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Nachdem Robben den Elfmeter in der Verlängerung verschossen hatte, bin ich gegangen. Meine Kumpels, mit denen ich das Champions League Finale gegen Chelsea schaute, sahen mich fragend an: Wie kann man jetzt gehen? Für mich jedoch war in diesem Augenblick klar, dass Bayern München dieses Spiel dahoam" nicht mehr gewinnen würde. Ich setzte mich also auf mein Fahrrad und fuhr durch den lauen Frühlingsabend nach Hause. Eigentlich schön. Auf meinem Weg kam ich an vielen Kneipen vorbei, in denen Menschen komisch verrenkt saßen, die auf kleinere und größere Fernseher oder Leinwände starrten. Es lag eine ganz besondere Energie in der Luft. Eine Erwartung, wie sie nur der Fußball schafft. Eine Bereitschaft für totale Ekstase, die auf den Moment der Erfüllung wartete. Irgendwie waren das fast die schönsten Minuten des Finales für mich. Nicht das Spiel selbst zu sehen, sondern die Menschen, die sich das Spiel ansehen. Gespannt, verzweifelt oder immer noch hoffnungsfroh und zuversichtlich. Eine Zuversicht, die ich selbst nicht mehr hatte, während ich müde und ohne Energie in die Pedale trat, wie Robben gegen den Ball beim Elfmeterschuss.

Zum Elfer-Krimi war ich zuhause. Ich schaltete den Fernseher jedoch nicht mehr ein, sondern verfolgte über Twitter, wie das Drama sein Ende nahm. Ich fühlte einfach, dass es diesmal nicht klappen würde. Erst hielt Neuer und verwandelte sogar einen Elfmeter, dann versagten Olic und Schweinsteiger. Die Bayern hatten verloren. Irgendwo in der Nachbarschaft schrie einer vor Freude, als Drogba den entscheidenden Strafstoß verwandelte. Sofort danach meldete der Twitter-Kanal der britischen Boulevard-Zeitung The Sun", dass der FC Chelsea die Champions League gewonnen hatte. Kurz danach auch der etwas behäbige Kicker. Chronische Bayern-Hasser machten sich mit hämischen Kommentaren über den Verein lustig. Ich schaltete frustriert das iPhone ab und war einfach nur traurig über so viel Ungerechtigkeit. Die Bayern hatten das Spiel klar dominiert und die Engländer im Grunde nur Anti-Fußball geboten. Aber so ist das nun mal.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Die Bayern geschlagen von Chelsea, dem Team, das eigentlich gar nichts gemacht hat.

Es gewinnen nämlich im Fußball oder im Leben nicht immer die, die hart arbeiten und mehr investieren als andere. Ich habe es im Berufsleben schon oft erlebt, dass es besser ist, nichts zu machen. Denn wer nichts macht, macht auch weniger falsch. Und da sich im Job eigentlich alle nur daran erinnern können, was man nicht gut erledigt hat, ist weniger Aktion oft mehr. Man kann zehn Mal ein Projekt hervorragend abwickeln und einmal nicht. Der Chef wird sich nur an das eine Mal erinnern, als der Kunde nicht zufrieden war. Vor allem dann, wenn man mit ihm über eine Gehaltserhöhung reden will. Besonders dann. In dem Sinne hat Chelsea alles richtig gemacht: Sie haben nichts zum Spiel beigetragen und dadurch gewonnen. Die Londoner haben das Finale in bester Angela Merkel Manier ausgesessen. Wir weit man mit Aussitzen kommen kann, sieht man ja an unserer Bundeskanzlerin am besten. Sie hat sehr gute Umfrage- und Beliebtheitswerte. Gerade weil sie im Moment nicht besonders viel macht. Ein gutes Beispiel dafür ist auch der jeweils amtierende Außenminister. Der schüttelt fröhlich in aller Herren Länder Hände, ist aber an keine Entscheidungen mit innenpolitischer Auswirkung beteiligt und schon mögen ihn die Wähler. Mit Chefs und ihren Angestellten ist es ähnlich: Nicht aufzufallen ist eine probate Strategie, um in Firmen hochzukommen. Ich habe das schon oft erlebt. Die unsichtbaren Chamäleon-Kollegen haben höhere Überlebenschancen bei Umstrukturierungen und Anpassungen", die Aussitzer nehmen irgendwann auf dem Chefsessel Platz. Einfach in Todesstarre verfallen, damit retten sich auch Käfer vor Fressfeinden.

Insofern hatte Röttgen lange Zeit alles richtig gemacht: Die meiste Zeit hörte man nichts von ihm. Er war Anpassungsfähig und machte keine größeren Schwierigkeiten. Dann aber lag er im Wahlkampf zu oft daneben und schwupps: Aus dem Vorzeigeminister wurde im Handumdrehen ein Versager, der die Energiewende nicht managen kann. Okay, wenn man ehrlich ist, kann man an diesem Mammut-Projekt wahrscheinlich schnell scheitern. Aber nur, wenn man den Mund zu weit aufreißt und nicht an die goldene Regel denkt: Nur keine Aktion ist eine gute Aktion. Und bitte nicht Mutti der Chefin auf die Nerven gehen. Norbert Röttgen empfindet das bestimmt als ungerecht, er wollte doch alles richtig machen. Aber das war schon der Fehler: machen. Oft ist es eben besser abzuwarten und zu schauen, wie sich die Dinge entwickeln. Ein Großmeister des Überlebens durch Anpassung war Charles-Maurice de Talleyrand-Périgord. Der schaffte es, sowohl während der französischen Revolution, dann unter Napoleon und auch nach der Herrschaft des Korsen, die Außenpolitik Frankreichs zu bestimmen. Wahnsinn.

Chelsea war also der perfekte Talleyrand auf dem Platz: Sie warteten in der ersten Hälfte, in der zweiten Hälfte und in der Verlängerung einfach ab. Bis es zum Showdown kam. Die Münchener Angriffe verpufften wie die Angriffe der Koalitionstruppen auf Frankreich in Zeiten der Schreckensherrschaft von Robespierre. Vielleicht schweife ich zu weit ab, aber ich bin noch heute total frustriert. Leistung muss sich wieder lohnen heißt es so oft, aber sie wird in vielen Fällen gar nicht belohnt. Im Berufsleben nicht, in Beziehungen sowieso nicht (warum stehen Frauen eigentlich immer auf Arschlöcher?) und was da in der Allianz Arena passierte war einfach ein Trauma. Bevor ich an diesem Abend des Finales ins Bett ging, schrieb ich zur Frustbewältigung noch eine Tweet: Warum rasiert sich Ui Hoeneß nicht den Hintern? Dann hat er den Po kahl." Ich habe übrigens auch deswegen schlecht geschlafen. Aber macht nichts. 

Text: alf-frommer - Foto: dapd

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