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Job-Kolumne: Wie viel verdient ein VR-Entwickler?
Vorstellung vs. Realität
Viele denken, Programmierer*innen schreiben nur Code. Aber bei Virtual Reality (VR) geht es auch viel ums Planen, Diskutieren, Designen und Experimentieren. Das nimmt ungefähr die Hälfte der Zeit in Anspruch. Der Unterschied zur normalen Softwareentwicklung ist, dass ich nicht nur Programme für Computer und Handys schreibe, sondern speziell für VR-Brillen.
Wie der Arbeitsalltag aussieht
Im Moment arbeite ich mit elf anderen Entwickler*innen zusammen für ein US-amerikanisches Unternehmen. Die meisten sind wie ich Freelancer aus Europa oder den USA. Wir entwickeln einen virtuellen 3D-Raum, in dem man sich unterhalten, Präsentationen laden und auf Whiteboards Ideen sammeln kann; im Prinzip wie in einem Video-Call, bloß dass man als Avatar auch ein Raumgefühl bekommt und es sich realer anfühlt.
Wie ich VR-Entwickler geworden bin
Als ich 14 war, habe ich für die Ferienwohnung meiner Oma eine Webseite gebaut. Über Tutorials im Internet habe ich mir das Programmieren selbst beigebracht. In der Schulzeit habe ich immer mehr ausprobiert und auch eine App für den Vertretungsplan entwickelt. Dann habe ich dreieinhalb Jahre Mediendesigninformatik in Hannover studiert. Da habe ich Augmented Reality (AR) das erste Mal getestet. Das kennen viele wahrscheinlich durch Pokémon Go: In der natürlichen Umgebung tauchen virtuelle Objekte auf. Als ich auf einer Stipendienfeier die Technologie vorgestellt habe und ein Raunen durch den Raum ging, wurde mit klar, dass man damit wirklich Leute überzeugen kann.
VR habe ich in meinem jetzigen Masterstudium Digital Reality in Hamburg kennengelernt. Das ist ein Studiengang, der speziell auf VR und AR abzielt. Während meines dritten Semesters, als die Pandemie losging, gab es öfters Hackathons; also Veranstaltungen, bei denen Informatiker*innen nach digitalen Lösungen für die Pandemie gesucht haben. Da habe ich mitgemacht und ein virtuelles Whiteboard für den digitalen Unterricht entwickelt, das man mit einer VR-Brille, aber auch in einem Browser oder auf dem iPad nutzen kann. Dadurch wurde mein jetziger Arbeitgeber auf mich aufmerksam und er stellte mich für die Weiterentwicklung meiner Idee an. Am Anfang habe ich zehn bis 20 Stunden die Woche gearbeitet; seit diesem Jahr sind es 40 bis 50 Stunden. Jetzt nehme ich mir drei Monate Urlaub, um meine Masterarbeit über AR im Web zu schreiben. Dann geht es wieder weiter. Später möchte ich ein eigenes Unternehmen gründen.
Welche Eigenschaften man als VR-Entwickler*in braucht
Man muss auf jeden Fall kreativ sein, denn für VR gibt es noch keine Standards. Auf den Button einer Webseite klickt man mit der linken Maustaste; aber bei VR hat man keine flache Ebene, sondern mehrere Dimensionen. Man kann also zum Beispiel zu dem Button gehen und ihn mit der Hand drücken oder ihn von weiter weg mit einem Laserpointer bedienen. Man arbeitet mit moderner Technologie und kann die Zukunft mitgestalten. Außerdem muss man kommunikativ sein und Ideen diskutieren können. Und man sollte gute Englischkenntnisse haben, weil die Programme, Tutorials und Keywords in den Programmiersprachen auf Englisch sind.
Welche Rolle Social Media im Beruf spielt
In den sozialen Medien präsent zu sein, ist in der Branche sehr wichtig. Man zeigt seine Projekte, gibt ein bisschen damit an und will meistens seine Programme verkaufen. Besonders bei Twitter sind viele Entwickler*innen. Deswegen und weil ich dort auf Probleme aus dem realen Leben stoße, bei denen VR-Lösungen helfen könnten, ist die Plattform meine größte Inspirationsquelle. Man greift Ideen der anderen auf, baut selbst daran weiter. Viele Projekte – zum Beispiel die Corona-Warn-App – sind Open Source. Da kann jede*r mitarbeiten. Zudem erhält man über Twitter und Linkedin viele Jobangebote.
Was die größten Herausforderungen sind
Das Programmieren ist nicht das Schwierige, sondern die Frage, was man genau programmieren will. Wir haben viele Ideen, aber wir wissen nie, ob sie die besten Lösungen sind. Wie fühlen sie sich für Nutzer*innen an? Manchen Menschen wird schwindlig, wenn sie VR benutzen. Dieses Phänomen tritt auf, wenn eine Bewegung in der virtuellen Welt stattfindet, man sich aber selbst nicht bewegt. Da muss man versuchen, die Bewegungen zu reduzieren, damit sie für den Kopf nicht so anstrengend ist. Eine weitere Herausforderung sind die verschiedenen Geräte und Hersteller. Es gibt mehrere VR-Brille mit verschiedenen Betriebssystemen, ähnlich wie bei iOS- und Android-Smartphones. Bei meinem aktuellen Projekt unterstützen wir auch Browser und Handys.
Welche Fragen man auf Partys gestellt bekommt
Viele kennen VR bereits; für andere ist es allerdings ein abstraktes Thema, da sie selbst noch keine Erfahrung mit VR-Brillen gemacht haben. Oft kommen Nachfragen zu den verschiedenen Anwendungsmöglichkeiten. Die meisten denken direkt an 360-Grad-Videos oder Spiele. Ich erkläre dann aber, dass es weitaus mehr Einsatzmöglichkeiten gibt, beispielsweise in der Bildung.
Was der Job mit dem Privatleben macht
Mein aktueller Job beeinflusst mein Privatleben stark, weil ich abends arbeiten muss. Die Meetings sind an die Zeitzonen in den USA angepasst. Meistens fange ich gegen 17 Uhr an und arbeite bis 3 Uhr nachts. Dann gehe ich direkt ins Bett und schlafe bis 12 Uhr. Im Lockdown ist das kein Problem, weil man seinen Tagesrhythmus so gestalten kann, wie man will und kaum Leute treffen kann. Aber ich vermute, dass es nach der Pandemie ziemlich schwierig wird, wenn man zum Beispiel Freitagabend zu einer Party will. Deswegen glaube ich nicht, dass ich diesen Job langfristig von Deutschland aus ausüben möchte. Wenn dann würde ich eher in die USA ziehen.
Ansonsten muss ich natürlich meiner Familie helfen, wenn der Drucker oder das Internet nicht geht. Aber davon habe ich eigentlich keine Ahnung, weil das nichts mit Programmieren zu tun hat. Am Ende schalte ich die Geräte wie alle anderen nur an und aus und hoffe, dass es funktioniert.
Das Gehalt als VR-Entwickler*in
Ich verdiene 44 US-Dollar die Stunde, das sind umgerechnet etwa 36 Euro. Letzten Monat waren es nach dem aktuellen Wechselkurs insgesamt rund 6100 Euro brutto, was für die Branche nicht so viel ist. In Deutschland hat normalerweise kein*e freiberufliche*r Programmierer*in einen Stundenlohn unter 80 Euro. Das klingt vielleicht nach viel, aber man muss auch berücksichtigen, dass man als Freelancer*in keinen Urlaubsanspruch hat, alle Versicherungen selbst bezahlen muss und immer das Risiko besteht, mal keine Projekte zu haben.