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The Female Gaze, Folge 4: Teenagerinnen brauchen mehr Platz auf der Leinwand
In „The Female Gaze“ kommentiert und analysiert Nhi Le Filme, Serien und andere medien- und popkulturelle Phänomene aus feministischer und anti-rassistischer Sicht. Mit einer Expertise aus Wissenschaft und Subreddit-Abos hinterfragt sie alle zwei Wochen gängige Narrative und Darstellungen aus der Medienwelt. „The Female Gaze“ setzt dem traditionellen Blick auf Medienkultur etwas entgegen.
Manchmal denke ich an meine Zeit als Teenagerin zurück und will einfach nur mein junges Ich in den Arm nehmen. Ich würde sagen: „Young Queen, ich weiß, alles nervt, aber du machst das so gut. Sei nicht so streng zu dir. Es wird besser.“
Die Pubertät war hart. Mein Körper hat sich verändert, ich hab zu oft zu Lana del Rey im Bett geheult, mich ständig mit meinen Eltern gestritten (oft ging es um meine Matheleistungen, just Asian dad things). Oben drauf musste ich natürlich in die Schule und viel Zeit mit Menschen verbringen, die ich gar nicht ausstehen konnte. Je weiter ich schreibe, desto dankbarer bin ich, nie wieder eine Teenagerin sein zu müssen. Vor allem weil ich so unsicher war und mich die meiste Zeit gefragt habe, was das eigentlich alles soll. Was soll das mit diesen Periodenkrämpfen? Was soll das mit dem Sex? Was soll das mit diesem gottverdammten Sexismus?
Ich habe mich oft orientierungslos gefühlt. Heute glaube ich, dass mehr popkulturelle Darstellung von Sex, Freundschaften , Schulstress und Engagement aus Teenagerinnen-Perspektive mir Verständnis, Mut und Halt gegeben hätte. So ging es mir nämlich mit meinem Lieblingsfilm. „The Virgin Suicides“ (1999) erzählt die Geschichte der fünf Lisbon-Schwestern, denen die streng katholischen Eltern kaum Freiheiten gestatten. Meine Eltern waren weder derart streng noch war ich je suizidal, aber ich konnte mich trotzdem mit der dargestellten Spießigkeit und der damit verbundenen Enge identifizieren. Der Film spielt in einer Kleinstadt, in der jede*r jede*n kennt und das Verhalten dementsprechend beäugt wird. Ähnlich wie die Protagonistinnen habe ich mir nichts mehr gewünscht, als aus dieser kleinen Welt auszubrechen und etwas zu erleben.
Leider war „The Virgin Suicides“ in meiner Jugend der einzige Film, mit dem ich mich identifizieren konnte. Die Serien und Filme mit männlichen Protagonisten überwogen. Auch heute ist es so, dass Jungs die Coming-of-Age-Geschichten dominieren. Viel Beachtung bekamen in den vergangenen Jahren vor allem „Boyhood“, „Moonlight“ und „Call Me By Your Name“. Es sind grandiose, unvergleichbare Filme, die jede Auszeichnung verdient haben. „Moonlight“ und „Call Me By Your Name“ halfen außerdem, queere Narrative auf den Bildschirm zu bringen. Mit Ausnahme des Greta-Gerwig-Films „Lady Bird“ aus dem Jahr 2017 warten Teenagerinnen allerdings auf ihren großen Leinwand-Moment. Auch wenn es ein paar grandiose Coming-of-Age-Filme mit weiblichen Hauptrollen gibt, so sind sie immer noch in der Unterzahl und bekommen auch viel weniger Aufmerksamkeit. Das gilt vor allem für die großen Studio-Produktionen aus Hollywood.
