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Der Werkshelm im Wahlkampf

Foto: Bodo Schackow / dpa

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Es gibt Dinge, mit denen sich wahlkämpfende Politiker besonders gerne zeigen oder von denen sie besonders oft umgeben sind. Bratwurst, Werkshelm, Luftballons: Warum gibt es sie, was symbolisieren sie und wie gehen die Staatsmänner und -frauen mit ihnen um? Im Bundestagswahljahr 2017 widmet sich unsere stilkritische Kolumne den typischen Wahlkampf-Accessoires.

Was kann das Accessoire? 

In erster Linie natürlich: den Politiker-Schädel und das darin eingeschlossene Politiker-Hirn schützen. Das ist aber nur der ganz banale „Hier müssen Sie einen Helm aufsetzen, das ist Vorschrift“-Grund. Viel wichtiger ist, dass Staatsmann und Staatsfrau mit dem Helm allen anderen in ihrer aktuellen Umgebung etwas ähnlicher sehen – aber eben nur ein bisschen.

Politiker machen ja gerne Visiten, um zu beweisen, dass sie sich für die Interessen einer großen Wählergruppe starkmachen: die der Arbeitnehmer. Bundeskanzlerin Angela Merkel zum Beispiel war kurz vor der Landtagswahl in Schleswig-Holstein in einer Bonbon-Fabrik und besonders wichtig war, dass dabei Bilder entstehen, auf denen sie selbst Hand anlegt. Man sah also Frau Merkel mit leuchtend grünen Gummihandschuhen etwas unsicher leuchtend gelbe Bonbonmasse betasten, während der schleswig-holsteinische CDU-Spitzenkandidat Daniel Günther danebenstand. Botschaft: Merkel fühlt sich ein. Merkel schätzt die Arbeit, die hier gemacht wird. Aber Merkel weiß und zeigt auch, dass die, die hier angestellt sind, es viel besser können als sie.

Mit dem Werkshelm ist das ähnlich. Beim Besuch auf der Großbaustelle oder im Abwasserwerk tragen Politiker meist nur dieses eine – allerdings sehr auffällige – Accessoire. Er zum Anzug, sie zum Hosenanzug, in Ausnahmefällen kombinieren sie das Ganze mit Gummistiefeln. Nur sehr selten läuft der Besucher oder die Besucherin in voller Arbeitsmontur, mit Stahlkappenschuhen und Overall ein (auch Merkel trug in der Bonbonfabrik nur die Handschuhe, nicht aber Schütze und Haarnetz – Sigmar Gabriel hingegen wurde schon öfter in Overalls gesichtet). Zum einen, weil die Sicherheitsstandards das meistens nicht vorgeben, zum anderen, weil es eins drüber wäre. Staatsmann oder Staatsfrau muss ja auch die Rolle wahren. Der Helm signalisiert: „Ich bin jetzt hier und lasse mir von euch erklären, wie es läuft.“ Der (Hosen-)Anzug signalisiert derweil, dass sich der Mensch mit Helm nicht anmaßt, einer der Arbeitnehmer zu sein. Er ist eindeutig „nur“ jemand, der sich für sie interessiert. (Hosen-)Anzug und Werkshelm ist damit eine Art volkszugewandte, aber anti-populistische Wahlkampf-Uniform. 

Gegenprobe: Die Kampagne des nordrhein-westfälischen AfD-Politikers (und Ex-SPD-Mitglieds) Guido Reil. Der warb auf seinem Wahlkampf-Minibus mit der (ur-sozialdemokratischen) Liedzeile „Der Steiger kommt“ – und daneben mit einem Foto von sich selbst mit Werkshelm, Grubenlampe, Overall und dreckigem Gesicht. Gut, dazu muss man sagen, dass Herr Reil wirklich Bergarbeiter ist. Aber dagegenhalten kann man, dass die Gewerkschaften ihn für seine Kampagne scharf kritisiert haben – die AfD sei alles andere als arbeitnehmerfreundlich und habe Betriebsräte und Gewerkschaften in ihrem Wahlprogramm nicht mal erwähnt.

Wo lauert Gefahr? 

Für alle mit Frisur droht der Verlust derselbigen (weshalb die stets gut geföhnte Angela Merkel den Helm meist möglichst weit oben auf dem Kopf trägt). Und natürlich kann es auch passieren, dass dem Helmträger oder der Helmträgerin Kopfbedeckungen generell nicht so gut stehen, was dann zu wenig schmeichelhaften Pressefotos führt. Ansonsten ist die Werkshelm-Nummer aber ziemlich gefahrlos: Die Bilder kommen, wenn auch nicht modisch, zumindest ideell immer gut an. Und falls doch mal was von oben runterfällt, kann auch nicht viel passieren.

So lässt es die Wahlkämpfer im besten Fall aussehen:

Und so im schlechtesten: 

Und wer hat es bisher am besten genutzt?

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