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3600 Euro brutto für den Osteopathen

Manchmal fühlt Lukas sich wie ein Detektiv. Denn bei jedem Menschen, den er behandelt, sucht er sowohl durch Gespräche als auch anhand des Körpers nach der Ursache für den Schmerz.
Foto: Privat/Bearbeitung: SZ Jetzt

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Viele von Lukas' Patient:innen waren bereits bei Ärzt:innen oder Physiotherapeut:innen, bevor sie mit ihren Schmerzen zu ihm kommen. Denn Osteopathie ist nicht günstig. Eine Stunde kostet in den meisten Städten um die 130 Euro, auf dem Land oft etwas weniger. Wie viel davon die Krankenkasse übernimmt, ist unterschiedlich. 

Was ich als Osteopath mache 

„Osteopath:innen arbeiten teilweise ähnlich wie Physiotherapeut:innen. Während man sich in der Physiotherapie aber vor allem mit Muskeln und Sehnen beschäftigt, sehe ich mir auch die Organe, das Bindegewebe und das Nervensystem an. Oft liegt nämlich die Ursache woanders als der Schmerz selbst. Hat also jemand Rückenschmerzen, checke ich die Person erstmal von Kopf bis Fuß, und nicht nur den Rücken und umliegende Körperteile. Ich gehe mit den Händen einmal den ganzen Körper durch und drücke und ziehe an den Gelenken und dem Gewebe. Ich denke mich richtig durch den ganzen Körper und versuche immer zu sehen, dass alles sich gegenseitig beeinflusst. Eine Patientin von mir hatte zum Beispiel Hüftschmerzen, weil sie eine Nahrungsmittelunverträglichkeit hat, die ihren Darm hat verkleben lassen. So wurden Verspannungen im Rücken und in der Hüftmuskulatur hervorgerufen.

Die Anamnese kann beim ersten Termin schon mal 20 Minuten dauern. Denn man spricht von der Geburt an alles Gesundheitliche durch: Welche Erkrankungen und Operationen hatte die Person schon, wieviel Stress hat sie auf der Arbeit, knirscht sie nachts mit den Zähnen, wie ernährt sie sich, was für Krankheiten könnten vererbt werden, und vieles mehr. Deshalb dauert ein Termin bei uns auch eine Stunde, während ein Orthopäde oder eine Physiotherapeutin teilweise nur 15 Minuten pro Patient haben, wenn sie über die Krankenkasse abrechnen.“  

Welche Fälle behandelt man als Osteopath:in häufig?

„Oft kommen Menschen in unsere Praxis, die Probleme mit den Knien haben oder Schulter- und Rückenprobleme vom vielen Sitzen. Aber auch Migräne oder Blasenentzündungen behandle ich viel, genauso wie Reizdarm. Viele Patient:innen kommen zu uns, weil sie zuvor nicht weitergekommen sind bei Ärzt:innen oder anderen Behandlungen.“

Wie mein Arbeitsalltag aussieht  

„Morgens ziehe ich mir in der Praxis meine Arbeitskleidung an, schalte die Geräte ein und schaue, welche Patient:innen an dem Tag so kommen. Das sind maximal acht pro Tag, und das ist schon viel. Jeder Termin dauert schließlich mindestens eine Stunde. Zwischen den Terminen bereitet man sich auf den jeweiligen Menschen vor. Teilweise kommen meine Patient:innen jede Woche, manche nur ein paar Mal im Jahr und eher präventiv.

Zusätzlich steht bei mir fast täglich Büro-Arbeit an, da ich mich vor vier Jahren selbstständig gemacht habe. Das war nicht so schnell geplant, aber als ich mit der Ausbildung fertig war, gab es einfach kaum ausgeschriebene Stellen in meiner Stadt. Und so leite ich inzwischen ein Team von zehn Personen, da muss man natürlich immer schauen, wie es allen geht und dass organisatorisch und finanziell alles passt.“  

Wie ich Osteopath geworden bin  

„Als ich 19 war, hatte ich Schmerzen in der Schulter, weil ich viel Sport gemacht habe. Mein Orthopäde meinte damals, ich müsse jetzt sechs Wochen Ruhe geben und dann könne man langsam schauen, ob es wieder wird. Der Vater eines Freundes ist Osteopath und hat sich meine Schulter angeschaut. Er hat sofort verstanden, dass eine eingeklemmte Rippe die Schmerzen ausgelöst hat. Ich war sofort wieder fit, nachdem er sie gelöst hatte. Danach habe ich ihm immer wieder bei der Arbeit zugesehen, weil mich der Job so fasziniert hat. 

