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Wahlkolumne (Folge 8): Fünf Euro auf die große Koalition
Im Gegensatz zu meinen Schulfreunden wollte ich niemals Kamerakind bei „Eins, Zwei oder Drei“ sein. Zuviel Aufmerksamkeit, zu viel Gelegenheit, sich zum Deppen zu machen.
Nachdem vor zwei Wochen die jüngste Folge dieser Kolumne erschienen war, rief das ZDF an. Ob ich Lust hätte, nach Berlin zu kommen und bei „zdf log in“ über meine Kolumne zu sprechen. Äh, ja… äh… nein… auf keinen Fall… oder doch? Frei sprechen vor laufender Kamera? Eine Horrorvorstellung. Das liegt mir nicht. Zu groß ist die Angst, zum nächsten Youtube-Klickwunder zu werden. Ich bin dann doch hingeflogen, trug extra ein weißes Shirt, damit man meine Chiemsee-großen Schweißflecken nicht sehen konnte, und lauschte angestrengt dem Wortgefecht zwischen Florian Pronold, dem stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der SPD im Bundestag, und Armin Laschet, einer der stellvertretenden Bundesvorsitzenden der CDU.
Florian Pronold habe ich schon vor der Sendung backstage kennengelernt. Ich mag ihn und seine joviale niederbayerische Art, er kann dem ganzen Politikzirkus irgendwie Humor abgewinnen. Seine Argumente sind okay, aber nicht wirklich populär. Während der Sendung können User via Twitter, Facebook und Co. Fragen an die zwei Herren stellen oder deren Standpunkte kommentieren. Einer bringt es ganz gut auf den Punkt: Die SPD zeige, dass man die Allgemeinheit über das Ich stellen muss – auch wenn einen persönlich Steuererhöhungen nerven, seien sie trotzdem nötig. Das klingt total unsexy, aber vernünftig. Wäre in diesem Moment Wahl, ich würde Rot ankreuzen, denn ich würde mich dann als besserer Mensch fühlen. Der Allgemeinheit helfen und so.
Armin Laschet verkauft sich ganz anders als Florian Pronold, er feuert wortgewandt gegen Steuererhöhungen. Er hat was von einem Mathelehrer, wirft viel mit für mich in diesem Moment nicht überprüfbaren Zahlen um sich. Trotzdem klingt alles sehr ähnlich, die Unterschiede zwischen den jeweiligen Parteiprogrammen sind marginal – bis auf die Steuersache. Und ständig beschwert sich Pronold darüber, dass die CDU abgeschrieben habe, zum Beispiel bei der Mietpreisbremse. Was keiner der Kontrahenten und wahrscheinlich auch keiner der anderen SPD- und CDU-Politiker da draußen wahrhaben – oder zugeben – will: Wenn eh beide Parteien in so vielen Bereichen das Gleiche wollen und die eine das ins Wahlprogramm übernimmt, was die andere ebenfalls fordert, wäre eine große Koalition doch prima. Man würde sich nicht künstlich gegenseitig blockieren, sondern es ginge endlich was voran. Vielleicht liebäugeln die beiden eh schon damit und wollen sich deshalb nicht so richtig an den Karren fahren. Vielleicht geben die Mehrheitsverhältnisse nach der Wahl ohnehin keine andere Koalition her und sie müssen sich zwangsläufig miteinander arrangieren. Vielleicht ist es also völlig gleich, wen ich wähle?
Nach der Sendung sitzen wir alle bei einem Bier im ZDF-Foyer rum, jedem steht ins Gesicht geschrieben, wie angespannt er die letzten 60 Minuten war. Und hurra, ich kassiere seit Kolumnenbeginn die erste klare Antwort auf eine Frage. Von der CDU in Form von Herrn Laschet: Ich frage ihn, warum das CDU-Parteiprogramm mit über 130 Seiten wieder so lang geworden ist. Ob man sich da nicht mal kürzer und konkreter fassen könnte. Das liege einzig am Wahl-O-Mat, erklärt er, der für viele wahlentscheidend sei. Das Parteiprogramm wird penibel vertaggt, quasi suchmaschinenoptimiert. Die Suchmaschine ist der Wahl-O-Mat und die soll nach Wunsch der Parteistrategen bitte möglichst zu jedem Thema die richtige, also die eigene Partei ausspucken, angefangen vom Naturschutz bis zur Mütterrente. Damit hätte man gar nicht gerechnet, wo das Internet doch für die CDU eigentlich Neuland ist. Florian Pronold stimmt ihm zu. Da müsse eben für jeden Wähler das richtige Schlagwort dabei sein, deshalb kümmerten sich da auch bei der SPD Suchmaschinen-Profis drum. Die beiden sind sich vollkommen einig. Wie das nach großer Koalition riecht! Ich wette fünf Euro drauf.
Text: michele-loetzner - Illustration: katharina-bitzl