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3100 Euro brutto für die Erzieherin
Wie man Erzieher:in wird
Eigentlich wollte ich nach meinem Realschulabschluss auf der Fachoberschule Abitur machen und Lehrerin werden. Aber ich bin ein sehr praktischer Mensch und konnte mir irgendwie nicht vorstellen, mich nochmal hinzusetzen und für mein Abi zu pauken. Meine damalige Lehrerin empfahl mir, den Tag der offenen Tür an der Fachakademie für Sozialpädagogik zu besuchen, eine gängige Ausbildungsstätte für Erzieher. Ich hab mich da sehr wohl gefühlt und bin auch gleich genommen worden.
2016 ging für mich dann die fünfjährige Ausbildung zur Erzieherin los. Das ist zwar ziemlich lang, aber sie beinhaltet auch eigentlich zwei Ausbildungen. Nämlich die des Kinderpflegers und die des Erziehers. Trotzdem kann die Dauer je nach Praxiserfahrung und Bundesland variieren. In den ersten zwei Jahren macht man erstmal seinen Kinderpfleger. Da habe ich verschiedene Einrichtungsformen kennengelernt und konnte durchgehend praktische Erfahrungen sammeln – im Kindergarten und in einem Hort. In dieser Zeit hatte ich nur alle zwei Wochen für zwei Tage Schule. Also wesentlich mehr Praxis als Theorie. Als ich meinen Kinderpfleger in der Tasche hatte, habe ich gleich mit dem Erzieher weitergemacht. Zwei Jahre Schule – keine Praxis. Außer mal ein Blockpraktikum von vier oder sechs Wochen. Dafür war ich in einer Heilpädagogischen Tagesstätte, einer Gehörloseneinrichtung. Im letzten Jahr der Ausbildung, dem Anerkennungsjahr, war ich dann wieder durchgehend in einer Einrichtung tätig.
Welche Eigenschaften sollte ein:e Erzieherin:in haben?
Natürlich sollte man mit dem Herzen dabei sein. Ich finde, das ist ein wirklich wichtiger Beruf, der in der Gesellschaft gebraucht wird. Deswegen sollten auch unbedingt mehr Männer diesen Beruf ergreifen. In meiner Ausbildung hat sich das Klischee nämlich bestätigt: Ich hatte fast ausschließlich Kolleginnen. Zudem braucht man Geduld und Durchhaltevermögen. Es gibt Tage, an denen es schwierig ist, den Kindern, aber auch sich selbst, gerecht zu werden. Die Kinder brauchen dich und deine Aufmerksamkeit. Trotzdem hast du oft im Hinterkopf, um was du dich noch so alles kümmern musst: Elterngespräche oder Beobachtungsbögen. Man muss strukturiert sein.
Die Faszination am Beruf Erzieher:in
Wird man erwachsen, haben viele Menschen mit dem Druck und den Erwartungen der Gesellschaft zu kämpfen. Was du machst und wer du bist, wird plötzlich von anderen beurteilt und oft auch verurteilt. Aber die Kinder, die nehmen dich so, wie du bist. Egal was ansteht, wie stressig der Tag vielleicht ist, die Kinder geben mir immer Halt und zeigen mir jeden Tag aufs Neue, wieso ich den Beruf so gerne mache.
Wenn ich morgens in den Kindergarten komme, kommt zeitgleich mit mir ein kleiner Junge an. Sobald er mich sieht, kommt er zu mir, um mich ganz fest zu umarmen – jeden Morgen. Bereite ich ein Angebot für die Kinder vor, bastle oder tanze ich mit ihnen, weiß ich sofort, dass sich die Mühe und Arbeit gelohnt haben. Ich sehe ihr Lachen und merke, dass sie voll dabei sind.
Du wächst den Kindern auch ans Herz. In meiner Ausbildung habe ich ein dreijähriges Mädchen begleitet, das jeden Morgen mit einem Mandala auf mich gewartet hat. Das haben wir dann immer zusammen ausgemalt. Am nächsten Morgen stand sie wieder da und hat gewartet. An einem Tag meinte sie zu mir: „Weißt du, du bist wie meine große Schwester.“ Das war ein tolles Erlebnis. Dass jeden Morgen jemand da ist, der sich unglaublich freut, dich zu sehen, der dich und dein Sein schätzt. Das ist einfach eine ganz einzigartige Liebe, Zuneigung und auch Wertschätzung. Als ich dann die Einrichtung gewechselt habe, war das Mädchen sehr traurig darüber, dass ich nicht mehr da bin, um die Mandalas mit ihr auszumalen.
