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Woher der Hass? Pauschalurlaub

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„Pauschal“ ist mittlerweile ja eher ein Schimpfwort. Wer pauschalisiert, der ignoriert die Vielfalt der Meinungen und die Komplexität eines Sachverhalts und hat außerdem noch nie was von Dialektik gehört. „Das kann man so pauschal nicht sagen“ ist ein Satz, mit dem man immer dafür sorgt, dass einem alle zuhören. Der Gipfel all dessen, was an Pauschalem gehasst wird, ist der Pauschalurlaub. Zum Beispiel dieser: sieben Tage Gran Canaria ab 429 Euro pro Person, Halbpension mit vegetarischer Auswahl, Sonnenterrasse, eineinhalb Kilometer zum Strand, Live-Bands, Einkaufs- und Vergnügungszentrum „Yumbo“ in unmittelbarer Nähe.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Für die einen ist das der Traum von der absoluten Erholung, weil man ein Mal bezahlt und sich weiter um nichts kümmern muss. Für die anderen ist es ein Angebot, bei dem sich ihnen, eigenen Aussagen zufolge, die „Nackenhaare aufstellen“ beziehungsweise „die Zehennägeln aufrollen“. Sie bestehen nämlich darauf, das Gegenteil von Pauschalurlaub zu machen: Individualurlaub. Sie packen ihren Rucksack und fliegen los, um in Flip-Flops durch Nairobi zu schlappen und (ganz wichtig!) nicht zu wissen, wo sie am nächsten Tag sein werden. Oder sie reisen nach New York, wohnen in einem Privatapartment und glauben, den „Vibe der Stadt“ mit dem Wasser, das aus dem echten New Yorker Duschkopf kommt, über die Haut aufzunehmen. Ein Urlaub, bei dem man nicht mehr entdecken kann als die Terrasse und das Nachtischbuffet, kommt für sie nicht in Frage. Gerne zitieren sie große Denker, die mal was zum Reisen gesagt haben: „Nur wo du zu Fuß warst, bist du auch wirklich gewesen“ (Goethe) zum Beispiel. Oder „Reisen veredelt den Geist und räumt mit unseren Vorurteilen auf“ (Wilde). Heißt: Wer immer nur am Touri-Strand sitzt, der ist nie wirklich irgendwo und pflegt seine Vorurteile, weil er Einheimische ja höchstens als Poolboys schuften sieht.
 
Die Individualtouristen bestehen darauf, dass sie etwas nicht sind, was Pauschaltouristen in ihren Augen viel zu viel sind: Touristen. Gewohnheitstiere, die immer nur den Weg nehmen, der ihnen vorbestimmt ist. Die im Büro Zahlen in Tabellen hacken, um Geld zu verdienen, das sie im Sommer in der Bettenburg auf Gran Canaria ausgeben. Die machen es sich zu leicht, sagen die Individualtouristen. Doch wenn sie dann nachts in der Regenwaldhütte sitzen, nass bis auf die Knochen und nach Mückenschutzmittel stinkend, das ihre Klamotten verfärbt, dann denken sie schon manchmal sehnsüchtig an Strandliegen auf europäischen Ferieninseln. Und werden gleich noch wütender auf die Pauschaltouristen, weil die weniger nachdenken und mehr genießen. Weil es ihnen nicht peinlich ist, Urlaube zu buchen, in denen es den Animateur inklusive gibt.
 
Dass der Hass auf den Pauschalurlaub so auffällt, liegt an der Differenz der Lautstärke: Pauschalurlauber, das sind vor allem die stillen Zeitgenossen, die das Arbeitsamt lieb hat und die gerne annehmen, was man für sie vorbereitet hat. Die Gegner, das sind die Lauten. Die, die gerne reden und dagegen sind. Individualität bedeutet nämlich auch, allen dauernd die eigene Meinung aufzutischen – unter anderem, um sich selbst davon zu überzeugen.

Text: nadja-schlueter - Illustration: Daniela Rudolf

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