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So funktioniert die Hochrechnung
In der ARD gibt es seit etwas mehr als zehn Jahren jeden Monat den „ARD-Deutschlandtrend“, im ZDF gibt es seit den Siebziger Jahren jeden Monat das „Politbarometer“. In beiden Sendungen zeigen Moderatoren die Umfrageergebnisse zur politischen Stimmung in Deutschland. Für das ZDF erledigt die Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen e.V. (FGW) das Meinungsforschen. Andrea Wolf gehört zum Vorstand der FGW. jetzt.de besprach mit ihr Stichworte zur Bundestageswahl. Das allgemeine Desinteresse Besonders groß ist das Interesse an Politik in Deutschland gerade nicht, sagt Andrea Wolf: Bei 19 Prozent der Wahlberechtigten ist es „kaum oder gar nicht“ vorhanden, 41 Prozent interessieren sich ein bisschen. Die Delle zwischen 21 und 25 Die Wahlbeteiligung ist in den Analysen nach der Wahl immer ein großes Thema. Wer zum ersten Mal wählen darf, macht das meist auch gern. Aber schon bei der zweiten Bundestagswahl sinkt das Interesse, sagt Andrea Wolf. Es folgt die „Delle“, die die 21 bis 25-Jährigen erzeugen, wenn die Wahlbeteiligung getrennt nach Altersgruppen dargestellt wird. Spätestens ab dem 30. Lebensjahr steigt das Interesse an der Politik erfahrungsgemäß wieder. „Jeder macht diese Entwicklung durch“, sagt Wolf. Mit zunehmendem Alter interessiere man sich eben mehr für das gesellschaftliche Leben. Das Handyproblem Es wirkt antiquiert, wenn ein Meinungsforschungsinstitut Menschen mit Festnetznummern nach ihrer politischen Einstellung befragt. Werden auf diese Weise nicht die jungen Handbesitzer vergessen? „Nein“, sagt Andrea Wolf: Nur etwa sechs Prozent aller Wahlberechtigten seien ausschließlich über Handy erreichbar. Die Wahltagsbefragung Für das Politbarometer werden Wahlberechtigte befragt, was sie wählen würden, wenn sie am nächsten Sonntag zur Wahl gingen. Das Ergebnis dieser Umfrage ist aber ungenau, weil unklar ist, wer auch wirklich zur Wahl geht. Die Wählerbefragung kommt dem echten Ergebnis also am nächsten: Am Tag der Bundestagswahl werden an zufällig ausgewählten Wahllokalen bis zu 40.000 Interviews geführt, in denen jene, die gewählt haben angeben, wen sie gerade gewählt haben. Auf diesen Ergebnissen basiert die Prognose, die um 18 Uhr den Wahlabend im ZDF eröffnet. Nur die FGW und Infratest Dimap machen in Deutschland Wahltagsbefragungen – das eine Institut für das ZDF, das andere für die ARD. Die Hochrechnung Sie fußt auf den ersten ausgezählten Ergebnissen in den Wahllokalen im Land. Eine Auszählung im Wahllokal ist öffentlich und die Korrespondenten der FGW geben nach und nach die Ergebnisse nach Mannheim durch. Die Zahlen, die in diesen Telefonaten übermittelt werden, sind die Basis für die Hochrechnung, die zwischen 18.15 und 18.20 Uhr veröffentlicht wird. Der Begriff Volkspartei Ist eine Partei eigentlich noch eine Volkspartei, wenn sie bei 20 Prozent dümpelt? „Wenn alle gesellschaftlichen Schichten in ihr vertreten sind, dann ist eine Partei eine Volkspartei“, sagt Andrea Wolf. Die Definition leite sich nicht aus dem Wahlergebnis sondern aus der Wirkung ab. Deshalb seien die Grünen zum Beispiel keine Volkspartei.
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Laut letztem Politbarometer der beliebteste Politiker im Land: Wirtschaftsminister zu Guttenberg.
Die große Verwischung
Über 70 Prozent der Befragten finden, dass sich Union und SPD in ihren politischen Inhalten nicht so stark unterscheiden.
