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Wahlkampf-Accessoire: die Politiker-Wurst

Foto: Oliver Berg / dpa

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Es gibt Dinge, mit denen sich wahlkämpfende Politiker besonders gerne zeigen oder von denen sie besonders oft umgeben sind. Bratwurst, Werkshelm, Luftballons: Warum gibt es sie, was symbolisieren sie und wie gehen die Staatsmänner und -frauen mit ihnen um? Im Bundestagswahljahr 2017 widmet sich unsere stilkritische Kolumne den typischen Wahlkampf-Accessoires.

Was kann das Accessoire?

Wurst und Brot gelten als sehr „deutsche“ Lebensmittel (und werden mit diesem Label auch gerne im Ausland verkauft). Wer also eine Bratwurst isst, der bekennt sich zu seinem Land. Aber weniger auf einer symbolisch-nationalistischen Ebene als auf einer, die man wohl „volksnah“ nennen muss: So gut wie jeder, der in Deutschland lebt, hat schon mal eine Bratwurst gegessen oder jemanden gesehen, der eine Bratwurst isst, oder ist an einem Bratwurststand in der Fußgängerzone oder auf dem Jahrmarkt vorbeigekommen. Die Bratwurst ist weder nord-, noch süd-, weder ost-, noch westdeutsch, sondern in wirklich jeder Region Deutschlands verbreitet und überall so allgegenwärtig, dass niemand ihr aus dem Weg gehen kann. Auch eine Vegetarierin oder ein praktizierender Moslem, der kein Schweinefleisch isst (denn die Standard-Bratwurst ist natürlich aus Schwein), kennt sie. 

Darum wirkt das Bild eines deutschen Politikers mit einer Wurst immer gleich vertraut, egal wie unvertraut einem der Mensch mit der Wurst ist. Niemand wird draufschauen und sich denken: „Was zur Hölle isst der/die denn da?“ Sondern jeder wird sofort die Wurst erkennen und viele werden im nächsten Schritt diese sehr deutsche „Samstagnachmittage in der Fußgängerzone“-Szene vor sich sehen: angenehmes Frühlingswetter, Menschen, die sich mit Einkaufstüten von Kaufhof, Douglas und H&M gegenseitig ausbremsen und über allem der Geruch von Bratwurst, der von einer Bude kommt, an der drei Menschen anstehen und neben der ein weißer, runder Stehtisch darauf wartet, von niemandem benutzt zu werden. Wenn Angela Merkel ihre Wurst isst, vergisst man als Betrachter schnell mal, dass um sie herum nicht Menschen mit Einkaufstüten stehen, sondern Personenschützer, und sie wird ein kleines bisschen mehr zu „einer von uns“.

Von der Volksnähe, die die Wurst suggeriert, wollen natürlich viele Politikerinnen und Politiker profitieren. Darum gibt es von sehr, sehr vielen von ihnen Fotos mit Wurst. Vor einigen Jahren hat der Autor und Musiker Constantin Alexander angefangen, solche Fotos auf dem Tumblr „People biting into Bratwurst“ zu sammeln – und hat daraufhin analysiert, welche Bedeutung „volkstümliche Lebensmittel“ im Wahlkampf haben. Damit erregte er einiges Aufsehen: Er wurde von verschiedenen großen Medien interviewt (u.a. vom BR und der Taz) und sogar für den Virenschleuder-Preis nominiert.

Wo lauert Gefahr?

Niemand kann würdevoll eine Wurst essen. Und Wurst essende Politiker, die dabei auch noch scharf beobachtet und fotografiert werden, haben es natürlich besonders schwer. Meist beugen sie sich unbeholfen nach vorne, um ihre feinen Klamotten nicht mit Fett oder Senf zu bekleckern, und über die Assoziation, die Würste zwischen Lippen hervorrufen können, müssen (und sollten) wir gar nicht erst sprechen. Aber gut, da muss der Mensch „von da oben“ eben mal beweisen, dass er immer noch essen kann wie „wir hier unten“. Besser unelegant und ein bisschen Fellatio-mäßig als dass die Wurst mit Messer und Gabel gegessen wird. Denn was dem amerikanischen Kandidaten das fettige Stück Pizza ist, das unbedingt mit der Hand gegessen werden muss, das ist dem deutschen Kandidaten die Bratwurst, die auch unbedingt mit der Hand oder maximal im Brötchen gegessen werden muss. Plastikpiekser für die Currywurst ist auch noch zulässig, alle anderen Hilfsmittel sind verboten. Die Serviette danach sollte aber gestattet werden, damit der Staatsmann oder die Staatsfrau sich nicht vor laufenden Kameras die Finger ablecken muss. 

So lässt es die Wahlkämpfer im besten Fall aussehen:

Und so im schlechtesten:

Und wer hat es bisher am besten genutzt?

merkelwurst oliver berg

Angela Merkel im Wurst-Wahlkampf-Modus, hier im September 2009.

Foto: Oliver Berg / dpa

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