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Bart statt Brille

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Momentan ist in der Werbung vermehrt eine bestimmte Sorte Männer zu sehen. Eine Sorte sehr bärtiger Männer. Im aktuellen Spot von Trivago läuft ein langhaariger Mann mit fast ebenso langen Haaren im Gesicht an einem Mädchen vorbei, trocknet sich im Hotel-Schwimmbad seine nasse Mähne und blickt das Mädchen aus tiefen, dunklen Augen an. Das Mädchen ist -  ebenso wie alle weiblichen Menschen, die den Werbesport in meiner Gegenwart sehen - sichtlich von seiner Erscheinung beeindruckt. Im Werbeclip von Mobile.de läuft ein ebenfalls mit einigem Haupt- und Barthaar behangener Mann barfuß über eine Reihe von Autos. Der Urvater dieses Modeltyps ist Patrick Petitjean, der 2009 mit einer H&M-Werbecampagne für Aufsehen sorgte und seitdem sein bärtiges Gesicht vielen großen Marken geliehen und auf zahlreichen Magazincovern gezeigt hat.

http://www.youtube.com/watch?v=NYpMfgLA0T4

Werbung soll Produkte verkaufen. Sie ist aber auch ein Gradmesser für die Fortentwicklung von Trends. Werbeschaffende versuchen, ihr Produkt aktuell und begehrenswert erscheinen zu lassen. Deshalb wird das Produkt in der Werbung manchmal von Leuten angepriesen, die auf den ersten Blick gar nicht unbedingt etwas mit dem Produkt zu tun haben. Es reicht, dass sie cool und irgendwie aktuell hip aussehen, damit der Zuschauer denkt: „Oh, wenn dieser moderne Mensch das benutzt, kann es nicht schlecht sein. Das kauf ich mir mal.“ Wenn jetzt also in der Werbung offenbar der Glattrasierte verdrängt wir, muss was dran sein an den Männern, die ihren Bart dranlassen.

Wenn man sich ein bisschen umsieht, entdeckt man schnell, dass diese Typen sehr große Ähnlichkeit mit einer Gruppe von Großstädtern haben, die gerne als „Folkster“ bezeichnet werden. Sie haben etwas Holzfällerhaftes und Raues und sehen aus, als hätte jemand einen Gegenentwurf zu all den Jungs erschaffen wollen, die das Spektrum zwischen wohlfrisierten BWL-Krägen und allzu mode- und hornbrillenbewussten Karottenhosenträgern so hergibt. Auch wenn der Trivago-Mann im Hotel einen Wellness-Bademantel trägt und später im Fahrstuhl in einem Anzug steckt, kann man sich ziemlich gut vorstellen, wie er nach der Rückkehr von seinem Trip auf ein New Yorker Hausdach steigt und mit schwerem Gerät seinen Rooftop-Garten umgräbt und seinen Bienenstock hegt. Aus den Kopfhörern des Stereotpy-Folksters laufen die Fleet Foxes und in seiner Freizeitgarderobe finden sich Klamotten, die aussehen sollen, als wären sie für ein raues Leben in den Wäldern Alaskas gemacht (wahrscheinlich würde sie dort aber niemand tragen). Laut einer Definition im Urban Dictionary ist der Folkster „more urban and tech-savvy than your typical hippie, less likely to irrationally hate Starbucks.“

Der Folkster ist, spätestens seit er in abgewandelter Form in der Werbung auftaucht, eine Modeerscheinung. Und zwar eine, die schon ab und an ironisch belächelt wird. Im Tumblr-Universum hat vor allem ein Bild einige Verbreitung gefunden, das den Folkster als „Hipster mit einer Schwäche für Banjo- und Mandolinensolos“ bezeichnet. Andere Posts deuten an, dass diejenigen, die sich noch vor einem Jahr eine Hornbrille gekauft hätten, jetzt gemerkt haben, dass die als Alleinstellungsmerkmal nicht mehr taugt und die Flucht aus dem Mainstream seitdem lieber mit dem Aussortieren des Rasierers beginnen.

Amüsant wäre es, wenn sich die modischen Begleiterscheinungen des Folksters so sehr durchsetzen würden wie die Hornbrille. Denn Guido Westerwelle und Alexander Dobrindt mit Vollbart würden wir wirklich gerne sehen.

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