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2500 Euro Brutto für die Tantra-Masseurin

Foto: Uwe Hauth; Illustration: jetzt

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Was eine Tantra-Masseurin macht

Ich gebe meinen Gäst:innen ganzheitliche Ganzkörper-Massagen. Das heißt, ich massiere seinen:ihren nackten Körper mit meinem nackten Körper und meinen Händen. Und das unter dem Aspekt einer absichtslosen Berührung. Das bedeutet, dass der Fokus auf einer ganzheitlichen, liebevollen, respektvollen und achtsamen Berührung liegt. Der sexuelle Aspekt steht nicht im Vordergrund. Meine Kund:innen sollen durch meine Berührung sich selbst spüren. So kann man seinen Energien, seinen Erfahrungen, seinen Traumata, seinen Wünschen und Ängsten begegnen und sie konfrontieren. Es kommen zum Beispiel Menschen zu mir, die in Beziehungen enttäuscht wurden und wieder Vertrauen zu sich und ihrem Körper aufbauen wollen. Auch Menschen, deren Partner:in tot oder schwer krank ist, aber auch viele Geschäftsleute, die eine Pause brauchen. Ich hatte auch mal Soldaten bei mir, die aus Kriegsgebieten kamen und nach so viel Gewalt und Ausnahmesituationen wieder zu sich selbst finden wollten. Aber auch viele junge Frauen und Männer, so zwischen 18 und 30, die wenig oder keine sexuellen Erfahrungen gemacht oder Orgasmusschwierigkeiten haben. Dann gibt es natürlich auch die, für die eine Tantra-Massage einfach ein Genuss ist, eine Selbstbelohnung im Alltag. Und seit Beginn der Corona-Pandemie habe ich von vielen Frauen immer wieder den Satz gehört: Ich habe in der letzten Zeit so viel für andere gemacht – jetzt bin ich mal dran. Die, die sich einfach einen runterholen lassen wollen, die gibt es auch, aber die gehen dann eher zu Erotik-Massagen, die ich mittlerweile nicht mehr anbiete.

Wie der Arbeitsalltag aussieht

Ich arbeite in einem Studio, das Termine und Räumlichkeiten für mich und meine Kolleg:innen organisiert und in dem ich dann meinen eigenen Raum habe. Vor Arbeitsbeginn schaue ich, dass es warm ist, dass Handtücher, Waschlappen, Kerzen, Desinfektionsmittel, Cremes und Gleitgel da sind und zwei Lunghi (Hüfttücher) und Fingerlinge für die Intimmassage. Außerdem ein Tablett mit viel Öl zum Massieren, Wasser oder Tee und auch Süßigkeiten oder Obst. Der „Energieausgleich“, also umgangssprachlich das Geld, kommt in eine kleine Holzkiste. Wenn dann ein:e Gäst:in kommt, mache ich erstmal ein Vorgespräch. Dabei frage ich nach bisherigen Erfahrungen mit Tantra-Massagen und erkläre, wenn nötig, ein bisschen was. Ich frage auch nach Wünschen, Bedenken, Krankheiten oder Körperstellen, die nicht angefasst werden sollen. Und ob er:sie Musik möchte. Dann hat der:die Gäst:in die Möglichkeit zu duschen und dann geht es los. Eine Massage dauert minimal zwei Stunden. Drei Stunden oder mehr ist mir persönlich aber lieber. Die Leute, die zu mir kommen, wissen in der Regel, dass eine Berührung meines Körpers nicht gewünscht und auch nicht gestattet ist. Ich sage aber auch immer dazu, dass eine Umarmung ab und zu völlig in Ordnung ist. Auch, wenn mir mal jemand die Hand aufs Knie legt, finde ich das nicht schlimm. Bei allem, was darüber hinausgeht, kommuniziere ich das unmissverständlich und höflich. Es gibt auch Kolleg:innen, die schon bei kleinen Berührungen ausflippen, aber das ist eben Geschmackssache. Bisher habe ich auch noch nie jemanden abgelehnt, weil er:sie mir nicht gefallen hat. Ich versuche jeden Menschen so zu nehmen, wie er ist. Mein Ziel bei so einer Massage ist, jeden Quadratzentimeter mindestens einmal zu berühren. Ich fange im Stehen an, schmiege mich von hinten an, dann von vorne. Im Liegen geht es dann von oben nach unten, ganz gründlich. Ich krieche und rutsche auch über den:die Gäst:in immer wieder drüber und lege mich in Ruhepausen zwischendurch auch auf ihn:sie. Wenn der:die Gäst:in auf dem Rücken liegt, arbeite ich mich dann von den Füßen nach oben zur Intim-Massage oder auch Prostata-Massage. Bei den Damen massiere ich dann auch die G-Fläche und alle anderen empfindsamen Punkte in der Scheide. Wenn es dann zum Höhepunkt kommt, dann ist es in Ordnung und das passt dann auch. Das ist aber kein Muss. Ich frage vorher auch nach, wie wichtig Orgasmen sind oder ob es vielleicht Orgasmusschwierigkeiten oder Erektionsprobleme gibt. Je nachdem nehme ich mir dann auch mal mehr Zeit und lasse mich auf den:die Gäst:in ein.

