genen zu liegen: meine Oma hatte als Floristin mit Pflanzen zu tun, mein Vater ist Floristmeister und hat parallel die Friedhofsgärtnerei betrieben. Ich übernehme sein Unternehmen. Schon seit meiner Kindheit habe ich dort in den Ferien so gut es ging ausgeholfen. Nach der Schule habe ich ganz klassisch BWL studiert. Meinen Master mache ich berufsbegleitend in unserem Familienunternehmen. So bin ich auf recht untypischen Wegen wieder in der Friedhofsgärtnerei gelandet.“

Warum ich nach dem Studium in einem klassischen Ausbildungsberuf arbeite

„Durch das Studium habe ich gelernt, was ich nicht machen will. Dass ich nicht den ganzen Tag im Büro sitzen kann. Aber vergebens war das Studium nicht. Ein wenig Büroarbeit gehört schließlich auch zu meinem Job, beispielsweise Kundenaufträge bearbeiten. Eigentlich würde mein Studienabschluss als Qualifikation für meinen Job reichen. Aber ich will trotzdem noch die Ausbildung zum Gärtnermeister über die Landwirtschaftskammer machen, damit ich meine Erfahrung belegen und zum Beispiel im Kundengespräch alle Fragen zu Bepflanzungen beantworten kann.“

Welchen emotionalen Aspekt der Job hat

„Der Ohlsdorfer Friedhof, auf dem ich arbeite, ist ein traumhaft schöner Arbeitsplatz. Er ist ein riesiger Park. Da denke ich wenig darüber nach, dass dort in zwei Metern Tiefe Särge liegen. Ich freue mich, wenn ich Rehe, Kaninchen und Vögel sehe und bei gutem Wetter die Natur genießen kann. Ich stelle mir vor, dass ich an kleinen Miniaturgärten arbeite, den „letzten Gärten“ der Verstorbenen.

Gleichzeitig ist mir bewusst, dass die Pflege von Erinnerungen an den Tod eines Menschen im Mittelpunkt steht. So setze ich mich mit dem Thema Vergänglichkeit auseinander. Mir ist viel bewusster geworden, dass er uns alle treffen wird. Ob es das Ganze wirklich leichter macht, weiß ich nicht. Aber ich frage mich: Wie würde ich das Andenken an meine Eltern und meinen Partner, würdevoll bewahren? Wie bringe ich das durch Pflanzen zum Ausdruck? Das kann helfen.“

Wie mein Arbeitsalltag aussieht

„Der Arbeitsalltag hängt von der jeweiligen Jahreszeit ab. Im Frühjahr säubere ich die Grabstätten vom Laub und Schmutz aus dem Winter. Etwas später müssen die Pflanzen gedüngt und geschnitten werden. In dieser Zeit kommen auch oft Wünsche von Kundinnen und Kunden nach neuen Gräbern oder Umgestaltung älterer Anlagen. Dabei muss ich vieles beachten, zum Beispiel wie das Licht fällt oder wie der Boden beschaffen ist. Im Sommer bin ich meistens mit Gießen, Pflanzen und Schneiden beschäftigt. Ähnlich ist es im Herbst, abhängig von den verschiedenen Gehölzen. Außerdem entferne ich dann das Laub. Im Winter lege ich Grabschmuck nieder, die Gräber werden dann entweder mit Tanne abgedeckt oder bepflanzt. An Gedenktagen wie dem Volkstrauertag oder Totensonntag kommen bestellte Sträuße dazu.“

Welche Eigenschaften man für den Job braucht

„Was man auf jeden Fall mitbringen sollte, ist handwerkliches Geschick. Als Friedhofsgärtner sollte man filigran arbeiten können, weil es sich um so kleine Flächen handelt, auf denen wir arbeiten: Ein Doppelgrab misst nur vier Quadratmeter. Man braucht außerdem viel Kreativität und ein gutes Gespür für Form und Farbe. Eine Verbindung zu Pflanzen und zur Natur ist wichtig. Auch wetterfest sollte man sein. Bei Sonnenschein ist die Arbeit traumhaft schön, aber mitunter heiß. Bei Regen, Schnee und Hagel macht es natürlich weniger Spaß.

Für Kundengespräche braucht man unbedingt Empathie und Einfühlungsvermögen. Immerhin kümmert man sich jetzt um die Erinnerungen an einen geliebten Menschen.“

Was der Job mit dem Privatleben macht

„Im Sommer muss ich früh aufstehen. Das liegt an der Hitze, da ist es angenehmer früh anzufangen. Meine Arbeitstage sind dann meistens lang, sie gehen dann beispielsweise von sechs bis achtzehn Uhr. Danach setzte ich mich mit Freunden abends gern an die Alster. Schwierig ist es manchmal bei der Urlaubsplanung. Im Sommer kann man nicht einfach über einen längeren Zeitraum wegfahren, da muss ja viel gegossen werden. Dafür hat man im Winter etwas mehr Spielraum. Ich bin an die Saison gebunden.“

Welche Fragen ich auf Partys gestellt bekomme

„Ob in Vorstellungsrunden an der Uni oder auf Partys: Wenn ich erzähle, was ich beruflich mache, ziehen viele schon mal eine Augenbraue hoch. Die Verwirrung kommt wahrscheinlich daher, dass die meisten einfach nicht wissen, was Friedhofsgärtner genau machen. Der Friedhofsgärtner wird gerne mit dem Totengräber verwechselt.

Manche denken auch, es sei körperlich sehr anstrengend. Dann entgegne ich, es ist eine Frage der Gewohnheit. Ich erzähle das mit einem Leuchten in den Augen. Danach sind die Augenbrauen meistens schon wieder unten. Oft kommt auch die Frage, was ich mache, wenn es regnet. Das hängt von der Stärke des Regens ab. Wenn er nicht so stark ist, machen wir eben weiter und ziehen Regenkleidung über. Wenn es gar nicht geht, machen wir wohl oder übel früher Feierabend.“

Wie viel ich verdiene

„Ich selbst verdiene insgesamt 2873 Euro brutto. Das ist vergleichsweise nicht so viel, weil ich ‚als Sohn‘ angestellt bin. Ein gelernter Friedhofsgärtner würde bei uns etwa 3200 Euro brutto verdienen.“

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