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Woher der Hass? Payback-Punkte

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Wenn der Supermarktkassierer an der Supermarktkasse fragt: „Sammeln Sie die Herzen?“, dann fühle ich mich immer, als sei ich Schauspielerin in einem Sat1-Freitagabend-Sketch. Oder Teil eines Stand-up-Programms von Mario Barth. Das Herzen-Sammeln ist zu einem vielzitierten Witz geworden. Der Bio-Supermarkt bei mir um die Ecke setzt noch eins oben drauf, indem die Kassierer dort immer fragen: „Sammeln Sie die Möhren?“

Weil man immer, immer gefragt wird, ob man die Herzen oder Möhren oder vielleicht auch nur die Treuepunkte will, sie meistens aber gar nicht will, sind diese Bonus-Aktionen in Deutschland nicht so richtig beliebt. Klar, es gibt in jedem Freundeskreis den einen, der sich mit seinen Treuepunkten einen Rollkoffer oder ein Messerset teilfinanziert hat, aber der beklagt sich dann meistens auch, dass die Qualität ja zu wünschen übrig lasse. Ansonsten Augenrollen und „Bis ich mir davon was Gescheites leisten kann, dauert es ja tausend Jahre!“ aller Orten. Außer vielleicht bei der alten Frau Brömmer von nebenan, aber die kommt ja auch aus einer ganz anderen Generation. Krieg und Trümmerfrauen und so, die wären ja damals froh gewesen, wenn ihnen ab und mal jemand ein Treueherz zugesteckt hätte.

Die einzelhandelseigenen Herzen und Möhren bewegen die Herzen (und Möhren) der Menschen aber nur halb so viel wie die eine große, verschiedenste Unternehmen umfassende Treueaktion: Payback. Der große Unterschied ist, dass es sich bei Payback-Punkten nicht um niedliche kleine Aufkleber handelt, sondern sie per Karte elektronisch erfasst werden – und die zentrale Payback GmbH so eine Menge Informationen über das Kaufverhalten der Nutzer bekommt. Sie sammelt Daten und wertet sie aus, um die Wirksamkeit von Werbung zu messen und zu verbessern. Und das schon seit dem Jahr 2000. Damit ist Payback die Mutter aller Datenschutzaufreger und zieht schon lange eine Menge Hass auf sich. Take this, NSA!

Die Menschen finden das schlimm. Das mit den Daten. Aber das ist nur das eine, denn wir wissen ja, dass Menschen sich ihre Daten gerne wegnehmen lassen, aus reiner Trägheit und wenn sie dafür ihren Freunden lustige Katzenbildchen auf die Pinnwand posten können. Das Problem bei Payback ist das emotionale Versprechen, das den Menschen gemacht wird.   

„Seit fast 15 Jahren belohnt Payback als das größte deutsche Bonusprogramm seine treuen Kunden fürs Einkaufen“, so wirbt die Firma für sich selbst. Den Menschen wird vom Bonuspunkteprogramm also gesagt, dass sie etwas bekommen, wenn sie „treu“ sind. Treue ist ein Begriff aus dem Themenspektrum „Liebe“ und „Beziehung“ (und eventuell noch „Haustiere“) und darauf wird schnell extrem empfindlich reagiert. Treue wird in der Gesellschaft der romantischen Zweierbeziehungen hochgehalten. Wer treu ist, der soll dafür belohnt werden, mit Treue von anderer Seite, mit Liebe oder wenigstens mit einem Schnellkochtopf. Wer Treue gibt, dem soll nicht noch etwas anderes weggenommen werden, das viele Geld zum Beispiel, das man in die Kassen all der Drogeriemärkte und Kaufhäuser gesteckt hat. Und vor allem nicht so etwas Persönliches wie die eigenen Daten – wenn aus denen dann auch noch Profit geschlagen wird. Da greifen viele zur „Böser Kapitalismus“-Keule. Payback, das fühlt sich für ganz dramatisch veranlagte Zeitgenossen an wie eine dieser traurigen Geschichten, in denen ein Fremder im Internet einer einsamen Frau seine Liebe schwört und sie dann um einen Haufen Geld bittet. Wie Ausbeutung, emotionale Erpressung, Betrug.

Vielleicht sollte sich Payback ein Beispiel an Google und Facebook nehmen. Die haben noch nie etwas von „Treue“ gefaselt. Klar, die werden auch gehasst für ihre Datensammelei, aber auf eine sterilere, weniger herzgebrochene Art. Apropos Herz: Wenn ich genauer drüber nachdenke, sind die Möhren, die es im neuen Bio-Supermarkt gibt, vielleicht doch besser als die Herzen aus dem Standard-Supermarkt. Herzen finden sich ja auch eher im Themenspektrum „Liebe“ und „Beziehung“. Bei Möhren reagieren die Menschen vielleicht ein bisschen weniger emotional.


Text: nadja-schlueter - Illustration: Daniela Rudolf

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