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Menschen, die auf Social Media den AGB widersprechen, brechen mir das Herz
Vor kurzem hat es dann auch Judd Apatow erwischt, US-Regisseur und Produzent einiger meiner liebsten Lieblings-Komödien. Aber auch Julia Roberts und Rob Lowe haben mitgemacht. Sie alle teilten auf Instagram eine Bildkachel, auf der sie vehement irgendwelchen Änderungen der Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Facebook und Instagram widersprachen und damit, so die Textkachel weiter, die Rechte an ihren Bildern weiter behalten würden.
Schon bevor die ersten Artikel auftauchten, die diese angeblichen Änderungen als Fake News identifizierten, war eigentlich allen (jüngeren) Menschen klar, dass das Posten einer solchen Bildkachel komplett sinnlos ist und den/die Postende*n eigentlich nur als Technik-Anfänger*in entlarvt. Das war bisher bei all diesen Bildkacheln und geteilten Facebook-Postings so, sie sind quasi die Kettenbriefe des 21. Jahrhunderts. Dabei ist auch egal, wie eloquent Menschen in vorformulierten Sätzen den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Unternehmens widersprechen und damit glauben, sie hätten dem bösen Herrn Zuckerberg ein Schnippchen geschlagen: sie tun es immer umsonst.
Wann immer ich so ein Posting sehe – sei es bei Tante Elfi, der ehemaligen Klassenkameradin Ulrike oder einer berühmten Hollywood-Schauspielerin – wird mir ganz warm ums Herz, aber nicht vor Freude, sondern vor Fremdscham. Und dann macht es leise „knack“ und mein Herz ist gebrochen.
Es ist die so offensichtliche Naivität, die diese Menschen damit der Welt verkünden, die mich so fertig macht. Und ich will sie dafür gar nicht schimpfen. Denn sich im Jahr 2019 ein gewisses Maß an Naivität erhalten zu haben, ist ja an sich schon eigentlich eine gewisse Leistung. Die Tatsache, dass diese Menschen eben nicht zynisch, abgestumpft und komplett desinteressiert geworden sind, sollte eigentlich unsere Bewunderung hervorrufen. Doch dummerweise haben sie sich ihre Naivität ausgerechnet für die Auseinandersetzung mit den Silicon Valley-Giganten der sozialen Medien aufgehoben. Und da sieht diese Naivität dann gar nicht mehr so erfrischend und rührend aus, sondern dumm und abgehängt.
„Hört gut zu und lasst mich eure reinen, naiven Herzen mit einem kurzen Griff zerquetschen“
Ich kann das kaum aushalten. Dass diese Menschen wirklich denken, mit ein paar Sätzen die weltumspannenden Megakonzerne davon abbringen zu können, sich ihre Daten anzueignen. Ist das nicht unglaublich naiv und unfassbar dumm?
Ich möchte all diese AGB-Widersprecher zusammentrommeln, auf eine Couch setzen und ihnen dann ganz langsam und in sehr einfachen Worten erklären: „Hört mal, ihr macht euch hier lächerlich. Wie, bitteschön, glaubt ihr, es mit diesen weltumspannenden Konzernen aufzunehmen? Seid ihr wirklich der Meinung, dass euch irgendetwas im Internet wirklich gehört? Dass wirklich irgendetwas geheim gehalten wird, was ihr im Internet jemals auch nur denkt? Sitzt ihr wirklich diesen Illusionen auf, dass ihr so etwas wie ein Mitbestimmungsrecht bei diesen Themen habt? Dann hört gut zu und lasst mich eure reinen, naiven Herzen mit einem kurzen Griff zerquetschen.“
Und dann müsste ich ihnen eröffnen, dass sie leider der Illusion aufgesessen sind, dass sie hier auch nur irgendetwas mitzureden haben. Die Wahrheit? Alle Daten, die wir hinterlassen, werden verwertet. Und zwar nicht zu unserem Vorteil, sondern natürlich zum Vorteil der Konzerne, auf deren Plattformen wir uns bewegen. Du hast neulich kurz darüber nachgedacht, mal wieder nach Rom zu fahren? Auf Facebook findest du ab heute täglich Angebote von Hotelketten, AirBnB und Fluglinien, die deine Reise so komfortabel wie möglich gestalten wollen. Du überlegst, ein Kind zu bekommen? Herzlich willkommen im Vorhof der Hölle namens Mami-Netz. In Anbetracht dieser Situation sollten wir uns einfach alle erwachsen verhalten, wie Digital Natives. Und das Teilen von Widersprüchen zu AGB einfach bleiben lassen.
Und damit bricht mein Herz zum zweiten Mal, denn es wird mir klar, dass diese Textkacheln mich nicht nur wegen ihrer offensichtlichen Naivität fertigmachen. Sondern auch, weil sie mir zeigen, wie abgefuckt ich und die meisten meiner Altersgenossen in Sachen Daten inzwischen sind.
„Wann habe ich das letzte Mal dagegen protestiert, dass meine Daten missbraucht werden? Nie?“
Weil wir bei allen Datenskandalen auf sozialen Netzwerken nur noch denken: Puh, schon irgendwie tragisch, aber es ist nun mal so und ich komme ohne Facebook, Instagram, Twitter einfach nicht aus. Also akzeptiere ich die unterirdischen Websites, die mit meinen Daten Schindluder treiben und hoffe auf das Beste.
Auf die Idee, mich zu wehren, oder einfach mal nicht die Verhältnisse zu akzeptieren, bin ich schon sehr lange nicht mehr gekommen. Wann habe ich das letzte Mal dagegen protestiert, dass meine Daten missbraucht werden? Nie? Aber klar, das passt ja auch immer gerade irgendwie nicht und außerdem stellt sich bei dem Thema immer die große Frage: Gegen wen protestiere ich da eigentlich? Und: Gibt es jemanden, der mir zuhört?
Immer, wenn so eine Textkachel mit AGB-Widersprüchen in meiner Timeline auftaucht, wird mir deutlich vor Augen geführt, wie sehr ich mich mit den herrschenden Verhältnissen abgefunden habe. Und das ist dann der wahre Herzensbrecher.