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Zwei linke Hände
Es ist wieder einer dieser Momente, die ich fürchte: Meine Frau steht vor mir und verkündet, dass sie neue Vorhänge im Schlaf- und Wohnzimmer anbringen will. Das bedeutet, dass neue Gardinenschienen oben an der Decke angebohrt werden müssen. Eine Aufgabe, die gemeinhin Männer übernehmen. Also ich. Leider bin ich für so etwas vollkommen ungeeignet, da ich zwei linke Hände habe. Wenn ich versuche, ein Loch in die Wand zu bohren, ist danach die halbe Wand weg. Wirklich. Kompliziertere Sachen wie Laminat verlegen, Leitungen erneuern oder Ähnliches würde ich nie im Leben anpacken. Meine Frau möchte ja, dass die Wohnung stehen bleibt. Für handwerkliche Tätigkeiten habe ich einfach kein Talent. Theoretisch kann ich ganze Einbauküchen passgenau und winkelgerecht an ihrem jeweiligen Platz aufbauen. Praktisch jedoch wird es schon schwierig, nur die Küchenlampe ohne Stromschlag halbwegs gerade anzubringen. Eine Leuchte bin ich eben nur im drüber reden, nicht im machen.
Als meine Frau mich kennenlernte, ging sie natürlich selbstverständlich davon aus, dass ich ein normaler Mann bin. Einer, der gerne bastelt und stundenlang an irgendetwas rumfrickelt, der Schränke im Null-Komma-Nix zusammenbaut oder kleine Schäden an elektronischen Geräten selbst behebt. Leider weit gefehlt. Der Zusammenbau von Möbeln ist regelmäßig mit Schreikrämpfen und Verzweiflung verbunden. Mir fehlen das Geschick und die Geduld dafür. Zwar stehen die Dinger irgendwann, aber es kostet eben sehr viel Nerven. Und oft ist nicht nur das Möbelstück, sondern auch der Haussegen schief. Zu Weihnachten schenkte mir meine Frau daher ein Buch: „Do-it-yourself für Frauen". Das Wort Frauen hatte sie überklebt und stattdessen meinen Namen eingesetzt: „Do-it-yourself für Alfis" stand da nun. Das Werk erklärt Frauen in einfachen Schritten wie man bohrt, streicht oder beizt. Ehrlich gesagt hat mich das Buch schon in meiner eher diffusen Männerehre verletzt. Oder es zeigte mir noch mal den Zwiespalt auf, in dem ich mich als Mann befinde: Einerseits habe ich irgendwann eingesehen, dass ich kein Handwerker bin und das ist auch okay für mich. Andererseits setzt mich die Gesellschaft (und ich mich selbst) unter Erwartungsdruck. Denn bei Männern wird vorausgesetzt, dass sie handwerkliches Geschick mitbringen.
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Manchmal wünsche ich mir, ich hätte mehr von der Hobbythek-Legende „Jean Pütz". Nicht unbedingt den Schnäuzer, aber so dieses frei Schnauze mal Dinge in die Hand nehmen und machen. Ohne Angst. Der Urvater der DIY-Bewegung erklärte in fröhlicher Art wie man Bier selbst braut oder zeigte wie man richtig verputzt – also nicht selbstgemachtes Brot, sondern Wände. Ein weiteres – für mich unerreichbares – Idol ist natürlich der US-Serienheld MacGyver: Der bastelt aus dem Inhalt einer Damenhandtasche im Handumdrehen einen Kampfpanzer zusammen. Der würde sogar aus einem Holzbein und einer Augenklappe ein Parteiprogramm für die Piraten bauen. Das ist eine Leistung. MacGyver ist so ungefähr das Gegenteil von mir: Ich hätte schon Schwierigkeiten, die Handtasche zu öffnen. Er hingegen ist von dieser unglaublichen Zuversicht angetrieben, die jedem passionierten Hobby-Handwerker zu eigen ist: Das kann ich, das ist kein Problem. Wie sehr würde ich mich über so viel Optimismus freuen. Stattdessen regiert die Verzagtheit: Ich gehe bestimmten Aufgaben gerne aus dem Weg. Bilder aufhängen ist für mich eine Strafe, einen neuen Duschkopf anschrauben eine Art Wasserfolter und überhaupt: Alle Räder stehen still, wenn mein ungeschickter Arm es will. Um mal eines der berühmtesten Arbeiterlieder zu zitieren.
Ich befinde mich im typischen Zwiespalt des modernen Mannes: Alle reden zur Zeit von Postgender, aber oft nur im Hinblick auf Frauen. Was ist eigentlich mit uns Männern? In einer Gesellschaft, in der das Geschlecht keine Rolle mehr spielt, wären meine zwei linken Hände überhaupt kein Thema. Da würde meine Frau zum Vorschlaghammer greifen und mal eben die Zwischenwand raushauen. Ich könnte in der Zeit Stullen für die schwer arbeitenden Damen schmieren und mich mit den anderen anwesenden Jungs in der Küche darüber unterhalten, wo man die tollen neuen Schuhe eingekauft hat. Wenn ich dann die Salamibrötchen und das Bier zur Baustelle bringe, pfeifen mir die Mädels hinterher und bewundern meinen tollen Arsch. Aber das wäre ja dann wieder Post-Postgender. Es wäre eine Welt, in der es keinen Jean, sondern eine Jeanne Pütz gibt. Mit Damenbart. Wie man sich denken kann, bin ich ein Verfechter einer Welt ohne Gender-Quatsch: Frauen würden gar nicht mehr von mir erwarten, dass ich den Platten am Fahrrad repariere. Ein Traum. Gleichzeitig wird mir beim drüber nachdenken wieder bewusst, dass wir von einer Gesellschaft ohne Geschlechterrollen so weit entfernt sind wie die FDP von der fünf-Prozent-Hürde. Bis es also soweit ist, kommen erst einmal die Gardinenschienen an die Decke. Wenn die Decke danach noch existiert.