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Woher der Hass? Das Binnen-I
Wenn man es mal frei von jeder Ideologie betrachtet, muss man den Ästheten unter den Binnen-I-Hassern Recht geben. Die finden nämlich, dass es nicht schön aussieht, wenn man im Sinne der Gleichberechtigung statt „Ästhet“ „ÄsthetIn“ schreibt. Und das stimmt. Es stört den Lesefluss, man stolpert drüber und denkt: Oh, Druckfehler! Und es ist ja auch einfach falsch, genauso falsch wie in „BordBistro“, „MasterCard“ oder „BioBackHaus“. Innerhalb von Wörtern gibt es keine Großbuchstaben, da kann man den Duden fragen, der wird dann nicken.
Die Ästheten machen also spitze Münder und merken an, dass ein Text rund und flüssig sein muss, um zu wirken, und dass das Kantigmachen für irgendwelche Zwecke (in diesem Fall: Geschlechtergerechtigkeit), die nichts mit dem Thema des Textes zu tun haben, bitte unterlassen werden soll. Ihr Hass ist mehr ein Mäkeln, aber darin sind sie als treue Jünger des Sprachpflegers Bastian Sick ziemlich konsequent. Sie nerven rum, bis irgendwer explodiert. Viele Ästheten finden allerdings nur die Mittel falsch, den Zweck aber richtig und denken nach, wie die Sprache auch ohne Binnen-Buchstaben Frauen und Männer meinen kann. Ästheten und feministische Linguisten können unter Umständen gut gemeinsam an Wörtern herumschrauben.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Es gibt unter den Binnen-I-Hassern aber auch noch die Grobschlächtigen. Die wollen überhaupt keine geschlechtergerechte Sprache, kein „Sprecher/in“, kein „Sprecher_in“ und eben vor allem kein „SprecherIn“, das regt sie am allermeisten auf. Mit den Grobschlächtigen ist nicht gut rumschrauben an Wörtern. Die hauen lieber mit der Faust auf den Tisch und wenn dabei was kaputtgeht, umso besser. Sie haben eine Lieblingsfloskel, die sie dauernd herausbrüllen: „Wenn wir damit anfangen, dann . . .“ Die nutzen sie, um Horrorszenarien zu erdenken: „Wenn wir damit anfangen, ‚SprecherIn’ zu schreiben, dann schreiben wir bald auch ‚KleiderständerIn’ und ‚Wasserhenne’!“ Sie tun vordergründig so, als sei das ebenfalls Sprachkritik, wie bei den Ästheten. Aber eigentlich gehören sie zu denen, die sagen: „Wenn wir damit anfangen, Schwule zu verheiraten, dann dürfen bald auch Hunde heiraten!“
Die Grobschlächtigen haben vor allem Angst. Vor gesellschaftlichen Veränderungen jeglicher Art und zwar aus unlauteren Gründen: Sie wollen ihre Gesellschaft nicht retten oder bewahren, zu allererst wollen sie die Symbiose aus ihrem Hintern und dem bequemen Sessel nicht gefährden, weil sie die Kuhle durch jahrelanges Dasitzen geformt haben. Und Angst schlägt oft in Hass um, weil Angriff ja angeblich eine gute oder sogar die beste Verteidigung ist. Sie fürchten sich davor, überfordert zu werden, wenn sich etwas ändert, vor einer Kettenreaktion, deren Ende sie nicht absehen können. Heute das Binnen-I, morgen alle Frauen oben ohne. Heute politisch korrekte Kinderbücher, morgen nur noch schwule Söhne. Das ist so ungefähr die Logik der grobschlächtigen Binnen-I-Hasser, die auch einen kürzeren Namen haben: die Konservativen. Die übrigens gleich vormachen, wie sie sich das vorstellen: der Konservative und die Konservative. Keine Chance für ein Binnen-I.
Text: nadja-schlueter - Illustration: Daniela Rudolf