Wie ich zu meinem Job gekommen bin

Ich habe zwar mehrere Massage-Ausbildungen gemacht und auch ein paar Tantra-spezifische Techniken gelernt. Aber letztendlich ist es meiner Ansicht nach vor allem learning by doing. Ich bin ursprünglich eine Sport- und Fitness-Betriebswirtin und habe Therapiegruppen und Sportgruppen im Krankenhaus, im Schwimmbad oder Fitnessstudio geleitet. Das war aber alles sehr distanziert. Deshalb habe ich dann eine Massage-Ausbildung gemacht, weil ich so die Menschen offiziell anfassen durfte. Irgendwann habe ich dann von Erotikmassage gehört und aus Neugier einen Tag lang in einem Salon Probe gearbeitet. Das hat mir wahnsinnig Spaß gemacht. Ich musste nicht die ganze Zeit reden, konnte die Klient:innen überall berühren und mich voll auf die Massage konzentrieren. Ich hatte nach meinem ersten Kunden einen richtigen Endorphin-Flash. Dann habe ich irgendwann den Chef meines jetzigen Tantra-Studios kennengelernt und dort angefangen. Der Unterschied zwischen Erotik- und Tantra-Massage ist für mich, dass Tantra Potenzial für Heilung bietet. Durch das völlige Loslassen und Einlassen auf die Empfindungen und Gefühle, die bei dieser intensiven Berührung aufkommen, kann man verloren gegangenes Vertrauen wieder aufbauen oder seinen Ängsten begegnen. Wir sind natürlich keine Ärzt:innen, aber die Aufmerksamkeit und Zuwendung, die wir geben, schafft auf jeden Fall einen Raum, um körperliche und psychische Beschwerden zu lindern.

Welche Eigenschaften man als Tantra-Masseurin braucht

In allererster Linie eine gute Verbindung zu sich selbst, außerdem Achtsamkeit und Respekt dem anderen und sich selbst gegenüber. Man sollte wissen, wie man selbst behandelt werden wollen würde, damit man so auch den anderen behandelt. Und man sollte in der Lage sein, Grenzen zu setzen und diese zu kommunizieren. Es gab auch ein, zwei Situationen, in denen ich überlegt habe, ob ich jemanden rausschmeißen soll. Habe ich dann zwar nicht gemacht, aber im Anschluss kommuniziert: Tut mir leid, da passt irgendwas nicht von der Chemie oder von der Harmonie. Bei mir kein zweiter Termin.

Vorstellung vs. Realität

Ich hatte keine wirkliche Vorstellung, bis ich angefangen habe. Und dann habe ich gleich gemerkt, dass ich total darin aufgehe. Weil es so unglaublich lebensnah ist. Ich bin direkt am Leben dran, mit den Menschen, so wie sie sind. Mir wird die Ehre zuteil, dass jemand seine Lebenszeit mit mir verbringt und ich meine Lebenszeit mit dem anderen verbringe.

Wie sich der Job auf das Privatleben auswirkt

Im Salon hast du in der Regel überall an der Wand oder der Decke Spiegel. Das heißt, du bist immer im Kontakt mit dir und deiner eigenen Nacktheit. Das hat mein eigenes Körperbild sehr positiv beeinflusst, weil ich mich so an mein eigenes Nacktsein gewöhnen und einen entspannten Umgang damit entwickeln konnte. Außerdem habe ich gelernt, mehr Grenzen zu ziehen. Ich hatte schon Erlebnisse, vor allem als ich noch Erotik-Massagen gemacht habe, in denen ich mich zu Dingen habe überreden lassen, die ich eigentlich nicht machen wollte. Nichts Schlimmes, aber daraus habe ich auf jeden Fall gelernt.

Welche Frage mir auf Partys immer gestellt wird

Wenn ich sage, dass ich als Tantra-Masseurin zum Bereich der Sexarbeiter:innen gehöre, dann machen die meisten zwar erstmal große Augen, sind dann aber in der Regel sehr respektvoll und wollen mehr wissen: Wer kommt da alles zu dir? Aus welchen Gründen kommen diese Menschen?

Wie viel ich verdiene

Eine dreistündige Massage kostet 280 Euro und es kommt vor, dass ich am Tag drei dreistündige Massagen oder eine fünfstündige gebe, aber im Schnitt eher weniger. Zu jeder Massage kommen zwei Stunden Vor- und Nachbereitung. Außerdem bekommt das Studio ungefähr 50 Prozent der Einnahmen. Ich würde sagen, ich komme im Monat so auf um die 2500 Euro Brutto bei 24 Stunden Arbeit pro Woche. Das kann aber stark variieren. 

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