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Die schrecklichsten Mitbewohner der Welt Folge 7
Wohnsituation: Vierer-WG, zweiter Stock, mit Wohnküche
Geschlecht und Alter des Horror-Mitbewohners: männlich, Alter unbekannt
Horror-Titel: „Der haarige Dealer“
Horror-Stufe: 6 von 10
Der Horror:
Die Besichtigung war vor allem entspannt. Kein Casting-Quatsch, kein Abschlag-Feilschen, keine Putzplan-Predigt. Dafür Schnapsflaschen auf dem Küchenschrank und ein Aschenbecher auf dem Tisch. Fand ich gut damals. Die Wohnung war groß, mein Zimmer war groß, die Lage zentral, die Miete billig. Und, hey, es gab Stuck. Ich hätte natürlich auch sehen können, dass überall dunkle, lange Hundehaare rumlagen. Habe ich aber nicht, wollte ich vielleicht auch nicht oder es war mir egal. Diese Haltung war allerdings ziemlich sicher der Hauptgrund dafür, dass ich das Zimmer bekam.
Als mir klar wurde, dass einer meiner Mitbewohner nicht nur als Stage Hand arbeitete, sondern einer der größten Gras-Ticker der Stadt war, gefiel mir das auch noch ein bisschen. Ist ja schon erst mal aufregend. Der große Hund, von dem die Haare stammten, ging nicht ins Bad und auch nicht in mein Zimmer. Insgesamt ließ sich das Leben in der neuen Wohnung gut an.
Das Unwohlsein und der Ärger kamen eher schleichend. Gras riecht sehr stark. Große Mengen Gras riechen stärker. Wenn mir der Geruch auf der Straße entgegenweht, freue ich mich immer ein bisschen. Aber es ist nicht schön, wenn es in der eigenen Wohnung immer nach Gras riecht.
Außerdem braucht ein Dealer Kunden, und die Kunden meines Mitbewohners kamen immer zu uns. Fast täglich hingen ab 17 Uhr mindestens drei, eher fünf ziemlich bekiffte Fremde bei uns ab, und das waren nicht immer die angenehmsten Gestalten. Sie blockierten das Bad, sie aßen meine Chips weg, sie tranken meine Cola aus. Am nervigsten war aber, dass ständig die Tür ging, die direkt gegenüber meines Zimmers lag. Nachts wurde ich entweder von Gekicher im Flur oder von Türknallen geweckt. Irgendwann nervte mich auch, dass der Dealer nur äußerst selten saugte, und wenn, dann nur in seinem Zimmer. Die Hundehaare in Küche und Flur überließ er uns.
Ich scheute die Auseinandersetzung mit ihm. Er war der älteste, er wohnte am längsten in der Wohnung. Es war klar, dass er mir sagen würde, ich könne ausziehen, wenn mir irgendwas nicht passt. Das Ganze lief also auf eine wortlose Auseinandersetzung hinaus: Ich putze nicht mehr. Ich spülte auch nicht mehr ab. Ich vermied es, in die Küche zu gehen, wenn er dort gerade saß. Wir wurden zu zwei Fremdkörpern, die auf engem Raum aneinander vorbeidrifteten.
Einmal stellte er mir einen Topf, den ich tagelang nicht abgewaschen hatte, vor meine Zimmertür. Ich räumte ihn erst für einige Wochen auf den Balkon, dann warf ich ihn in den Müll und kaufte einen neuen. Es war ziemlich albern.
Dann stand die Polizei für vor der Tür und nahm ihn fest
Aber ich litt ganz eindeutig mehr unter der Situation als der Dealer. Der saß nämlich immer noch jeden Tag gemütlich in der Küche, frühstückte lang und las Zeitung. Seine Kunden knallten immer noch nachts mit der Tür. Alle paar Wochen, nach jeder neuen Lieferung, stank es sogar im ganzen Hausflur nach Gras. Ich hingegen verließ mein Zimmer kaum noch oder versuchte abends so spät nach Hause zu kommen, dass ich niemandem mehr in der Wohnung begegnete.
Dann stand die Polizei für eine Hausdurchsuchung vor der Tür und nahm ihn fest. Ich war nicht zu Hause, als es passierte. Eine Mitbewohnerin erzählte es mir: Es hatte geklingelt, sie hatte die Tür geöffnet – und auf einmal standen im ganzen Wohnungsflur Polizisten.
Der Dealer wurde zu einer Haftstrafe ohne Bewährung verurteilt. Von uns wurde niemand vernommen oder wegen Mitwisserschaft belangt. Mittlerweile ist er wieder draußen, was er macht, weiß ich nicht. Der Hund wurde eingeschläfert. Ich blieb noch ein paar Jahre in meinem Zimmer wohnen.
Weil unser Autor keinen Ärger mit einem verurteilten Dealer bekommen will, möchte er anonym bleiben . Er ist der Redaktion aber bekannt.