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Welche Probleme eine Französin hat, die in Deutschland an der Präsidentschaftswahl teilnehmen will
Kurz nach Weihnachten kam die erste Mail von Emmanuel Macron. Seitdem schreibt er mir regelmäßig. „Loin des yeux mais jamais loin de la France“ – „Nicht in Sichtweite, aber niemals außerhalb der Reichweite Frankreichs“, sind seine Worte für mich. Im Februar fing auch JLM (das ist die knackig-moderne Abkürzung für Jean-Luc Mélenchon) an, mir Mails zu schicken. Seine Botschaft:„L’avenir en commun“ – „Eine gemeinsame Zukunft“. Anfang April hat es dann auch Benoît Hamon in mein Postfach geschafft, mit den Zeilen: „Faire battre le coeur de la France dans le monde“ – „Das Herz Frankreichs soll in der ganzen Welt schlagen“. Klingt erst mal nach poetischen Zeilen von französischen Verehrern, ist aber Teil des französischen Präsidentschaftswahlkampfs.
Damit haben sich schon drei der wichtigsten Anwärter auf das Amt des französischen Präsidenten in meinem Posteingang eingefunden. Von François Fillon habe ich bis heute nichts gehört, aber dass Marine Le Pen es nicht auch bei mir versucht, hat mich gewundert. Deshalb habe ich im Spam-Ordner nachgeschaut – man weiß ja nie. Tatsächlich war ihre Mail für mich (und vermutlich auch für die etwa 160.000 in Deutschland lebenden Franzosen) direkt in den Spam gewandert.
Le Pen hat nicht ganz so poetische Worte für mich wie die anderen Kandidaten. In ihrer Mail steht in großen Buchstaben: „Marine Présidente“ – „Marine Präsidentin“. Eine blaue Rose trennt die zwei Worte voneinander. Sie möchte sich mir persönlicher vorstellen, erklärt sie gleich. Deshalb hängt der Mail ihr offizielles Kampagnen-Video an, in dem sie erklärt, dass sie Frankreich liebt und: „je veux remettre la France en ordre“ – „ich möchte Frankreich wieder ins Lot bringen“.
Warum die Mails der französischen Präsidentschaftskandidaten direkt in meinem privaten Postfach landen, ist mir selbst nur so halb klar. Ich habe neben meiner deutschen auch die französische Staatsangehörigkeit und darf deshalb auch in Frankreich wählen. Und ich bin hier in Deutschland in einem französischen Konsulat registriert. Daher wissen Macron, Mélenchon, Hamon und Le Pen vermutlich von mir. Wie sie allerdings an meine Email-Adresse gekommen sind, ist mir schleierhaft. Sehr wahrscheinlich auch über das Konsulat. Dass ich sie dort irgendwann mal angegeben habe, weiß ich nicht mehr. Dass ich zugestimmt habe, meine Mailadresse für sämtliche Wahlwerbung rauszugeben, auch nicht.
Ist aber auch nicht weiter schlimm. Im Superwahljahr 2017 zweimal wählen zu dürfen, ist ja ein Vorteil. Was dafür allerdings gut wäre: Wenn man mich auch informieren würde, wie ich als Französin in Deutschland wählen kann. Darüber erfahre ich allerdings bis eine Woche vor dem ersten Wahlgang nichts.
Also klicke ich mich selbst durch die Seiten des Ministère des Affaires étrangères und sammle mir die Infos zusammen. So einfach wie die Wahlwerbung der Kandidaten in meinem Postfach gelandet ist, so kompliziert scheint es nun aber zu sein, wirklich zu wählen. Da ich im Konsulat in Frankfurt registriert bin, stehe ich auf dieser Wählerliste und muss auch dort wählen. Eine Brief- oder elektronische Wahl via Internet (wie es für die Parlamentswahl vorgesehen ist, die im Juni stattfindet), sind nicht möglich. Seit einem Jahr wohne ich allerdings in München. Gleich zweimal nach Frankfurt zu reisen, um dort mein Kreuzchen zu setzen, erscheint mir dann doch eher umständlich.
Langsam bekomme ich das Gefühl, der französische Staat möchte sich mit allen Mitteln dagegen wehren, dass ich bei dieser Wahl meine Stimme abgebe
Ich kontaktiere das Konsulat in München und frage, ob ich auch dort wählen kann. Das sei generell schon möglich, bekomme ich als Antwort, dafür müsste ich nur meine Unterlagen von Frankfurt nach München transferieren lassen. Das sei aber jetzt zu knapp – zwei Monate vor dem ersten Wahlgang. Langsam bekomme ich das Gefühl, der französische Staat möchte sich mit allen Mitteln dagegen wehren, dass ich bei dieser Wahl meine Stimme abgebe. Als Französin in Deutschland zu wählen, kann doch nicht so kompliziert sein.
Die einzige Möglichkeit, die mir also noch bleibt, ist, jemanden an meiner Stelle in Frankfurt für mich wählen zu lassen und eine Vollmacht auszustellen. Aber auch das funktioniert nicht so einfach. Der Bevollmächtigte muss bestimmte Bedingungen erfüllen (z.B. selbst auf der Wählerliste des Konsulats in Frankfurt stehen) und die Vollmacht kann nur vor den Augen eines Konsulatsmitarbeiters ausgestellt werden. Das schließt also schon einmal ziemlich viele Leute aus. Mittlerweile sehe ich es als kleinen Kampf an, mein Wahlrecht durchzusetzen. Und ich will gewinnen, deshalb unternehme ich alles Notwendige und gehe ins Konsulat.
Auf dem Schreibtisch des Konsulatsmitarbeiters steht eine große Packung Papiertücher. Daneben ein leeres Körbchen, auf dem steht „Mouchoirs utilisés“ – „benutzte Taschentücher“. Kurz frage ich mich, was passieren muss, damit ich vor einem Konsulatsmitarbeiter in Tränen ausbreche. Dann denke ich an meine zwischenzeitige Verzweiflung und Wut zurück und verstehe. Die Taschentücher habe ich aber nicht gebraucht – wider Erwarten hat tatsächlich alles problemlos geklappt. Ich konnte meine Mutter, die auch auf der Wählerliste in Frankfurt steht und für die Wahl dorthin fährt, für beide Wahlgänge am 23. April und am 7. Mai bevollmächtigen. Und damit kann ich am Sonntag mein Kreuzchen setzen – auch wenn ich das nicht persönlich mache.