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Es müsste immer Punkte geben

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In Zeiten von Online-Games wie Farmville und Foursquare drängt sich für einige Netzeinwohner die Frage auf, warum man überhaupt noch irgendwas tun sollte, für das man keine Belohnung bekommt. Über Foursquare kann jeder online Punkte für die Besuche bestimmter Orte sammeln. Geht man nun öfter als seine Mitstreiter an einen bestimmten Ort, beispielsweise in die eigene Lieblingskneipe, hat man gute Chancen, dafür schließlich das sogenannte „Bürgermeisterabzeichen" abzustauben. Es winkt einem virtuelle Ruhm und Ehr, und mit etwas Glück auch noch ein Kaffee umsonst. Das Abzeichen behält man so lange, bis ein Mitstreiter einen überholt.

Anhänger solcher und ähnlicher Anwendungen sind es, die sich oft auch für unangenehmere Alltagstätigkeiten Punkte anrechnen lassen. Mobile Apps wie etwa EpicWin machen das möglich: Im Rahmen eines typischen Rollenspiels wird zuerst ein eigener Avatar ausgewählt. Anschließend müssen Abenteuer und Aufgaben spielerisch erledigt werden. Der einzige Unterschied zu echten Fantasyspielen hierbei ist, dass es sich bei diesen Aufgaben natürlich nicht ums märchenhafte Drachentöten sondern vielmehr um das Bewältigen der To-Do Liste des echten Lebens geht: Wäsche in den Waschsalon bringen, Umsatzsteuervoranmeldung für den letzten Monat abgeben, Geschirr spülen, Hausflur putzen und die Seminararbeit beenden. Selbst für das simple Vertilgen des Mittagsessen gibt es eine bestimme, vom Betreiber festgelegte Punktanzahl. Der User hat dabei so viel Spaß, dass er nahezu unbemerkt seinen gesamten Alltag online dokumentiert. Damit wird er natürlich zum feuchten Traum jedes Vermarkters. Die Anwendungen werden von Privatfirmen betrieben, die nicht selten GPS und andere technische Eingabefunktionen einsetzen, um so viele Daten wie nur möglich aus dem Nutzer zu pressen. Der gibt seine intimen Details bereitwillig ein und serviert nicht nur der Firma sondern auch der Öffentlichkeit sein Bewegungsprofil auf dem Silbertablett. Was danach mit den Informationen geschieht, ist nicht zu kontrollieren.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



„Gamification" ist ein von der Werbeindustrie erfundener Begriff, der sich etablierte, als die Branche merkte, dass Alltagspiele ein neuer Trend werden könnten. Wenn man so will, gehen die Wurzeln der Gamification schon auf das analoge Herzchensammeln im Supermarkt oder das Einführen des PayBack Systems zurück – die mit einem ähnlichen Belohnungssystem arbeiten. Das Ganze ist natürlich längst nicht ausgeschöpft, die bisweilen kühnsten Fantasien von Anhängern der „Spielifizierung" des Alltags sehen das Punktesammeln sogar schon ganz ohne lästige Eingabe ins Handy vor – man stelle sich vor, die eigene Zahnbürste würde sich merken, wie lange, wie oft und zu welcher Zeit man die Zähne putzen war, das an die Krankenkasse mitteilen und einem Bonuspunkte für das vorbildliche Verhalten gutschreiben. Die Möglichkeiten durch den Trend der Gamification Schmutziges zu tun, sind ebenso vielfältig, wie Gutes zu tun. In vielen Netzkreisen ist der Begriff durch sein enormes Datenmissbrauchsrisiko deshalb negativ belastet und wird derzeit auf vielfältigen Internetgipfeln stark diskutiert. Doch der Wirtschaft so schnell ein Bein in ihre neue Ölquelle zu grätschen, wird nicht einfach sein. Denn: The kids want to play. Und das, darauf basiert das Hauptargument der Wirtschaft, kann ja wohl keiner schlecht finden. 

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