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Fotos Subkultur Orte in München
Ein stillgelegter Bahnhof und brüchige Mauern, die über und über mit Graffiti bemalt sind – solche Bilder verbindet man normalerweise nicht mit der bayerischen Hauptstadt München. Dass diese Orte aber genauso zu der Stadt gehören wie die Maximilianstraße oder der Marienplatz, zeigt die 31-jährige Fotografin Lena Engel. In ihrer Galerie stellt sie unter anderem die Fotos ihres Projekts „NullAchtNeun“ aus, für das sie eher unbekannte Orte in der Stadt dokumentierte. Sie möchte ein Bewusstsein dafür schaffen, wie wichtig sie für unsere Kultur sind.
jetzt: Schöne Gebäude, schicke Straßen - München kennt man anders als auf deinen Fotos. Was willst du mit deinen Bildern zeigen?
Lena Engel: Viele Deutsche haben ein sehr eingefahrenes Bild von München, das meist mit eher negativen Klischees wie Schick und Arroganz behaftet ist. Es gibt aber eben auch andere Ecken jenseits der Maximilianstraße. In München ist das anders als zum Beispiel in Berlin: Es gibt nicht mehr viele von diesen Orten und man muss sie auch lange suchen, um sie zu finden. Aber: Es gibt sie. Und es gibt auch in München Vielschichtigkeit. Ich wollte mit dem Projekt sozusagen mit Stereotypen brechen und ein paar der typischen Klischees widerlegen. Zum anderen wollte ich meiner Heimatstadt auch eine kleine Liebeserklärung machen, indem ich diese Ecken der Subkultur dokumentarisch festhalte.
„Viele dieser Plätze gibt es heute gar nicht mehr."
Wie hast du diese außergewöhnlichen Plätze in München gefunden?
Ich habe angefangen, explizit danach zu suchen. Ich bin in die Viertel gegangen, wo ich solche Orte am ehesten vermutet habe, also wo alte Gebäude zwischengenutzt oder umgebaut wurden. Aber viele dieser Plätze gibt es heute gar nicht mehr. Ich habe insgesamt eineinhalb Jahre an dem Projekt gearbeitet und nachdem ich fertig war, waren etwa 50 Prozent der Orte auf den Bildern bereits verschwunden.
Was ist mit ihnen passiert?
Auf dem Viehhofgelände zum Beispiel ist die Zwischennutzungsfläche für Subkultur der Hochkultur gewichen, hier entsteht das neue Volkstheater. Manche Orte werden auch luxussaniert oder es entstehen Neubauten.
Stillgelegter Olympiabahnhof, 2017
Viehhofgelände, 2016
Viehhofgelände, 2017
Kreativquartier, 2018/„Das ist keine Pommesbude”: Torsten Mühlbach und Andreas Höhen
„Alte Utting“, 2017
Viehofgelände, 2018
Kreativquartier, 2016/„Exportweltmeister” von Christian Schnurer
Goethestraße, 2017
Wie geht es dir damit, wenn du siehst, wie schnell sich diese Orte verändern?
Als Künstlerin und Kulturschaffende betrachte ich diesen Wandel kritisch. Diese Freiräume jenseits der Hochkultur sind sehr wichtig für ein vielschichtiges kulturelles Leben in der Stadt. Aber nach und nach verschwindet das kreative Umfeld immer mehr, komplette Areale werden nur noch zwischengenutzt und zum Teil für kommerzielle Zwecke eingesetzt. Kreatives Wirken ist aber mit einer rein wirtschaftlichen Orientierung schwer zu vereinen.
Auf deinen Bildern sieht man keine Menschen, sondern eben nur diese coolen, aber auch irgendwie verlassenen Orte. Was macht Subkultur für dich aus?
Die Menschen. Sie erschaffen und vermitteln die Subkultur. Der nächste Schritt ist die Gesellschaft, die die Subkultur zulassen muss, indem sie sie unterstützt und akzeptiert. Aber auch die richtigen Orte sind dafür unverzichtbar – sie ermöglichen es erst, dass die Subkultur sich entwickeln und überhaupt in der Öffentlichkeit zugänglich sein kann. Und wenn es an Orten dafür an Geld scheitert, weil die Mieten einfach zu teuer sind oder wenig wirtschaftlicher Erfolg erzielt werden kann, wird die Kreativität im Keim erstickt.
„Letztendlich empfinde ich es aber so, dass diese Orte nur noch künstlich erhalten oder erschaffen werden."
Würdest du dir mehr Orte wie diese in München wünschen?
Unbedingt! Man braucht diesen Freiraum einfach. Wenn es keine Orte mehr gibt, in denen freies, nicht kommerziell orientiertes Schaffen und Netzwerken stattfinden kann, wird es zwangsläufig längerfristig keine Subkultur mehr geben.
Was wird in der Stadt getan, um diese Orte zu schützen?
Viele, die im kreativen Bereich arbeiten, treffen sich regelmäßig. Die Stadt steht im engen Dialog mit den Künstlern, die sich mit ihren kreativen Konzepten zur Zwischennutzung dieser Orte einbringen. Man kann sagen, sie werden gehört. Die Stadt ist sehr bemüht, finanziell und beratend zu unterstützen. An der Ausführung scheitert es allerdings immer wieder. Die meisten Konzepte der Künstler werden abgelehnt, die Flächen dann doch wieder kommerziell genutzt. Letztendlich empfinde ich es aber so, dass diese Orte nur noch künstlich erhalten oder erschaffen werden aber nicht mehr natürlich entstehen und wachsen – es herrscht einfach eine extrem große Überregulierung.
Die Fotografin Lena Engel bildete eher unbekanntere Ecken Münchens ab.
Welcher dieser Orte fasziniert dich am meisten?
Das ist schwierig zu sagen – ich habe mich mit allen so viel beschäftigt. Während des Projekts bin ich zu jedem dieser Orte mehrmals hingefahren. Am meisten beschäftigt hat mich wohl das Kreativquartier, weil es sich so unfassbar schnell verändert hat. Jedes mal, wenn ich erneut gekommen bin, war etwas anderes verschwunden – mal der Trabi, mal eine Mauer oder eine ganze Halle. Einer meiner Lieblingsorte aus den Bildern ist die Abrissfassade in der Goethestraße. An diesem Platz konnte man verschiedene Zeit- und Materialschichten so gut erkennen, die beim Abriss freigelegt wurden. Aber auch dort hat sich bereits einiges geändert.
„Diese Orte sind rare kleine Inseln in der Stadt"
Mit wie viel Melancholie blickst du heute auf deine Bilder?
Diese Orte sind rare kleine Inseln in der Stadt und dann zu sehen, dass sie so schnell verschwinden, ist schon schwer zu ertragen. Viele Künstler entscheiden sich deshalb auch dazu, aus München wegzugehen. Wenn erst mal alle weg sind – wer erschafft dann noch Kreatives? Wo passieren kreativer Austausch und Partizipation für alle? Ich bin hier verwurzelt, habe mir ein berufliches und privates Netz aufgebaut. Aber eine gewisse Angst ist auch bei mir da. Wenn die letzten Freiräume weggefallen sind, ist die Stadt für mich nicht mehr lebenswert. Dann fehlt einfach etwas.