Die Ergebnissperre
Zwischen ARD und ZDF gibt es eine freiwillige Vereinbarung, nach der in der Woche vor der Wahl keine Umfrageergebnisse veröffentlicht werden. „Wir erheben natürlich“, sagt Andrea Wolf. „Aber wir dürfen nicht damit rausgehen.“
Das Umfragedebakel 2005
Direkt nachdem Gerhard Schröder 2005 Neuwahlen provoziert hatte, glaubten alle, der Gewinner stehe fest. Doch Schröder kämpfte sich im Wahlkampf heran und überraschte viele Politiker – und vor allem viele Meinungsforscher. In der Woche vor der Wahl gab es innerhalb des bürgerlichen Lagers eine relativ große Verschiebung, erinnert sich Andrea Wolf: Um eine Große Koalition zu verhindern, wählten bürgerlich orientierte Wähler die FDP. Die FGW sah die Verschiebung, so Wolf, durfte aber nichts veröffentlichen. „Am Samstag vorher wussten wir schon, dass wir am Montag eine auf den Deckel kriegen werden. Wir wussten, dass die Union schwächer werden wird“. Das Ergebnis der letzten vor der Wahl veröffentlichten Umfrage (sie war zehn Tage vor dem Wahltag erschienen), wurde von dem „Swing“ in den sieben Tagen vor der Wahl weit übertroffen. Noch am Samstag prophezeiten einige Umfraginstitute, dass es für Schwarzgelb reichen würde. Die Überraschung war groß, als es zwischen CDU und SPD ein Kopf an Kopf-Rennen gab. So lernten die Meinungsforscher, dass der Zeitraum direkt vor der Wahl immer wichtiger wird. Nur wenige Wähler entscheiden sich schon Monate vorher für eine Partei. Bei der Bundestagswahl 2005 zum Beispiel waren in der Woche vor der Wahl noch 22 Prozent der Wahlberechtigten unentschieden.
Die K-Frage
Angela Merkel ist der Favorit in der Kanzler-Frage - auch wenn viele laut GW-Umfragen glauben, dass Frank-Walter Steinmeier von der SPD den Job ebenso gut machen würde. Aber, sagt Andrea Wolf: „Um gewählt zu werden, müssen sie vermitteln, dass sie es auch besser machen würden.“
Der Erfolg der Piratenpartei
Durch einen Parteieintritt hat die Piratenpartei in Deutschland gerade einen Sitz im Bundestag. In Schweden schaffte sie es ins Europaparlament. Andrea Wolf sagt, dass es sich in Schweden um eine besondere Situation handele. Dort gebe es das Allemannsrätt, nach dem jeder am Besitz der Gesellschaft teilhaben soll. „Das hat die Piratenpartei auf die Internetgemeinde übertragen und das ist auf fruchtbaren Boden gefallen“, sagt Andrea Wolf. „Ich denke aber nicht, dass wir sie als Einzelpartei für die Prognose berücksichtigen müssen.“ Eine Partei, die mehr als drei Prozent erhält, wird im Ergebnis eigens ausgewiesen.
Das Wahlrecht ab 16
In Österreich dürfen 16-Jährige wählen. Angeblich ist das ein Grund für den jüngsten Erfolg der rechten Parteien im Alpenland. Andrea Wolf hat eine „gemischte Haltung“ zum vorgezogenen Wahlrecht. „Es ist ein Argument, wenn man junge Leute so für Politik interessieren will. Die sind aber auch weniger gefestigt. Vielleicht genügt es ja auch, mit 16 nur bei den Kommunalwahlen wählen zu dürfen.“
Die Internetwahl
Wählen im Internet ist laut Wolf derzeit kein Thema. Für die Bürgerschaftswahl in Hamburg im Jahr 2008 war der Einsatz eines digitalen Wahlstiftes geplant. Die Aktion wurde wegen technischer und datenschutzrechtlicher Bedenken abgeblasen. Deshalb, so Wolf, stecken die Online-Alternativen zum Wählen mit dem Kugelschreiber gerade wieder in den Schubladen.
Text: peter-wagner - Foto: dpa