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Künstlerselbsthilfe
Vor etwas mehr als zehn Jahren machte der amerikanische Jurist Lawrence Lessig in Stanford eine Idee publik, die viele für unrealistisch hielten. Lessig hatte die Situation im Urheberrecht analysiert und war zu dem Schluss gekommen: In einer Welt, in der jeder zum Urheber werden kann, braucht man alternative Lizenzierungsmodelle zu den strikten Vorgaben - "Alle Rechte vorbehalten" - des Urheberrechts klassischer Prägung. Gemeinsam mit Unterstützern begründete Lawrence Lessig die sogenannte Creative-Commons-Idee (CC). Dabei handelt es sich um eine besondere Form der Lizenzierung, bei der Künstler besondere Nutzungsformen zulassen können - mit dem Ziel, ihre Werke stärker zirkulieren zu lassen als dies mit klassischen Lizenzen möglich wäre ("Einige Rechte vorbehalten").
Ein C mit drei Strichen: Das Logo steht für die "Cultural Commons Collecting Society"
Im vergangenen Winter feierte die Creative-Commons-Bewegung ihren zehnten Geburtstag. Von Stanford aus ist die Bewegung gewachsen: Sogar das Weiße Haus stellt mittlerweile Dokumente unter CC-Lizenz ins Netz, Musiker und Schriftsteller wie der kanadische Autor Cory Doctorow experimentieren seit Jahren erfolgreich mit diesem Modell. All das geschieht abseits der Hauptkampfplätze des Urheberrechts-Streits in den Medien. Die Idee der CC-Lizenzen setzt nicht auf Lautstärke und Lobby, sondern auf eine praktische Alternative.
Von Trier, nicht von Stanford aus soll dieses Modell jetzt auf die nächste Ebene gehoben werden: Die "Cultural Commons Collecting Society" (C3S) will eine Verwertungsgesellschaft gründen, bei der auch Musikstücke zugelassen sind, die unter CC-Lizenz veröffentlicht wurden. Die C3S versteht sich als "faire Alternative" zur Gema. Das ist die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte, die seit Monaten in immer neuen Debatten steht: Angefangen von der Frage, warum gewisse Clips auf YouTube nicht gespielt werden bis zur Reform der Tarife für Musik-Clubs, die von ihr lizenzierte Musik spielen - stets wird der Gema vorgeworfen, nicht angemessen auf die neuen digitalen Realitäten zu reagieren. Doch von C3S-Gründer Wolfgang Senges aus Trier ist kein böses Wort über die Gema zu hören. Er glaubt nicht daran, dass die Gema sich im Sinne einer digitalen Musikwirtschaft ändern wird und kann. Deshalb ist er überzeugt: "Wir brauchen eine zweite, faire und flexible Verwertungsgesellschaft. Selbst Mitglieder in der Gema tun sich aufgrund der Mitgliederstruktur schwer, Dinge zu bewegen." Er glaubt: "Alleine die Möglichkeit einer zweiten Verwertungsgesellschaft für Musik sorgt für eine lange benötigte Bewegung im Markt."
Denn bisher sind die Lizenzierungsmodelle von Lawrence Lessig und die Ideen der deutschen Gema nur schwer zusammenzubringen. Die C3S will beide Welten versöhnen, erklärt Senges: "Einerseits die Sicherheit einer Verwertungsgesellschaft, die mir als Musiker die Integration in den Musikmarkt bietet; andererseits aber auch die Freiheit zu entscheiden, welche meiner Werke ich unter welchen Lizenzen veröffentlichen möchte." Das alles will die C3S sehr viel demokratischer lösen als die Gema, bei der lediglich fünf Prozent der Mitglieder das volle Stimmrecht haben.
Die Idee einer alternativen Verwertungsgesellschaft, die Zweitnutzung musikalischer Werke für Künstler regelt, gibt es seit Jahren, doch seit Kurzem ist sie sehr konkret: Das Team um Wolfgang Senges hat am 14. Juli ein Crowdinvesting-Projekt gestartet und einen Weg vorgezeichnet, wie C3S Wirklichkeit werden kann. Dazu braucht die "Initiative ohne juristische Form" - wie sie sich offiziell noch nennt - Mitglieder und Geld. Denn nur wenn mindestens 3000 Musiker zusagen, Werke über die neue Verwertungsgesellschaft lizenzieren zu wollen, kümmert sich das zuständige Marken- und Patentamt überhaupt um den Antrag auf Zulassung einer neuen Verwertungsgesellschaft.
Zusätzlich sind Geldmittel nötig, um die Infrastruktur für die neue Verwertungsgesellschaft aufzubauen - mindestens 50000 Euro. Bis Ende September wird das Geld über startnext.de/c3s eingesammelt, seit dem Start sind schon etwa 31000 Euro zusammengekommen. Die C3S will eine europäische Genossenschaft werden und am 25. September auf dem Reeperbahnfestival in Hamburg eine neue Verwertungsgesellschaft gründen - keine, die auf Lautstärke und Lobby setzt, sondern auf eine praktische Alternative.
Die bisher konkurrenzlose Gema verfolgt die Entwicklung sehr genau. Schon im vergangenen Jahr informierte sie ihre Mitglieder sehr sachlich über die C3S-Pläne und kam zu dem Schluss: "Die Aufgaben einer Verwertungsgesellschaft sind extrem komplex und aufwendig. Daher lässt sich schwer voraussagen, wie erfolgreich C3S sein wird." Diese Einschätzung hätte man vor zehn Jahren auch über die Creative-Commons-Bewegung treffen können.
Text: jetzt-Redaktion - Text: Dirk von Gehlen; Foto: Screenshot