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Im Warenkorb: Video Kings – wenn aus Trash Müll wird

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Am Ende des Films tritt Regisseur Ali Eckert vor das Kinopublikum und sagt in fünf Minuten 25 mal das Wort „Kohle“. Gehabt hätten sie keine, deswegen hätte die Produktion so lange gedauert: „Aber hey, war einfach eine Herzensangelegenheit und superdanke an Till, dass er ganz ohne Kohle mitgemacht hat, ist ein echter Punkfilm geworden.“ Mit Till ist Till Schweiger gemeint und mit Punkfilm etwas, das gerne und endlich mal wieder ein deutscher Kultfilm sein möchte. Er heißt „Video Kings“ und wurde so sehr ohne Kohle auf die Beine gestellt, dass es nicht mal Plakate gibt. Leider und so nett es andersherum wäre: Es ist trotzdem kein Kultfilm und auch kein Punkfilm. Regisseure haben das offenbar noch nicht verstanden aber etwas, dass schon bei der Premiere als Kult eingestuft wird, wird es nie. Und schon gar nicht, wenn Till Schweiger mitspielt. Dessen zehnminütiger Auftritt, in dem er mit den Komikern von Badesalz (!) witzelt (!!), markiert die mit Abstand ödeste Stelle des ganzen Films. Der dreht sich um die verrückten Erlebnisse zweier Berlin-Loser in einer abgerockten Videothek. Weil das ganze ein Kultfilm werden soll, sind die Loser sympathisch. Der sympathische Berlin-Loser-Typ gehört nämlich seit „Herr Lehmann“ zum zwingenden Inventar einer deutschen Indiekomödie. Man erkennt ihn daran, dass er viel Bier trinkt und dabei sinniert, Probleme mit den Frauen hat und von Fabian Busch gespielt wird (alles erfüllt). Wichtig ist dann nur noch, dass der wahnsinnig lustige Name Horst vorkommt (erfüllt), dass die Traumfrau einen Macker hat, der im Porsche vorfährt (erfüllt), dass der sympathische Loser ständig nervtötende Utopie-Sequenzen erlebt, in denen er sich als Rambo, Westernheld etc… erträumt (erfüllt). Und dass es eine trottelige Szene im Himmel gibt (erfüllt, mit Badesalz und Till). Wenn sich dann noch mal jemand im Schrank verstecken kann und zwei Fäkal-Runnig-Gags im Drehbuch stehen (hier: Kotzen und kacken) ist alles für extremen Frohsinn und Kultverdacht getan. Komödien solcher Rezeptur laufen aber, nebenbei gesagt, auch schon als Eigenproduktionen bei Pro7 und heißen dann „No Sex and the City“ oder so.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Das sind die Loser. Der linke heißt Horst. (Foto: videokings.de) Das Problem bei „Video Kings“ ist nicht nur dieses öde Fundament, der Film schafft es auch beide Ziele zu verfehlen, die er aus der bescheidenen Ausgangslage noch erreichen könnte. Denkbar wäre erstens: Ein Film in dem wirklich nichts passiert außer lustigem Slacker-Alltag, gespickt mit lockern Sprüchen und ein paar guten Typen. Muss nicht klappen, hätte aber immerhin Chuzpe. Oder zweitens (wie etwa bei „Bang Boom Bang“ oder „Bube Dame König Gras“): Eine funktionierende Geschichte wird noch auf die Trash-Kulisse und -Stereotypen gelegt und davon profitieren beide. Die Slacker kriegen was zu tun und die Geschichte bekommt einen trashigen Rahmen. Beides geschieht nicht. Die Rahmenhandlung ist eine Liebesgeschichte einfachster Denkart (Ärger mit der alten Freundin, die tolle Nachbarin wird, nach etwas HinundHer, die neue Freundin). Und selbst dabei wird schlampig gearbeitet: Der Porsche-Freund der Traumfrau verschwindet im Nichts, ihr Job als Sextelefonistin, über den sich die Jungs in der erste Hälfte des Films unermüdlich beömeln, wird später plötzlich überhaupt nicht mehr thematisiert, sie merkt nicht, dass ihr die Jungs ein Loch in die Wand bohren, undsoweiter… . Das ist nicht Punk, das ist ärgerlich. Das ganze atmet zusätzlich einen 90er-Jahre-Geist, der noch nicht kultig sondern irgendwie nur alt wirkt. Fabian Busch trägt immer ein Longshirt unterm T-Shirt, Menschen wie Badesalz treten auf und ein Punk (gespielt von Bela B.) klaut Autoradios. Gelegentlich muss man trotzdem lachen, vor allem in der Szene mit Oliver Korittke, der natürlich auch dabei ist. Aber die meiste Zeit hat man Angst, dass gleich noch Oliver Pocher als Rocker zur Tür reinkommt. Aber der wollte offenbar Kohle. Zum Glück. „VideoKings“ läuft ab September nacheinander in verschiedenen deutschen Städten. Informationen unter videokings.de

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