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Deshalb ist Sojamilch so teuer

In den meisten Cafés kann man mittlerweile ganz selbstverständlich auch pflanzliche Milch zum Kaffee haben. Dafür zahlt man aber meist einen Aufschlag.
Foto: Prostock-studio / Adobe Stock; Bearbeitung: jetzt

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Vorbei sind die Zeiten, in denen man die Gänge im Supermarkt mehrfach ablaufen musste, um eine Alternative zur Kuhmilch zu entdecken. In Regalbreite stehen sie nun vor einem: die Haferdrinks, die Sojadrinks, die Milch aus Mandeln oder Kokos, wahlweise mit extra Calcium, mit weniger Kalorien oder in Bio-Qualität. Die Freude von Veganer*innen darüber dürfte so groß sein wie die Vielfalt der Produkte. Was sie aber auch eint, ist ihr erhöhter Preis.

Schon ein fixer Rundgang bei Rewe zeigt: Ein Liter Haferdrink von Alpro kostet 1,99 Euro, der Liter Haferdrink von Oatly in der Barista-Edition sogar 2,19 Euro. Den Liter Kuhmilch bekommt man hingegen schon ab 71 Cent. Ob das fair ist, ist eine andere Frage. Wie aber kann es sein, dass Milchersatz-Produkte so teuer sind, wo sie doch zum Großteil aus Wasser bestehen und es für ihre Produktion kein Tierfutter und keine Tierhaltung braucht? Dafür gibt es Gründe. Und manche könnten sich schon bald erledigt haben.

Grund eins: Weil sich nicht genügend Menschen dafür interessieren

Im Jahr 2020 lag der Umsatz mit pflanzlichen Drinks, Joghurtalternativen, pflanzlichen Desserts und pflanzlichen Kochcremes in Deutschland bei 535 Millionen Euro. Zwei Jahre zuvor waren es noch 315 Millionen Euro – ein Zuwachs von immerhin 70 Prozent. Und mit dem Wachstum dürfte es weitergehen. Das Marktforschungsabteilung der niederländischen ING Groep geht davon aus, dass sich der Markt für Fleisch- und Milchersatzprodukte bis zum Jahr 2025 verdoppeln könnte. Doch im Vergleich zu Produkten aus Kuhmilch ist das noch immer verschwindend weniger. Der Umsatz mit Kuhmilchprodukten lag in Deutschland im Jahr 2019 bei mehr als 27 Milliarden Euro. 50 Mal mehr also als der Umsatz von Ersatzprodukten.

Konsumartikel, gerade im Lebensmittelbereich, können jedoch erst dann günstiger werden, wenn sie auch tatsächlich in Massen produziert werden. Das ist damit erklärbar, dass, je mehr produziert wird, die sogenannten Fixkosten pro Stück bei der Produktion umso günstiger werden. Etwa für Personal, den Kauf von Maschinen oder für die Anmietung von Fabriken. Achim Spiller ist Professor für Marketing für Lebensmittel und Agrarprodukte an der Universität Göttingen und spricht vom sogenannten Erfahrungskurven-Konzept: „Verdoppelt ein Hersteller seine Produktionsmenge, kann er mit dieser Verdopplung die Stückkosten um 20 bis 30 Prozent senken. Die erste Million Liter Hafermilch herzustellen, ist deutlich teurer als die zweite Million Liter.“

Noch wird also noch nicht genug Milchersatz gekauft und verzehrt. Die gute Nachricht: Fans von Sojadrinks haben es gewissermaßen selbst in der Hand. Je mehr sie kaufen, desto eher könnten die Preise sinken. Die schlechte Nachricht: Bis Ersatzprodukte das tierische Original überholen, könnte es eine Weile dauern. Die Marktforscher*innen der ING Groep rechnen damit, dass es frühestens im Jahr 2050 soweit sein könnte. 

Grund zwei: Weil Marketing und Entwicklung teuer sind

Milchbauern, das ist bekannt, haben es nicht leicht. Mit wenigstens einem Problem brauchen sie sich aber nicht zu befassen: Die Rezeptur der Sache, die sie verkaufen, ist bereits perfekt. Das Produkt Kuhmilch ist seit 7500 Jahren, als der Mensch es als Lebensmittel für sich entdeckt hat, im Wesentlichen unverändert. Soja- und Haferdrinks gibt es hingegen erst seit wenigen Jahren. Es brauchte also erst einmal Entwicklungsabteilungen, die Rezepturen entwickeln und diese optimieren, sodass diese auch wirklich gut schmecken. „Wir müssen massiv in Innovation und natürlich den Auf- und Ausbau neuer Produktionsstätten investieren“, heißt es bei Oatly. Und diese Investitionen scheinen sich zu lohnen: Achim Spiller von der Universität Göttingen hat erst kürzlich Kuhmilch- und Ersatzprodukte in einem Experiment auf ihren Geschmack testen lassen: „Die Geschmackserfahrungen bei den Milchersatzprodukten sind ziemlich gut”, sagt er. Das hat aber eben seinen Preis.