Die Herausforderung
So schön es auch ist, ständig Neues zu erleben, so schade ist es auch, sich von Kindern und auch den Einrichtungen, die du in der Ausbildung besuchst, verabschieden zu müssen. Die Kinder, die du in dein Herz geschlossen hast, für die du dich auch verantwortlich fühlst, zurückzulassen, ist schwer. Je länger man die Kinder begleitet, desto schwerer ist es natürlich. Später im Job sind es teilweise drei oder auch vier Jahre, die du mit den Kindern verbringst. Wenn sie dann in die Schule gehen, freue ich mich natürlich für sie, weil sie einen ganz neuen und großen Schritt gehen. Aber es ist auch sehr traurig. Denn man investiert ja viel Energie und ein Stück von sich selbst in jedes Kind.
Umso wichtiger ist es, dass jedes Kind so genommen wird, wie es ist, und seine Persönlichkeit frei entfalten kann. Ich sehe es als meine Aufgabe, sie dabei zu unterstützen. Trotzdem gibt es immer Eltern, die da nicht mitgehen. Eltern, die über ihren Sohn sagen: „Nein, mein Kind soll kein Rosa tragen und mit Barbies soll es auch nicht spielen, selbst wenn es das gerne möchte.“ Es gibt einfach Eltern, die sich immer noch damit schwer tun, wenn ihr Kind nicht „typisch Mädchen“ oder „typisch Junge“ ist. Da wird es dann schon manchmal schwierig für mich. Wo ist die Grenze? Ab wann überschreite ich sie und mische mich zu sehr in die Erziehung der Eltern ein? Denn die Werte, die ich vermitteln möchte, stimmen ja nicht zwangsläufig mit denen der Eltern überein.
Ich glaube, da muss jeder Erzieher für sich herausfinden, wo er die Grenze setzt und wie weit er einschreitet. Man muss aber natürlich auch akzeptieren, wenn die Eltern ihr Kind anders erziehen als wir es in der Einrichtung vielleicht gerne hätten.
Wie viel man als Erzieher:in verdient
Die ersten zwei Jahre waren meine Kinderpfleger-Jahre. Da habe ich im ersten Jahr 840 Euro verdient und im zweiten Jahr 920 Euro. Dann hatte ich zwei Jahre Fachakademie, in dieser Zeit habe ich gar nichts verdient. Zum Glück habe ich noch bei meinen Eltern gewohnt und hatte auch nicht vor, auszuziehen. Andere Auszubildende haben schon alleine gewohnt – ohne Unterstützung ist das kaum möglich. In diesen zwei Jahren habe ich dann 320 Euro Schüler-Bafög bekommen. Das muss bei schulischen Ausbildungen auch nicht zurückgezahlt werden. In meinem Anerkennungsjahr, dem fünften Jahr, wurde ich dann bezahlt wie eine Kinderpflegerin. Denn diese Ausbildung hatte ich ja erfolgreich abgeschlossen. Da habe ich dann 1800 Euro bekommen.
Jetzt bin ich seit einem Jahr fertig mit meiner Ausbildung und verdiene 3100 Euro. Je nach Einrichtung kann das auch stark variieren. Ich werde nach dem TVÖD (Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst) bezahlt. Ich bin wirklich zufrieden mit meinem Gehalt. Es gibt soziale Berufe, die wesentlich schlechter bezahlt werden.
Die Frage, die auf Partys immer gestellt wird
„Spielt ihr nicht sowieso nur den ganzen Tag?“, fragen mich viele Menschen. Natürlich spielen wir auch mit den Kindern, tanzen und singen mit ihnen. Aber dahinter steckt ja noch viel mehr. Das machen wir vor allem, um sie gezielt fördern zu können. Wir beobachten und begleiten ständig, passen die Angebote an und füllen Entwicklungsbögen, zum Beispiel zum Thema Sprache oder zur emotionalen und sozialen Entwicklung, aus.