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Wie Donald Trump dem Feminismus einen Gefallen tut

Foto: Christian Riedel

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Am 21. Januar 2017 demonstrierten Frauen überall auf der Welt: In Washington waren es Hunderttausende, die beim "Women's March" gegen Donald Trumps sexistisches Weltbild ein Zeichen setzten. Aber auch in Frankfurt, München und Berlin gingen die Frauen auf die Straße, um gegen den Präsidenten der Vereinigten Staaten zu demonstrieren.

Eigentlich ist der Begriff "Women's March" aber gar nicht korrekt, denn: Unter den Demonstranten waren auch zahlreiche Männer. Männer, die Plakate hielten mit Sprüchen wie "I’m with her" "Empathy Gaps are socially irresponsible" oder, ein wenig ironisch, "I love nasty women". Bei der Hauptveranstaltung in Washington sprach der US-amerikanische Filmregisseur und Autor Michael Moore, auch der Schauspieler Jake Gyllenhaal mischte sich gemeinsam mit seiner Schwester Maggie Gyllenhaal unter die Demonstranten.

Auch beim "Women’s March" in München waren unter den 1200 Demonstranten etwa 30 bis 40 Prozent Männer, so schätzen die Organisatoren. Zwei von ihnen sind Dennis O’Donohue aus Chicago und Brian Flesner aus New York City. Sie sind überzeugt: Die Wahl Trumps zeigt, dass Diskriminierung jeden etwas angeht.

Vielleicht braucht der Feminismus eine Renaissance. Der Women’s March könnte ein Anfang davon sein.

 

"Ich habe mitgemacht, weil ich überzeugt bin, dass Trump, sein Kabinett und die Politik der Republikaner Amerika stark zurückwerfen werden - und das nicht nur bezüglich des Umgangs mit Frauen und Minderheiten. Es ist eine sehr gefährliche Zeit für Amerika und die Welt," sagt Dennis O’Donohue, der beim "Women’s March" in München zu der Menge sprach. "Obwohl die Veranstaltung dazu da war, um gegen Trump und die Frauenfeindlichkeit der Republikaner zu demonstrieren, war sie im Grunde für die 99 Prozent der Menschen, die nicht wie Trump denken," erklärt er weiter.

 

Brian Flesner ist Schatzmeister bei "Democrats Abroad Germany - Munich Chapter", die den "Woman’s March" in München organisierten. Auch er ist überzeugt: "Der Women’s March hat gezeigt: Die Menschen werden es nicht zulassen, dass Trump seine radikale Agenda ganz ohne Gegenangriffe durchsetzen kann." Für die Frauen war es vor allem wichtig, sich gegen den Mann zu erheben, der auf derart erniedrigende Art und Weise über Frauen gesprochen hat - und jetzt im mächtigsten politischen Amt der Welt sitzt. "Die Veranstaltung war deshalb nicht nur ein politisches, sondern auch vor allem ein therapeutisches Statement", so Flesner.

 

Flesner betont, dass er sich bereits vor dem "Women’s March" für die Rechte von Frauen einsetzte, "weil ich 100 Prozent an Gleichberechtigung glaube - nicht nur für Frauen, sondern für alle Menschen." Die Niederlage von Hillary Clinton war für ihn ein Zeichen, dass es immer noch sehr schwer für Frauen ist. "Vielleicht braucht der Feminismus eine Renaissance", überlegt er. Der Women’s March könnte ein Anfang davon sein.

 

Ist Trump der neue gemeinsame Feind?

 

Das Engagement, die Wut, mit der Männer sich für die Rechte der Frauen einsetzen, ist bemerkenswert und lässt die Fragen zu: Ist Trump der neue gemeinsame Feind? Oder sind Männer, die für Frauenrechte demonstrieren und Frauen in ihren Streitpunkten unterstützen, gar kein neues Phänomen?

 

Neu ist es definitiv nicht, dass Männer sich für Frauen engagieren, erklärt Prof. Dr. Philipp Gassert von der Uni Mannheim: "Die Durchsetzung des Frauenwahlrechts ist dafür wohl das prominenteste Beispiel. Die Sozialdemokraten in der Weimarer Republik unterstützten die Frauen, weil sie sich natürlich auch erhofften, eine größere Mehrheit bei den Wahlen zu bekommen."

 

In den 60er und 70er Jahren kam es zu einer zweiten Welle des Feminismus, die allerdings stark darauf bedacht war, sich von den Männern abzugrenzen, sagt Gassert. "Vor allem bei der linken Partei warfen die Frauen ihren Parteigenossen vor: Ihr tretet für die Demokratie ein, aber im Grunde haltet ihr euch selbst nicht daran und seid dieselben Patriarchen wie eure Väter." Frauen waren in dieser Zeit sehr stark darauf bedacht, autonom zu handeln - und ihre Demonstrationen ohne Männer zu veranstalten.

 

Ein bekanntes Beispiel ist der sogenannte "Tomatenwurf" vom September 1968: Studentinnen des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS) ärgerten sich, dass sie nicht genug Anerkennung von ihren Genossen bekamen und immer noch mit unemanzipierten Frauenbildern zu kämpfen hatten. Die Berliner Delegierte Sigrid Rüger warf beim SDS-Delegiertenkonkress Tomaten in Richtung des Vorstandstischs, traf einen der Redner ins Gesicht - und löste damit eine neue Welle der Frauenbewegung aus.

 

Die Demonstrationen gegen den Abtreibungsparagrafen 218 hingegen zeigen, dass in den 70er Jahren Männer und Frauen gemeinsam auf die Straße gingen, um gegen diesen Paragrafen des Strafgesetzbuchs zu demonstrieren, der vorsah, dass Frauen ihre Männer um Erlaubnis fragen müssen, ob sie abtreiben dürfen. "Hier zeigten Männer großes Engagement, weil die Diskussion ja auch sie betraf - und vor allem die sexuelle Revolution thematisierte", erklärt Gassert.

 

Die Sozialwissenschaftlerin und Historikerin Gisela Notz betont ebenfalls: "Es gab in der Geschichte bislang immer beides: Proteste, bei denen nur Frauen für Frauenrechte demonstriert haben, und solche, bei denen sich Männer und Frauen gemeinsam für Frauenrechte eingesetzt haben." Dass bei den "Women’s Marches" so viele Männer teilnahmen, erklärt sie sich mit Trumps Verhalten, dass so "dermaßen sexistisch ist, dass Frauen und auch Männer es einfach nicht mehr zulassen können." Sie wünscht sich, dass es noch mehr solcher Männer gibt, denn "der Sexismus fällt ja auf alle Männer zurück - dagegen muss etwas getan werden."

 

Philipp Gassert stimmt zu: "In den 70er Jahren war der Mann im Allgemeinen das Feindbild der Frauen, heute ist Trump das große Feindbild, weil er unseren liberalen Konsens angreift und damit beide Geschlechter gegen sich aufbringt." Vor allem sei die heutige Generation mehr darauf bedacht, Gemeinsamkeiten zu betonen - weswegen es seit den letzten 20 bis 30 Jahren eine größere Beteiligung von Männern gibt.

 

Die "Women's Marches" sind also definitiv ein Schritt in die richtige Richtung - auch wenn bei der männlichen Beteiligung  Luft nach oben ist. Beim nächsten "Women's March" wird es hoffentlich noch mehr Bilder geben von Männern, die sich engagieren - auch wenn es auf den ersten Blick vielleicht nicht nur um ihre eigenen Rechte geht.

 

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