Hinzu kommen Kosten für das Marketing. Denn Ersatzprodukte mögen in bestimmten Milieus längst einen Stammplatz im Kühlschrank haben. Anderswo weiß man aber vielleicht noch nicht einmal, dass es sie gibt. Um das zu ändern, hat Oatly in einer groß angelegten Werbekampagne unter anderem in überregionalen Zeitungen großflächige Anzeigen geschaltet. Auch solche Ausgaben schlagen sich im Preis im Supermarkt nieder, ob man sie für sinnvoll hält oder nicht.

Grund drei: Weil die Kundschaft hohe Preise akzeptiert

Neben teuren Marken-Produkten von Oatly bis Alpro drängen allmählich auch immer mehr günstigere Produkte der Supermarkt-Eigenmarken in die Regale. Aber auch hier zeigen sich Preisunterschiede. Der Liter Haferdrink der Eigenmarke von Rewe kostet immerhin 99 Cent, während der Liter Kuhmilch der Eigenmarke „Ja“ nur 71 Cent kostet. Das hat mit den oben genannten Gründen zu tun. Aber auch mit der Bereitschaft der Käuferinnen und Käufer, diese Preise zu zahlen. 

Achim Spiller von der Universität Göttingen beschreibt die Gruppe der Käuferinnen und Käufer als „Innovation Seeker“. Menschen, die offen sind für Neuheiten und dafür auch bei einem knappen Budget, etwa als Studentin, einen höheren Preis zahlen. Neben Lifestyle-Gründen ist die Ernährungsweise natürlich häufig der wichtigste Grund. Viele von ihnen essen keine tierischen Produkte, also auch keine Milch. Hinzu kommen immer mehr Menschen, die sich flexitarisch ernähren, also hin und wieder bewusst auf tierische Produkte verzichten. „Diese Kundinnen und Kunden haben eine höhere Preisbereitschaft“, sagt Spiller. „Und diese Preisbereitschaft wollen die Unternehmen erstmal mitnehmen.“ Schon bald könnte sich das ändern. Achim Spiller schätzt die Gruppe der „Innovation Seeker“ als „trendprägend“ ein und damit als einflussreich für künftige breitere Schichten von Käuferinnen und Käufern.

Grund vier: Weil der Staat weniger umfangreich unterstützt

Landwirtschaftliche Betriebe können von der sogenannten „Gemeinsamen Agrarpolitik“ der Europäischen Union gefördert werden. Alle landwirtschaftlichen Betriebsinhaber – das schließt Milcherzeugerinnen oder Anbauer von Hafer Haferanbauer ein – können jährlich Anträge für diese europäischen Fördergelder stellen. Hiervon können also auch die Hersteller von Hafer, Soja und Mandeln Förderungen in Anspruch nehmen. Bei den Firmen, die aus den Rohstoffen Tetrapacks machen, sieht es anders aus. Bei Oatly etwa heißt es: „Wir tragen unsere Ausgaben komplett eigenständig.“ Und auch ein Alpro-Sprecher teilt mit: „Wir bekommen aktuell keine staatlichen Fördermittel und Subventionen.“ 

Ein weiterer staatlich beeinflusster Faktor ist die Umsatzsteuer. Wer Kuhmilch kauft, zahlt darauf den ermäßigten Satz von sieben Prozent Umsatzsteuer. Wer hingegen Hafermilch kauft, zahlt den vollen Satz in Höhe von 19 Prozent. Diese Regelung geht auf das Jahr 1968 zurück, als in Deutschland die Mehrwertsteuer eingeführt wurde. Damals legte man fest, dass Getränke im Gegensatz zu anderen Lebensmitteln voll besteuert werden. Also etwa Cola, Fanta und Säfte. Es wurden aber auch zwei Ausnahmen aufgenommen, die sich bis heute nicht geändert haben: Leitungswasser. Und Milch. 

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