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Mindestens 3670 Euro brutto für die Altenpflegerin

Foto: Lara Walter/Bearbeitung: SZ Jetzt

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Sara, 31, kam für ein Au-Pair-Jahr von Marokko nach Deutschland, um Deutsch zu lernen. Sie entschied sich, für eine Ausbildung zur Altenpflegerin zu bleiben und wurde von ihrem Ausbildungsbetrieb anschließend direkt übernommen. Seit September 2022 arbeitet sie als Fachkraft in einem Altenheim in München. 

Wie ich zu dem Beruf gekommen bin

„Ich wollte schon immer in Marokko Krankenschwester werden. Ich habe dann aber stattdessen ein Studium in Biologie in Marokko begonnen. Meine beste Freundin wollte während des Studiums unbedingt Deutsch am Goethe-Institut lernen und hat mich überredet, mit ihr den Deutschkurs zu besuchen. Der Kurs hat mir echt viel Spaß gemacht und das Goethe-Institut hat uns empfohlen, ein Au-Pair-Jahr zu machen, um unser Deutsch weiter zu verbessern. Ich habe eine Au-Pair-Familie in Köln gefunden und bin 2017 hingezogen.

Es hat mir sofort sehr gut gefallen. Ich habe schnell mit dem Gedanken gespielt, hier zu bleiben. Weil es mein Traum war und  sowieso Menschen in der Altenpflege gesucht wurden, habe ich mich für die entsprechende Ausbildung entschieden. Daraufhin habe ich mich auf eine Ausbildung als Altenpflegerin in München beworben und wurde glücklicherweise angenommen. Ich konnte dank des Au-Pair-Aufenthalts schon recht gut Deutsch, das ist die Grundvoraussetzung, um eine Ausbildung in der Altenpflege zu beginnen.

Ich habe von September 2019 bis August 2022 die Ausbildung in München absolviert. Am Anfang war der schulische Teil wirklich schwer für mich, weil wir viele Fachwörter und medizinische Begriffe auf Deutsch lernen mussten. Aber ich habe alles geschafft und wurde von meiner Ausbildungsstelle, der Münchenstift, übernommen. Ab September kann ich sogar die deutsche Staatsbürgerschaft beantragen. Ich hatte eigentlich nie vor, mein Land zu verlassen, aber ich bin sehr glücklich darüber, dass alles so gekommen ist.“

Was ich als Altenpflegerin mache

„Neben der Körperpflege bin ich bei Visiten mit den Ärzten dabei, bin für die Medikamentengabe zuständig, schreibe Pflegedokumentationen und bin die erste Ansprechpartnerin für die Bewohner bei Schmerzen und Problemen. Ich übernehme die Kommunikation und Terminabsprachen mit Ärzten, Physiotherapeuten oder dem Krankenhaus. Ganz wichtig ist auch, dass ich auf die Bedürfnisse der Bewohner eingehe und schaue, dass alle zufrieden sind.

Ich bin auch für die Beschäftigung der Bewohner zuständig, wir basteln gemeinsam oder singen oder machen Bewegungsübungen. Der Kontakt zu Angehörigen nimmt zusätzlich viel Zeit in Anspruch. Ich bin Primary Nurse, das heißt, ich leite ein Team von fünf Pflegeassistenten. Als Team sind wir verantwortlich für elf Bewohner. Immer einer aus meinem Team ist Tag und Nacht für die Bewohner da, dadurch haben sie einen festen Ansprechpartner. Das macht es für die Bewohner einfacher. Und ich kann dadurch ein enges Verhältnis zu ihnen aufbauen.“

Wie mein Arbeitsalltag aussieht

„Mein Arbeitsalltag variiert je nach Schicht. Wir haben ein Drei-Schicht-Modell mit Frühdienst, Spätdienst und Nachtdienst. Der Frühdienst geht von 6 bis 14.18 Uhr, der Spätdienst von 13.42 bis 22 Uhr, die Nachtschicht von 21.45 bis 6.14 Uhr. Prinzipiell haben wir in der Frühschicht und Spätschicht ähnliche Abläufe: Wir schauen, was in der Schicht davor passiert ist und wie es den Bewohnern geht, am Ende machen wir die Schichtübergabe.

In der Frühschicht bereiten wir die Medikamente vor, helfen den Bewohnern beim Aufstehen und bei der Ankleide. Außerdem  bringen wir sie in die Essensräume, wo sie auch ihre Medikamente bekommen. In der Spätschicht haben wir die gleichen Aufgaben, nur umgekehrt: Medikamente, Ausziehen, ins Bett bringen. Zusätzlich haben wir einen Dusch- und Hygieneplan für die Bewohner. Jeden Tag haben wir mehrere Beschäftigungseinheiten mit Basteln, Gesang oder Tanz.

