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Coronavirus: Entertainer ohne Zuschauer brechen mir das Herz
Zuerst hatte ich mich sehr gefreut. Ich würde es mir auf der Couch gemütlich machen, die ich schon seit einer Woche plattsitze. Im Jogginganzug, selbstverständlich. Vielleicht mit einem Bier. Dann würde ich alle Comedy-Formate, die ich die Woche über vor lauter Horrornachrichten sträflich vernachlässigt hatte, binge-watchen. Die Daily Show, Last Week Tonight oder die Heute-Show. Ablenkung statt Corona-Blues. Die bekannten Stimmen meiner Lieblingsmoderatoren würden mich in eine Welt fernab von Infektionsraten und Ausgangssperren katapultieren. In ihren Witzen, selbst in den schlechten, würde ich die Gewissheit finden, dass das Leben weitergeht. Soweit der Plan.
„Well, well, well…“ eröffnet John Oliver „Last Week Tonight“, die Show, in der er normalerweise intelligent und sarkastisch gesellschaftliche Missstände anprangert. John Olivers Gesicht, so glatt, gesund und ganz ohne Atemmaske – beruhigend. Normalerweise würde der Moderator nach dieser Begrüßung von tosendem Applaus begleitet, der sich erst legt, wenn er die Stimme hebt und über das johlende Publikum hinweg den ersten Witz reißt. So das Skript der meisten Comedy-Shows, egal in welcher Sprache. Doch dieses Mal ist alles anders.
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Mein Herz bricht beim Anblick dieses plötzlich so unbeholfen wirkenden Mannes
Statt der leuchtenden Skyline ist hinter dem Showmaster: nichts. Klinisches weiß. Der Raum wirkt steril, frisch desinfiziert. Dies sei nicht das gewohnte Studio, sagt John Oliver, sondern ein Set fernab von CBS, wo es erste Corona-Infektionen gegeben hätte. Er lacht, als könnte er es selbst kaum glauben. Niemand lacht mit. Es gibt kein Publikum, sagt der Moderator jetzt. Trotzdem wird er die kommenden 20 Minuten über Trump, süße Hamster und die NBA witzeln. Und mir damit einen weiteren traurigen Moment in dieser Woche bescheren.
Mein Herz bricht beim Anblick dieses plötzlich so unbeholfen wirkenden Mannes. Suchend schaut er dorthin, wo sonst das Publikum säße, dann auf seine Hände, dann wieder in die Kamera. Er wird unabhängig von den Klickzahlen dieses Videos keine menschliche Rückmeldung auf seine Anstrengungen bekommen. Das Kollektiv, das ihn sonst versichert, anspornt oder einfach schweigt, fehlt. War das jetzt witzig? Sollte er sich hier Zeit für eine Atempaus nehmen, damit sich die Zuschauer*innen auf der Couch einkriegen können? Hätte an dieser Stelle jemand aus dem Publikum gebuht? Timing ist im Comedy-Betrieb alles. Aber wie Witze austarieren, wenn niemand da ist um einem zu spiegeln, ob sie funktionieren? Ich frage mich, ob wenigstens der Kameramann ab und zu grinst.
Ich hoffe, ihn durch Ausschalten der Sendung von seinem Krampf erlösen zu können
Es gibt verschiedene Arten, dem Anspruch von Social Distancing und angemessenen Sicherheitsvorkehrungen in Unterhaltungsshows gerecht zu werden. Traurig sind sie alle.
In der Heute-Show mit Oliver Welke werden ein paar Komparsen mit mehreren Sitzen Abstand zueinander ins Publikum gesetzt. So vereinzelt wirken sie wie eine Gruppe pubertierender Teenager, die man ins klassische Theater gezwungen hat. Unmotiviert, abwesend und gelangweilt. Immerhin reicht das Thematisieren dieser Situation noch für einen kleinen Witz am Anfang der Sendung. Es lacht niemand.
Bei Late Night Berlin sucht sich Klaas Hilfe bei Laber-Buddy Olli Schulz, der mit Maske, Sonnenbrille und Schiebermütze für Lacher sorgen soll, zumindest bei den Menschen zu Hause. Die beiden hampeln zwischen Witzen über Klopapier und Abstand halten um das Thema herum, wie Fußballer, die auch ohne Ball weiterspielen. Nur dass dieses Spiel jetzt einfach keinen Sinn mehr ergibt. „Ich will, dass die Normalität weitergeht“, sagt Klaas und es klingt wie ein Eingeständnis, dass sich sein Witzevorrat auch dem Ende zuneigt. Stattdessen zeigt er Bilder von süßen Tieren. Ich hoffe, ihn durch Ausschalten der Sendung von seinem Krampf erlösen zu können.
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Ein kleiner Hoffnungsschimmer taucht bei Trevor Noah auf. Statt Studio-Atmosphäre zu faken und so der Traurigkeit Raum zu geben, sendet der Comedian seine „Daily Social Distancing Show“ direkt aus dem eigenen Wohnzimmer. Stilsicher trägt er dabei auch nicht mehr Anzug, sondern Hoodie. Er wirkt jetzt wie ein sehr kluger Youtuber und nicht wie ein Showmaster, der um die Aufmerksamkeit eines nicht vorhandenen Publikums bettelt.
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Die Hoffnung, diesem Virus für ein paar unbesorgte Stunden zu entgehen, ist trotzdem geplatzt. Vielleicht ist es auch egoistisch, den eigenen Eskapismus der Aufklärungsfunktion dieser sehr bekannten Menschen vorzuziehen. Trotzdem hoffe ich, dass wir irgendwann wieder den Fernseher einschalten und uns vom Lachen des Publikums mitreißen lassen können. Das Gute daran: Wir wissen jetzt, dass dieses Lachen nicht simuliert ist und irgendwann werden wir auch wieder mitlachen können.
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