Hier notieren jetzt-Redakteure, was sie in dieser Woche entdeckt oder wiederentdeckt haben. Heute: Das staubige Kinderspielzeug.
jakob-biazza
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Es fing mit Chilly Gonzales an, was ja selten ganz schlecht ist. Vor ein paar Wochen in der Münchner Philharmonie, Halbzeit des Konzertes: Der Pianist schwitzte bereits schwer und war auf alle erdenklichen Arten derangiert, die Morgenmantel und Pantoffeln als Bühnen-Outfit zulassen.
Er hatte schon Solo-Pianostücke gespielt, zur Begleitung des Kammerorchesters gerappt und sein Stand-up-Programm durchgezogen. So bekannt, so großartig. Aber jetzt spielte er den Song "Othello" - allerdings nicht auf dem Klavier, sondern mit etwas, das ich aus Kindertagen kannte, aber nicht benennen konnte: "Hand-Crank Music Box" nannte er es auf Englisch, was sich, wie ich jetzt weiß, mit "Spielwerk mit Handkurbel" oder "Mini-Drehorgel" übersetzt; eine Walze mit winzigen Noppen drauf, die beim Drehen Klangstäbe anzupfen und so eine Melodie spielen. In diesem Fall: acht Takte. Leiernd. Rhythmisch nie ganz exakt. Etwas verstimmt war das Teil ebenfalls. Aber eben auch: wundervoll.
Die Dinger waren am Merchandise-Stand sofort weggekauft. Also bestellte ich eins im Internet, für acht Euro. Heute erklingt es tatsächlich mehrmals die Woche bei mir daheim, im Turnus mit einem beachtlichen Sortiment an weiteren Mini-Drehorgeln, die ich nach Jahrzehnten der Missachtung aus meinen Schubladen getaucht habe: "Für Elise", "Die Internationale", "Ode an die Freude". Meistens zur Entspannung. Ich habe mir nämlich im Kaufrausch auch gleich noch ein Gonzales-Klavierbuch bestellt - das mich pianistisch heillos überfordert. Also Vorsicht: Wiederentdeckungen sind toll, können aber viel Arbeit machen.