In der Nachtschicht muss ich die ganze Nacht wach bleiben. Ich habe drei Kontrollgänge in meinen zugeteilten Zimmern. Ich achte auf Lagerungspositionswechsel, bringe Bewohner zur Toilette und wechsele Einlagen. Die Bewohner können die ganze Nacht klingeln, wenn sie etwas brauchen. Manchmal gibt es ruhige Nächte, manchmal passiert viel.“

Was der Job mit meinem Privatleben macht macht

„Die Schichtarbeit in der Nacht umfasst in der Regel zwei bis fünf Nächte pro Woche. Es gibt jedoch auch Mitarbeiter, die sieben Nächte in Folge arbeiten. Die ersten beiden Nachtschichten sind für mich voll in Ordnung, die dritte und vierte Nacht wird dann echt hart. Da hilft mir nur eins: viel Kaffee trinken. Ich kann nach der Nachtschicht tagsüber nicht richtig schlafen, das macht mein Körper nicht mit. Das Gute ist aber, dass man nach einem Nachtschicht-Block eine Pause von mindestens zwei Tagen hat. Allgemein müssen wir nie länger als sieben Tage am Stück arbeiten, danach haben wir erst einmal zwei bis drei Tage frei. Man gewöhnt sich an die Schichtarbeit. Und die Dankbarkeit der Bewohner gibt mir auch echt viel zurück.“

Vorstellung vs. Realität

„Man hört immer, dass der Job der Altenpflegerin so hart ist. Und klar, man muss mit der Schichtarbeit klarkommen. Aber die Leitung achtet auf Wünsche. Manche Kolleginnen haben kleine Kinder und arbeiten beispielsweise nur in der Frühschicht. Für mich lohnt es sich finanziell sehr, die Schichten zu wechseln. Körperlich muss man schon fit sein. Aber ich habe in meiner Ausbildung kinästhetische Schulungen bekommen. Da lernt man die richtige Technik, um Menschen ohne große Kraft aus dem Bett zu hieven und ihre Position zu wechseln. Auf der Arbeit bekommen wir regelmäßig Fortbildungen zur Kinästhetik und zur körperlichen Gesundheit in der Pflege. Deshalb würde ich nicht sagen, dass der Job körperlich sehr hart ist.

Natürlich kommt noch die psychische Belastung hinzu. Ich arbeite mit Demenzkranken, das ist schon eine Belastung. Und das Thema Tod spielt auch eine Rolle. Es sterben immer wieder Menschen, zu denen ich eine emotionale Verbindung aufgebaut habe. Aber der Austausch im Team hilft mir da sehr und wir bekommen oft Schulungen zum Thema.“

Das werde ich auf Partys gefragt

„Meist fragen mich Leute auf Partys: ,Okay, du wäschst also nur den Popo den ganzen Tag, oder?‘. Das finde ich schade. Klar, Sauberkeit ist wichtig, wir achten sehr darauf. Aber wir machen auch Visiten mit den Ärzten, geben Medikamente, müssen Krankheitsbilder beobachten. Wir brauchen also medizinisches Fachwissen. Und wir sind für die Beschäftigung der Bewohner zuständig. Es regt mich auf, dass die Pflegeberufe so ein schlechtes Image haben. Denn der Job ist so vielseitig und so menschlich. Man bekommt so viel Dankbarkeit von den Bewohnern mit.”

Das ist in Marokko in der Altenpflege anders

„In Marokko gibt es schon ein paar wenige Altenheime. Aber die Eltern ins Altenheim zu bringen, ist ein absolutes Tabu. Das ist eine Sache des Respekts. Meine Oma ist inzwischen schon sehr alt, aber meine Mutter kümmert sich um sie, das ist selbstverständlich.“

Wie sich der Fachkräftemangel auf meine Arbeit auswirkt

„Ich persönlich bekomme von dem Fachkräftemangel in der Pflege nicht so viel mit, denn hier in meiner Einrichtung sind alle Stellen besetzt. Ich kann auch Wünsche äußern, wann ich arbeiten will. In der ambulanten Pflege sieht das aber anders aus. Ich war während meiner Ausbildung eine Zeit lang dort. Da hat man wirklich wenig Zeit, mit den Patienten zu sprechen, stattdessen nur ein paar wenige Minuten für die Pflege, dann geht es direkt weiter zum nächsten Patienten.

 

Weil viele Fachkräfte aus dem Ausland kommen und wir deshalb genügend Personal haben, habe ich in der stationären Altenpflege Zeit, mit den Bewohnern zu sprechen und mich gut um sie zu kümmern Ich habe ganz viele Kollegen aus allen möglichen Ländern. Für mich ist das toll, ich habe hier eine richtige Ersatzfamilie gefunden und wir tauschen uns über unsere Kulturen aus. Aber es bringt auch Herausforderungen mit sich. Insbesondere für die Bewohner, denn wir sprechen kein Bayerisch und wir kennen viele deutsche Traditionen und deutsche Lieder nicht. Das ist schon etwas schade, aber natürlich bemühen wir uns, Lieder zu lernen und Traditionen in den Alltag der Bewohner zu integrieren. Ich würde mir wünschen, dass wir mehr deutsche Fachkräfte im Team hätten. Das würde es einfacher machen, auf die kulturellen Bedürfnisse der Bewohner einzugehen.“

 

Wie viel ich verdiene

„Ich bekomme brutto ohne Zulagen 3670 Euro pro Monat. Es kommen noch Zulagen für Feiertage, Nachtschichten, Wechselschichten und eine Wegpauschale dazu. Das variiert je nach Monat, wie viele Schichten ich arbeite. Aber ich bin mit dem Gehalt zufrieden und kann damit meine Familie in Marokko unterstützen.“

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