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Warum die Serie „Control Z“ das bessere „Gossip Girl“ ist

Foto: Netflix

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„Control Z“ kannte man bisher als eine sehr nützliche Tastatur-Kombination, mit der man seine letzte Aktion rückgängig machen kann – zumindest in einem Microsoft-Betriebssystem. Ein Kurzbefehl, der vielleicht auch im eigenen Leben manchmal ganz praktisch sein könnte, etwa wenn man mit einem Kommentar mal wieder richtig daneben gelangt hat. Aber außerhalb eines Word-Dokuments bleibt es dabei: Gesagt ist gesagt. Und in der neuen Netflix-Serie „Control Z“ steht der Name deshalb wohl dafür: Ist ein Geheimnis erst einmal gelüftet, kann man es nicht mehr rückgängig machen.

Kein Wunder, dass alle Teenager auf der El Colegio Nacional, einer mexikanischen High-School, ausflippen, als bei einer Schulversammlung das „Geheimnis“ der schönen Isabela durch ein Video auf alle Handys und über eine Leinwand gelüftet wird: Die Schülerin ist trans. Signiert ist das Video von @allyoursecrets, einem oder einer anonymen Hacker*in. Damit ist das ehemalige Schul-It-Girl, dargestellt von der echten Trans-Schauspielerin Zión Moreno, in ihrer Position an der Spitze der Hierarchie angreifbar: „Hast du deinen Penis abgeschnitten?“, wird sie hämisch gefragt. Und während sich die meisten Schüler*innen noch am neuesten Tratsch ergötzen, fragen sich andere, welche vertraulichen Informationen als nächstes über die Handys der Schüler*innen geleakt werden.

Sofía (Ana Valeria Becerril), eine Einzelgängerin mit herausragenden perzeptiven Fähigkeiten, bleibt zwar gelassen, aber hat auch etwas zu verbergen. Zusammen mit dem Klassen-Neuzugang Javier, dargestellt von Disney-Star Michael Ronda, der ihr wie ein treuherziger Labrador von Szene zu Szene folgt, versucht sie also, die großen W-Fragen der Vorkommnisse zu lösen: wer, wie, wo und vor allem warum. Dass sie dabei ihren Mitschüler*innen aufgrund ihrer Sherlock Holmschen Auffassungsgabe überlegen ist, zeigt sich etwa in der wenig subtilen Analogie, dass Sofía ausgerechnet auf der gläsernen Überdachung des Pausenhofes am liebsten abhängt, und von dort das Treiben ihrer Mitschüler*innen weit unter sich beobachtet. Naja ok. Und wie sollte es anders sein: Am Ende steht das blasse Mädchen mit den schönsten Augenringen in der Geschichte des Fernsehens natürlich selbst im Mittelpunkt des Rätsels. 

Digitale Stalker gab es in Serien schon einige

Es ist offensichtlich, dass der Plot von „Control Z“ nicht von Grund auf innovativ ist. Teenage-Kultserien wie „Gossip Girl“ (GG) oder „Pretty Little Liars“ (PLL) haben das Motiv des digitalen Stalkers, der eine High-School-Clique mit deren mehr oder minder schmutzigen Vergangenheiten erpresst, über Jahre erfolgreich ausgeschöpft, 2017 hat „Tote Mädchen lügen nicht“ dem ganzen noch einmal einen neuen Spin gegeben, zusammengefasst: It has been done. Kann die achtteilige Serie „Control Z“ dem überhaupt noch etwas hinzufügen?

In Kürze: Ja. Und nein. Das hängt damit zusammen, welchen Teil man an diesen Teenie-Romcom-Drama-Mystery-Serien schätzt. Steht man auf Glamour, Mode und Seifenoper könnte man enttäuscht werden. In der mexikanischen Produktion gibt es zwar wie gewohnt die an der Realität gemessen wesentlich zu schönen Teenager, Beziehungsdramen und Liebesdreiecke, aber generell weniger Hollywood-Schmalz und mehr FSK 16 – also jede Menge Sex, Drogen und heftige Schlägereien. Das fühlt sich schnell fast zu real an, etwa als der homophobe Gerry, angestachelt durch den oder die anonyme Hacker*in, auf den Underdog Luis einprügelt – vor den Augen aller, völlig besinnungslos. Fünf lange, filmisch fantastisch choreographierte Minuten.

Control Z hat andere Stärken

Gleichzeitig fehlt der Seifenoper-Faktor aber auch, weil der Serien dieser Art hilft, die Personen und ihre Motive schnell verständlich zu machen. Gerade die ersten beiden Folgen, wenn man emotional noch nicht sehr in die Protagonist*innen investiert hat, rumpeln die Charakterentwicklungen von „Control Z“ etwas. Ist Sofía jetzt gewollt Einzelgängerin oder mag sie einfach keiner? Ist sie psychisch krank? Und wie hängt das mit ihrer schnellen Auffassungsgabe zusammen? Ist sie einfach nur ein bisschen schlauer, oder ein richtiges Obergenie? So ganz checkt man die sozialen Konstellationen erst also nicht, und das macht die Geschichte in den ersten beiden Folgen nicht besonders zugänglich. 

Wer sich davon nicht abbringen lässt, wird durch einen erstklassigen Krimi belohnt. Während sowohl GG als auch PLL immer damit gekämpft haben, dass ihre Plot-Löcher tiefer sind als der Marianengraben, macht „Control Z“ nicht nur Sinn, sondern ist auch noch spannend – und nicht total vorhersehbar. Bei den Vorgänger-Serien kam man sich dagegen mit der Zeit als Mystery-Liebhaber*in etwas verarscht vor, weil das große Rätsel eigentlich nie wirklich befriedigend gelöst wurde. Hier bekommt man eine Auflösung – und hat trotzdem noch genug offene Fragen, um auf eine hoffentlich stattfindende Staffel Zwei gespannt zu sein.

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