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An der Arena
Ich habe aber zuerst gar nichts gefunden, also weder die Ruhe noch die Arena und kurvte so in Fröttmaning umher, bis ich auf einem dieser modernen hochumgitterten Bolzplätze Kindern Fußball spielen sah. Und auf einmal wurde mir klar: Das, was in diesen Konsumtempeln der Bundesliga vor sich geht, hat doch gar nichts mehr mit dem Spiel zu tun. Eigentlich geht es doch nur darum, mit dem Herzen dabei zu sein, wie diese Kinder dort auf dem Bolzplatz. Und ich lief zu ihnen, drückte sie, nahm sie in den Arm und wirbelte sie durch die Luft und dann spielten wir das Endspiel von Bern nach, bis es dunkel wurde und alle nach hause mussten. Nein, das ist natürlich gelogen. Bei den Kindern musste ich bloß an Adidas-Werbungen denken. Und das ist ja alles gar nicht schlimm, denn die Kinder sind ja bloß deswegen auf dem Bolzplatz, um später einmal in der Allianz-Arena („das schönste Stadion der Welt“, Uli Hoeneß oder so) zu spielen. So funktioniert es eben. Und dann war ich auch angekommen. Es war natürlich alles zu. Nun gut, was auch sonst? Bleibt einem nichts anderes übrig als sich über FIFA-Sicherheitshinweise lustig zu machen, wie der Engländer, der mit mir vor den Toren stand. Never thought about bringing a ladder. Oder sich zu fragen, wo eigentlich der Allianz-Arena-Schriftzug ist, bis einem wieder einfällt, dass der ja abgemacht werden musste. Als hätte es nicht genug Berichte über die böse FIFA gegeben, in denen einem das erzählt wurde. Und nachdem ich an dem unendlich, unendlich, wirklich unendlich langen Parkhaus vorbei gelaufen war („das größte Europas“, sicher auch Uli Hoeneß) und mich wirklich nicht mehr daran erinnern konnte, wie es war als Frankreich und Parkhaus nur Worte waren, dann passierte es. Dann kam der Neid. Das ist nämlich so: Ich habe zuhause in irgendeiner Kiste noch zwei Ausweise, solche laminierten, die man meist an – so heißt das Wort - Keyholdern befestigt. Man könnte sie auch Backstageausweise nennen, aber das wäre wohl zu eng gefasst. Der eine Ausweis stammt vom Koblenzer Hallenmasters der Schulen, bei dem ich zwei Tage lang eine Notausgangstür bewacht habe, der andere vom legendären Rock-im-RAK-Festival. Was ich dort gemacht habe, weiß ich allerdings nicht mehr so genau. Wahrscheinlich nichts. Aufgehoben habe ich die Ausweise nicht unbedingt als Erinnerungsstücke, sondern weil sie immer schon eine kindliche Faszination auf mich ausgeübt haben. Wenn auch nur bei der kleinsten Veranstaltung jemand so was hatte und damit wichtiger war als ich, wäre ich fast geplatzt vor Neid. An der Arena war es also schlimm für mich. Ich war neidisch auf die Volunteers mit ihren blauen A-time-to-make-friends-Polohemden, die einen Hauch von Weltjugendtag unter der Fuchtel der angeblich so kühlen FIFA versprühten. Ich war neidisch auf die Ordner mit ihren orange-farbenen Westen und am allermeisten, als ich die Supervisor-Westen sah und ihre Träger auf Tretrollern herumfahren und mit den Funkgeräten hantieren. Ja, wenn man so eine Supervisor-Weste hat, dann muss man sich nicht einmal mehr schämen, auf einem Tretroller zu fahren. Neid, Neid, Neid. Und dann musste ich auch noch den ganzen Weg zurücklaufen zum Hornbach-Kundenparkplatz, denn ich hatte mich ja nicht getraut, mein Auto woanders hinzustellen. So wie die Kamerateams und Reporter die kreuz und quer in den Einfahrten parkten und sicher Berichte drehten, in denen der Satz „Es werden noch die letzten Vorkehrungen getroffen.“ auftaucht. Ich glaube, ich habe auch Mundstuhl gesehen. Aber was soll’s, Deutschland soll sich ja präsentieren, wie es ist, während dieser Weltmeisterschaft. Weltoffen, freundlich und sicher auch ab und zu mal neidisch. Das letzte kann ich schon ganz gut. Außerdem ist das eine gute Art von Neid, glaube ich, so eine, die sagt: Schön kann das Leben sein, wenn man in der Supervisor-Weste ums Stadion düst. Morgen fahr ich noch mal zur Allianz-Arena und klettere über den Zaun.