Ich bin so froh, dass es während meiner Unterstufenzeit kein Instagram gab
In den vergangenen Jahren sind allerdings zwei Filme erschienen, die mich besonders berührt haben und die ich gerne empfehlen möchte:
Der bereits erwähnte Film „Lady Bird“ ist wahrscheinlich der weibliche Coming-of-Age-Film, der am meisten Aufmerksamkeit bekommen hat. Es geht um die eigenwillige Christine McPherson, die sich ein Leben außerhalb des kalifornischen Sacramentos erträumt. Sich in der Pubertät mit den Eltern zu streiten und manchmal einfach nur missverstanden zu fühlen, gehört dazu. Lady Bird stellt das hervorragend dar und während ich mich in die Protagonistin hineinversetzen konnte, konnte ich auch manchmal die Mutter verstehen. Vielleicht ist das ein Teil des Erwachsenwerdens: Dachte ich noch als Teenagerin, dass die ganze Welt gegen mich sei, entwickelte ich nach und nach ein Verständnis dafür, warum meine Eltern, insbesondere meine Mutter, so gehandelt haben, wie sie es taten.
„Eighth Grade“ von 2018 ist mein derzeitiger Favorit des Genres. Kayla Day steht kurz davor, die achte Klasse zu beenden. In ihrer Freizeit dreht sie Youtube-Videos zum Thema Selbstvertrauen, während sie im Offline-Leben meist von Unsicherheit und Sozialphobie geplagt wird. Anders als die vorher genannten Filme wurde „Eighth Grade“ weder von einer Frau geschrieben noch hat eine Regie geführt. Comedian Bo Burnham hat sich aber viel Zeit dafür genommen, die Lebensrealität von Teenagerinnen einzufangen, indem er viel mit der Hauptdarstellerin und damaligen Achtklässlerin Elsie Fisher sprach.
Ich bin so froh, dass es während meiner Unterstufenzeit kein Instagram mit seinen perfekten Bildern und Schönheitsidealen gab – ich war nur auf schülerVZ und bin Gruppen beigetreten. Auch wenn ich das scheinbare Selbstbewusstsein der Generation Z bewundere, kann ich mir vorstellen, dass Social Media sehr viel Druck machen kann. Der Film fängt diesen Stress perfekt ein und beschäftigte mich auch noch Wochen nach dem Schauen.
Ich finde es sehr heilsam, als erwachsene Frau weiblich-zentrierte Jugendfilme zu schauen
Ich bin ein Fan der genannten Filme, weiß aber auch, dass sie von weißen Macher*innen stammen und sich um weiße Protagonistinnen drehen. Schwarze Teenagerinnen und Teenagerinnen of Color sehen ihre Lebensrealität noch viel weniger abgebildet. Dabei kommen bei ihnen neben der Entwicklung vom Mädchen zur Frau auch Aspekte wie Rassismus oder mehrfache kulturelle Hintergründe hinzu. In den USA versuchen HBO mit „Euphoria“, Netflix mit „Never Have I Ever“ oder ABC mit „Grown-Ish“ diese Lücke zu besetzen. Diese Serien sind ein Anfang, doch in Filmen fehlt es immer noch an den diversen Protagonistinnen. Tatsächlich kenne ich nur einen Film mit einer viet-amerikanischen Schauspielerin in der Hauptrolle und das ist der fantastische Teen-Liebesfilm „To All The Boys I’ve Loved Before“.
Vielleicht fragen sich jetzt einige, warum ich mir mit Mitte 20 überhaupt so viele Gedanken über Teenagerinnen in Filmen mache und warum ich gute Coming-of-Age-Filme so schätze. Teenagerinnen müssen sich und ihre Lebensrealitäten repräsentiert sehen, sind aber nicht die einzige Zielgruppe. Ich finde es sehr heilsam, als erwachsene Frau weiblich-zentrierte Jugendfilme zu schauen. Auch wenn ich nicht mehr 16 bin, so scheinen doch manchmal ein paar Unsicherheiten „von früher“ durch und es gibt mir Kraft, diese adressiert und normalisiert zu sehen.
Teenagerinnen und junge Frauen prägen unsere Gesellschaft aktuell mehr denn je. Von Greta Thunberg über Billie Eilish bis hin zu Malala Yousafzai gibt es viele junge Vorbilder, die mit ihren Stimmen und Gedanken die Gesellschaft beeinflussen. Sie zeigen einmal mehr, dass junge, weibliche Lebensrealitäten ernst genommen werden müssen und dass es sich lohnt, unsere Geschichten zu beachten. Ich bin gespannt, wie und ob sich diese Tatsache auf die Storys auf den kleinen und großen Bildschirmen auswirken wird.