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Woher der Hass? Arbeit

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Vor einigen Jahren gab es eine Fernsehwerbung für Altersvorsorge, in der Kinder auf die Frage antworteten, was sie mal werden wollen. Sie sagten vermutlich kindertypischen Kram (Feuerwehrmann, Tierärztin, Astronautin), ich erinnere mich nicht genau. Wichtig war nämlich nur der Pointen-Junge, denn der sagte: „Rentner!“

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Rentner sein, das wünschen sich wirklich viele Menschen. Rentner haben etwa den gleichen Ruf wie Studenten: Angeblich tun beide Gruppen den ganzen Tag nichts, außer das Geld auszugeben, das der Staat ihnen für ihr Dasein schenkt, sie kriegen überall den Eintritt günstiger und fahren dauernd in den Urlaub, die einen mit Rucksack, die anderen mit Rollator, aber alle tiefenentspannt. Student sein bedeutet Freiheit, Rentner sein angeblich sogar noch mehr. Denn nach dem Eintritt in die Rente kommt ja nur noch Freiheit, nach dem Studium aber kommt der Beruf. Und die Menschen hassen es, zu arbeiten.

Vorneweg muss man vielleicht sagen, dass es ziemlich viele beschissene Jobs da draußen gibt. Der Hass auf die Arbeit ist aber auch unter denen verbreitet, die so privilegiert sind, dass sie es sich aussuchen können, in welchem Bereich sie ihr Geld verdienen. Die sollten eigentlich zufrieden sein, trotzdem schimpfen sie sehr viel. Wie stressig wieder alles war. Wie blöd die Kollegen sind. Es gibt einen ganzen Witzartikel-Markt rund um das seltsam negative Verhältnis der Deutschen zur Arbeit, der gleichzeitig noch ihren muffigen Büroflur-Humor abbildet: In jedem Ramschladen kann man Schilder kaufen, auf denen „Für Geld bin ich zu allem fähig, sogar zur Arbeit“ oder „Ich liebe meinen Job, es ist die Arbeit, die ich hasse“ steht. Ja wirklich, Menschen hängen sich so was ins Büro!

Der Grund dafür liegt zwischen protestantischer Arbeitsmoral und dem Dualismus von Arbeit und Freizeit, der einem schon in der Schule eingetrichtert wird. Die Arbeitsmoral sagt: Arbeit darf keinen Spaß machen, denn Geld verdienen ist im Sinne von „Das hast du dir aber auch wirklich verdient!“ gemeint. Da gehört Leiden schon dazu. Und genauso muss man sich eben auch die Freizeit verdienen, in der man tun und lassen kann, was man will und vor allem: was einem Spaß macht.

Nun könnte man ja in seinem Arbeitshass still vor sich hin brodeln, anstatt Witze darüber auf gelbe Schilder zu drucken. Aber der Hass auf die Arbeit hat eine wichtige psychologische und soziale Funktion: die Aufwertung der Freizeit. Wenn man sich nur gründlich genug ärgert, wie schlecht der Kaffee im Büro mal wieder ist und wie hoch der Aktenberg auf dem Schreibtisch, wirken Kaffee und Unordnung daheim gleich viel angenehmer. Immerhin kann man da beim Kaffeetrinken und Aufräumen eine Jogginghose tragen. Fast noch wichtiger ist aber, dass man vor den anderen nicht zu zufrieden ist mit seinem Job. Wer die Arbeit über die Freizeit stellt, der gilt als vertrockneter Typ ohne Sozialleben. Ein bisschen wie der eine Neuntklässler, der Matheunterricht mag.

Aus der Rolle fallen die Menschen in den modernen Arbeitsmodellen. Freiberufler oder Home-Office-Jobber. Die sagen ganz gerne, dass sie ihre Arbeit mögen. Vielleicht, weil bei ihnen Arbeit und Freizeit örtlich schon so nah beieinander liegen, dass der Dualismus aufgehoben wird. Außerdem können sie fast immer eine Jogginghose tragen.

Text: nadja-schlueter - Illustration: Katharina Bitzl

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