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„Meine Eltern zogen weg und ich hatte das Haus für mich“

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jetzt.de: Wouter, bevor es mit der Musikkarriere geklappt hat, hast du Kunst, Recht und Japanisch in Melbourne studiert. Sollte es einfach nur ein wilder Mix sein, oder steckte auch ein Plan dahinter?

Wouter: Japanisch hatte ich schon in der High School und ich hatte auch Lust, an der Uni damit weiterzumachen. Aber Recht war ein Fehler, das habe ich nach einem halben Jahr abgebrochen. Vielleicht hätte ich stattdessen Musik studieren sollen, was ich damals bewusst nicht getan habe, weil ich dachte: Wenn ich auch noch Musik studiere, mache ich nichts anderes mehr. Dann doch lieber dieser Mix.   Ein Mix mit Abschluss? Zumindest in Kunst habe ich das geschafft.  

Während deines Studiums hast du in einem sogenannten Frat House gewohnt. Wie muss man sich das so vorstellen?

Ich habe drei Jahre mit meinen besten Kumpels in dem Haus gewohnt, in dem ich auch aufgewachsen bin. Irgendwann sind meine Eltern weggezogen und ich hatte es für mich. Also sind wir dort immer rumgehangen, haben Videospiele und Basketball gespielt und natürlich viele Partys gefeiert. In dieser Zeit habe ich auch angefangen, mich mehr und mehr für Musik zu interessieren, Platten zu sammeln und erste eigene Songs aufzunehmen.  

Es heißt, dass irgendwann dein Nachbar mit der Plattensammlung seiner Frau vor der Tür stand.

Das stimmt. Ein paar Schallplatten hatte ich schon von meinen Eltern bekommen, aber das war natürlich nichts gegen diese riesigen Kartons voll mit Vinyl, die mein Nachbar mir da tatsächlich geschenkt hat. Ein Kumpel von mir kam dann auf die Idee, alles einfach mal durchzuhören und die besten Tracks als Samples zu benutzen. Später haben wir ein paar Beats dazu produziert, ein bisschen gescratcht, und fertig waren die ersten eigenen Songs. So hat alles angefangen. Ich bekam damals ein Gefühl dafür, was mit Samples alles möglich ist.  

Wann hast du dich entschieden, daraus eine Karriere zu machen?

Das Herumspielen mit Sounds und das Produzieren von Musik generell hat mir zwar immer mehr Spaß gemacht, aber ich habe nie bewusst auf etwas hingearbeitet. Das Beste gelingt einem eh immer dann, wenn man die Dinge laufen und passieren lässt und nicht zu viel darüber nachdenkt. Und wenn man dabei auf sein Herz hört.  

In deinen Songs treffen massentaugliche Melodien auf ziemlich komplexe Soundcollagen. Wolltest du beweisen, dass man mit Kunst-Pop noch ins Radio kommen kann?

Kann man so sagen. Ich mag es einfach, wenn Pop ein bisschen mehr beinhaltet, als man erwartet. Vor allem, was die Soundästhetik betrifft. Das muss ja auch alles gar nicht so weit hergeholt sein, manchmal reicht es schon, wenn man Sounds benutzt, die jeder kennt, und ihnen durch ein paar Effekte etwas Neues, Überraschendes verpasst. Es ist doch total spannend, wenn man an etwas bereits Bestehendem noch mal was drehen kann.  

Du setzt dazu immer auch auf ausgefallene Instrumente. Von einer alten Orgel über eine Chromaharp bis zu einer Mbira gibt es auf deinem neuen Album einiges zu hören. Für die Aufnahmen hast du das ganze Zeug auf die australische Halbinsel Mornington geschleppt. Warum?

Es braucht schon ein wenig Zeit, sich durch die ganzen Platten zu hören und auf die Tracks zu stoßen, die einen inspirieren. Genauso kann es länger dauern, bis ich mich für die passenden Instrumente entschieden habe. In dieser Arbeitsphase muss ich nicht nur geduldig, sondern auch allein sein, und da dachte ich mir, wenn ich mich schon zurückziehe, dann zumindest an einen coolen Ort.  

Kann man da überhaupt richtig arbeiten, in der Sonne, am Strand?

Tja, an besonders schönen Tagen fiel mir das tatsächlich sehr schwer. Wenn draußen die Sonne scheint und alle Richtung Meer laufen, will man ja nicht unbedingt vor irgendwelchen elektronischen Maschinen sitzen. Und dann kam noch dazu, dass ich dieses Mal das Glück hatte, ohne Zeitdruck zu arbeiten. Ich hatte keine Verpflichtungen mit meiner anderen Band, The Basics, und ich brauchte auch keinen Nebenjob mehr, um die Musik zu finanzieren. Ich hatte mir zwar eine Deadline für das Album gesetzt, aber durch diese neue Freiheit hatte ich sie ziemlich schnell überschritten.  

Arbeitest du auch ohne Routine und Struktur?

Ich habe mal gehört, das Nick Cave morgens aufsteht, frühstückt und dann direkt mit dem Songwriting beginnt. Das ist dann für ihn so, als ginge er ganz normal zur Arbeit. Das könnte ich nicht. Mein Kopf funktioniert einfach nicht von jetzt auf gleich so gut, dass dabei gute Songideen entstehen. Ich brauche mehr Zeit, manchmal Wochen und Monate, in denen ich am Synthesizer herumspiele, Dinge ausprobiere, herumexperimentiere und Tracks sample.  

Brauchst du für die Texte auch so lange?

Die sprechen ja eine eher klare, schnell verständliche Sprache. Einige stammen auch direkt aus dem Leben. Nehmen wir zum Beispiel den Song „Bronte“. Bronte war der Hund einer befreundeten Familie. In dieser Familie gibt es insgesamt drei Töchter, und der Hund war schon vor der Geburt der ersten Tochter im Haus, ein absolutes Familienmitglied also. Irgendwann war er dann aber sehr alt und krank und konnte schon gar nichts mehr essen. Die Familie kam nicht mehr um die Entscheidung herum, ihn einschläfern zu lassen. Monatelang quälte alle die Frage: Können wir hier wirklich Gott spielen und sagen, wann der richtige Zeitpunkt gekommen ist? Der Song „Bronte“ ist nun davon inspiriert, von diesem Bild, das ich von der Familie hatte, wie sie sich liebevoll verabschiedet. Beim Schreiben saß ich tatsächlich zu Hause im Wohnzimmer und habe geweint.  

Neben den persönlichen Bezügen: Gibt es eigentlich auch etwas typisch Australisches in deinen Songs?

Hmm, Australiens Selbstbild ist schon etwas seltsam. Auf der einen Seite haben die Australier in den letzten Jahren und Jahrzehnten immer mehr gelernt, was es bedeutet, eine multikulturelle Gesellschaft zu sein und wie viele Vorteile sich daraus ergeben. Ich meine: Menschen aus der ganzen Welt kommen nach Australien, um hier zu leben, besonders in den Städten. Auf der anderen Seite gibt es immer noch diesen typischen Aussie-Bloke-Stolz, der auch mit der englischen Vergangenheit zusammen hängt. Das ist dieser Glaube an die eigene Stärke und dass man irgendwie ganz schön hart im Nehmen ist. Wenn meine Musik und speziell dieses neue Album etwas widerspiegelt, dann wohl eher das Leben in den kosmopolitischen Großstädten Australiens.  

„Making Mirrors“ von Gotye erscheint am Freitag auf Vertigo/Universal.     

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