Eigentlich hatte ich zu dieser Zeit ganz andere Pläne: Ich wollte zur Polizei, aber meine Augen waren zu schlecht. Und auch ein Maschinenbau-Studium habe ich schnell abgebrochen, weil es mir nicht gefallen hat. Osteopathie war also Plan C. Dafür habe ich vier Jahre lang an der Hochschule Fresenius studiert. Alternativ könnte man die Ausbildung auch berufsbegleitend machen. In beiden Fällen muss man aber zusätzlich die Prüfung zum Heilpraktiker ablegen. Denn Osteopathie gilt in Deutschland als Heillehre. Deshalb darf man nicht als Osteopath:in arbeiten, ohne auch Heilpraktiker:in oder Arzt oder Ärtzin zu sein. In anderen Ländern ist das aber nicht so. Außerdem habe ich anschließend noch eine zusätzliche Ausbildung zum Sport-Osteopathen in Hamburg gemacht.“  

Wieviel die Ausbildung gekostet hat 

„Ich habe etwa 30 000 Euro gezahlt und Bafög bekommen, weil es ein Studium ist. Zusätzlich habe ich einen sogenannten Fördervertrag aufgenommen, das heißt, man zahlt den gesamten Kredit über 20 Jahre zurück, sobald man angefangen hat, zu arbeiten.“  

Vorstellung vs Realität 

„Ich hatte nicht gedacht, dass man sich im Studium und in der Praxis körperlich so nahekommt. Wir haben in der Ausbildung die Behandlungen teilweise auch in Unterwäsche aneinander geübt. Früher hätte ich es zum Beispiel unangenehm gefunden, einen nackten Fuß anzufassen, aber heute ist das total normal. Auch eine osteopathische Untersuchung findet oft in Unterwäsche statt. Ich sage meinen Patient:innen aber immer, dass sie sich nur bis auf die Unterwäsche ausziehen sollen, wenn sie sich wirklich wohlfühlen. Natürlich kann man einen Körper dann besser analysieren.“  

Welche Eigenschaften man als Osteopath:in braucht

„Viele Menschen denken, man braucht schon vorher einen Bezug zur Medizin. Aber ich konnte am ersten Ausbildungstag nicht einmal zeigen, wo die Niere ist. Das lernt man alles. Aber man sollte Lust haben, sich in Fälle reinzudenken. Meistens sind alle Schmerzen von Patient:innen wie kleine Detektivfälle, die man lösen muss. Es gibt meist kein Standard-Schema.“ 

Was der Job mit dem Privatleben macht  

„Sogar wenn Menschen in Kleidung vor mir stehen, erkenne ich Fehlstellungen. Oder ich analysiere den Gang von Menschen in meinem Umfeld. Sehe ich im Supermarkt, was Menschen so aufs Kassenband legen, denke ich mir manchmal meinen Teil. Auch meinen eigenen Körper kenne ich inzwischen sehr gut und weiß, wann meine Kopfschmerzen mit einer extra Runde Schlaf weggehen, und wann ich lieber ein paar Übungen machen sollte. 

Da ich selbstständig bin, mache ich mir aber oft auch nach Feierabend Gedanken über meine Praxis. Oder überlege, wie ich Dinge besser organisieren kann. Auch deshalb arbeite ich oft samstags.“  

Die Frage, die man auf Partys immer gestellt bekommt 

„Leute haben oft körperliche Probleme, die sie mir auf Partys dann direkt zeigen. Ich gebe gerne Auskunft, aber es ist komisch, wenn Menschen das konkret einfordern und eine Lösung innerhalb von fünf Minuten wollen. Zum einen bin ich ja privat da und zum anderen geht das nicht so schnell. Aber ein paar Mal habe ich auch Menschen auf Partys wieder eingerenkt, wenn ich mir ganz sicher war, dass ich schnell und richtig helfen kann.“  

Wieviel ich als als Osteopath verdiene 

„Ich komme pro Monat auf 3600 Euro brutto. Alle Osteopathen und Osteopathinnen bei uns verdienen 30 Euro pro Patient:in und Stunde. In der Woche behandle ich etwa 30 Personen. In Zukunft kann ich mir vermutlich auch mehr auszahlen, aber derzeit sind wir noch eine neue Praxis und im Wachstum.“ 

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