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Die schrecklichsten Mitbewohner der Welt: Folge 23
Wohnsituation: Dreier-WG im 3. Stock eines Mehrfamilienhauses mit sehr dünnen Wänden
Geschlecht und Alters des Mitbewohners: weiblich, 20 Jahre
Horror-Stufe: 4 von 10
Zu Beginn meines Studiums zog ich in eine Dreier-WG und war anfangs sehr angetan, weil ich mich mit meinen beiden Mitbewohnerinnen Maria und Lucy* so gut verstand. Aber die Freude hielt leider nicht lange an und schnell wünschte ich mir meine eigene Wohnung und vor allem: Ruhe.
Marias Freund war oft zu Besuch. Eigentlich ein netter freundlicher Kerl, genauso umgänglich, wie ich auch Maria zunächst wahrgenommen hatte. Aber wenn die beiden zusammen waren, explodierten ihre Gemüter wie Brausedrops in einer Cola-Flasche und das zumeist mitten in der Nacht und unter der Woche. Ich glaube, ich habe menschliche Stimmen noch nie in solchen Lautstärken vernommen – ein Wunder, dass keine Scheiben brachen. Nachbarn kamen am nächsten Tag an und fragten mich, ob wir bei uns Schimpansen foltern oder was da los sei.
Sobald ein Streit beendet schien (meist, wenn Marias Freund die Biege gemacht hatte) kam sie heulend in mein Zimmer und wollte getröstet werden. Die erste Zeit versuchte ich wirklich vieles, um sie aufzumuntern. Aber nach zwei Monaten reichte es mir und ich schloss mein Zimmer nachts ab oder verschwand zu Freunden, wenn ein Streit begann.
Die Stimmung zwischen den beiden wurde so schlecht, dass sie täglich stritten – zu jeder Uhrzeit, über jedes Thema, in jeder möglichen Frequenz. Als auch Lucy irgendwann genug hatte und während eines Streits um Ruhe bat, wurde sie prompt in den Streit miteinbezogen und Maria schrie sie an. So sehr, dass die arme Lucy heulend verschwand.
Schließlich entschieden sich Maria und ihr Freund, getrennte Wege zu gehen, sehr zur Freude meines Trommelfells. Es wurde ruhiger. Doch eines Abends, als ich selbst unterwegs war, hielt Lucy sich für längere Zeit in der Küche auf, um etwas zu kochen. Zu lange für Marias Geschmack. Sie fing an zu brüllen, was Lucy sich eigentlich erlaubte, so lange die Küche zu besetzen und dass sie sich ganz schön viel rausnähme. Dies entwickelte sich zu einem handfesten Streit, den ich später in zwei verschiedenen Versionen erzählt bekam.
Als Maria merkte, dass ich ihr nicht glaubte, erzählte sie Lucy Lügen über mich
Plötzlich bildete sich ein Riss in der WG: Maria gegen Lucy und ich dazwischen. Jeden Tag, wenn ich von der Uni kam, wartete Maria mit einer neuen angeblichen Horror-Geschichte über Lucy, die meistens davon handelte, dass sie schlechte Dinge über mich gesagt hatte. Da Maria einen Hang zum Drama hatte, fragte ich jedes Mal auch Lucy und erhielt eine ganz andere Geschichte.
Als Maria merkte, dass ich ihr nicht wirklich glaubte, drehte sie den Spieß um und erzählte Lucy Lügen über mich. Zugegeben, sie konnte da sehr überzeugend sein, vielleicht hätte sie lieber Schauspiel statt Literatur studieren sollen. Zum Glück konnte ich die Märchen schnell entlarven, auch wenn Maria an ihrer Meinung festhielt.
Über Monate zog sich dieses Spiel hin und irgendwann hat es mir gereicht. Ich bin ausgezogen. Bei Maria habe ich mich nicht mehr gemeldet, aber mit Lucy habe ich heute noch Kontakt. Leider ist mein einziger Versuch, in einer WG zu wohnen, damit kolossal gescheitert. Heute würde ich nur noch mit Freunden zusammenziehen, die ich sehr lange kenne und deren Stimmen nicht über die Lautstärke einer Kreissäge hinausgehen können.
*Namen geändert
Bei diesem Text handelt es sich um den Beitrag einer jetzt-Leserin. Sie hat darum gebeten, anonym zu bleiben, ihr Name ist der Redaktion aber bekannt.
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