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Christine Lüders von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes im Interview
Alle reden über "die Rechten". Aber was ist heute eigentlich "rechts"? Und wann müssen wir etwas dagegen tun? Wir suchen in dieser Serie nach Antworten.
Christine Lüders ist Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, einer Beratungsstelle für Menschen, die von Diskriminierung betroffen sind. Grundlage für die Stelle ist das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, das 2006 erlassen wurde und verhindern soll, dass ein Mensch wegen seiner Herkunft, seines Geschlechts, seiner Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, seines Alters oder seiner sexuellen Identität diskriminiert und benachteiligt wird.
jetzt: Frau Lüders, hat die Antidiskriminierungsstelle mehr zu tun, seit sich die Stimmung in der Gesellschaft gegen Flüchtlinge richtet?
Christine Lüders: Schon seit einiger Zeit beobachten wir eine steigende Tendenz bei so genannten rassistischen Diskriminierungen. Auch Geflüchtete sind davon betroffen – etwa dann, wenn ihnen pauschal der Einlass in Diskotheken, Fitnessstudios oder zu Schwimmbädern verwehrt wird. In einer Zeit, in der immer mehr Menschen nach Deutschland kommen, wird die Zahl der Beschwerden mit Sicherheit weiter steigen.
In welchem Bereich gibt es denn die meisten rassistischen Diskriminierungen?
Vor allem auf dem Arbeitsmarkt – und hier oft beim Zugang zur Arbeit. Immer wieder hören wir etwa, dass Bewerbungen einfach unter den Tisch fallen, weil Menschen ausländisch klingende Namen haben.
Kann man beweisen, dass jemand deswegen keinen Job bekommen hat?
Das hat erst kürzlich wieder eine breit angelegte Studie nachgewiesen. Test-Bewerber haben sich dazu mit komplett gleicher Qualifikation bei Unternehmen beworben – mal mit türkischem, mal mit deutschen Namen. Die Bewerber mit deutschem Nachnamen mussten fünf Bewerbungen schreiben, um zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden, die mit türkischem Nachnamen dagegen sieben. Auch wir erleben immer wieder solche Fälle.
Haben Sie auch ein Beispiel, das nicht aus diesem Testlauf ist?
Wir hatten zum Beispiel einmal den Fall eines promovierten Ingenieurs, der einen arabisch klingenden Namen hatte. Er hat sich mehr als 150 Mal vergeblich auf einen Job beworben. Jetzt hat er eine hochdotierte Stelle in der Schweiz.
Wie viele Opfer melden sich im Jahr bei Ihnen – und wie viele davon haben Rassismus erfahren?
Seit 2006 haben wir etwa 14 000 konkrete Diskriminierungsfälle bearbeitet. Die meisten Anfragen kommen mit etwa 27 Prozent von Menschen mit Behinderungen, dicht gefolgt von Menschen, die wegen ihrer Herkunft Diskriminierung erleben, das sind etwa 25 Prozent.
Wie helfen Sie diesen Menschen?
Erst mal hören wir zu, lassen uns den Fall schildern, und prüfen, ob eine Diskriminierung vorliegt – also ob ein Mensch ohne sachlichen Grund und nur wegen seiner Herkunft benachteiligt wurde. Dann klären wir ihn über seine Möglichkeiten auf, dagegen vorzugehen.
Wie sieht das konkret aus?
Wir fordern beispielsweise von Unternehmen oder Diskotheken Stellungnahmen ein und versuchen zu vermitteln, verweisen aber auch auf die Möglichkeit zur Klage. Bei nachgewiesener Diskriminierung haben Betroffene Anspruch auf Entschädigung.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Haben Sie mit Ihrer Arbeit Erfolg?
Das hängt vom Einzelfall ab. Bei Diskriminierungen in Unternehmen können wir immer wieder gütliche Einigungen erreichen. Außerdem beobachten wir, dass Diskriminierungen vor Gericht immer ernster genommen werden. Eine Diskothek musste kürzlich einem abgewiesenen Mann eine gesamte Abendeinnahme als Entschädigung zahlen.
Und beim nächsten Mal macht das Unternehmen das Gleiche wieder...
Glauben Sie mir, wenn die erste Schadensersatzforderung gegen eine Disko da ist, dann macht die das so schnell nicht noch mal. Es gibt da schon einen Lernprozess. Für die Vorreiter, also die Diskriminierten und Kläger, ist es natürlich nicht ganz einfach, weil sie gegen einen Arbeitgeber oder gegen einen Club vorgehen müssen.
Wenn zum Beispiel ein Arbeitgeber einen Bewerber mit arabisch klingendem Namen ablehnt, muss man dann davon ausgehen, dass er offen rechts ist?
Nicht unbedingt. Es gibt Rassismus, den Menschen unterbewusst im Kopf haben, da kann man nicht immer gleich sagen, dass das Nazis sind – aber akzeptieren dürfen wir das trotzdem nicht.
Was tun Sie noch dagegen, außer Einzelfall-Beratung?
Wir haben zum Beispiel ein Pilotprojekt für ein anonymisiertes Bewerbungsverfahren gestartet – hier steht die Qualifikation im Vordergrund, nicht der Name oder die Herkunft. Vor allem ist es aber wichtig, dass die Menschen ihre Rechte gegen Diskriminierung überhaupt erst mal kennenlernen – und damit auch die Antidiskriminierungsstelle. Das versuchen wir über Pressearbeit, über Kampagnen, Veranstaltungen und Forschungsarbeit. Außerdem stärken wir bundesweit Beratungsnetzwerke, um flächendeckend Hilfe anbieten zu können.
Wie könnte ihre Stelle noch effektiver werden?
Opfer haben bisher nur zwei Monate Zeit, Ansprüche geltend zu machen, das ist die gesetzliche Frist. Wir appellieren deshalb an den Gesetzgeber, dass diese Frist verlängert wird. Und wir als Antidiskriminierungsstelle brauchen ein eigenes Klagerecht, um für die Opfer streiten zu können.
Muss von staatlicher Seite nicht noch mehr passieren?
Ja, auf jeden Fall! Diskriminierung muss klar benannt und Diskriminierer müssen zur Verantwortung gezogen werden. Es darf keine rechtsfreien Räume des Hasses geben – auch nicht im Internet.
Was ist Ihrer Ansicht nach die beste Methode als Zivilgesellschaft, sich gegen Rechts zu wehren?
Ich sage Ihnen, was die schlechteste ist: einfach wegzuschauen und Rassismus zu dulden. Das geht gar nicht! Stattdessen muss die Zivilgesellschaft, aber auch der Staat klare Kante zeigen – ganz egal, ob die Diskriminierung vom Nachbarn ausgeht, von einem Unternehmen, von einem Schützenverein oder einem Schwimmbad.
Was halten Sie von radikaleren Methoden gegen Rechts, wie zum Beispiel durch die Antifa?
Grundsätzlich finde ich es gut, wenn junge Menschen sich gegen Rassismus engagieren – ob in Vereinen, Parteien oder auf der Straße. Radikale Methoden und Gewalt müssen dabei aber immer tabu sein.