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Tollwood-Kolumne. Heute: Der Kuschelkurs

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Münchner Musiker beißen nicht. Ganz im Gegenteil. Die sind so nett, dass es fast schon unheimlich ist. Keine Alkoholeskapaden. Keine Pöbeleien wegen Frauengeschichten. Keine unschönen Worte Richtung Mischpult, wenn der Sound nicht stimmt. Niemand ist genervt. Alle sind artig und ausgeglichen. Woher kommt diese Harmonie? Macht Weißbier vielleicht glücklicher? Oder liegt es an dem steten Duft nach Zimt und Patchoulie, der über das Festivalgelände weht?

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

So nett kann Rock sein. Zumindest in München. (Foto:dpa) Ich rede mit dem Sänger von Go Panic! und der verrät mir, dass der „friendship-vibe“ sehr „important“ sei für eine gute Bühnenshow. Das Publikum spüre das, behauptet er. Aber sind Bands auf Kuschelkurs wirklich erfolgreicher? Berühmt werden in der Regel doch immer die enfants terribles, man denke nur an die Rolling Stones, oder ganz aktuell: Pete Doherty. Im SZ-Zelt jedoch zählt diese Regel nicht. Die Musiker nehmen sich lieber in, als auf den Arm. Das zumindest ist die Standartantwort auf meine Frage nach dem Band-Ritual, dass für ein harmonisches Zusammenspiel sorgt. Ein Mysterium der Liebe. Sind mir doch bisher eher Bands begegnet, die nach und nach auf der Bühne eintrudeln, dann kurz a) mit Bier, b) mit Schnaps oder c) mit Bier und Schnaps anstoßen, und ungekuschelt loslegen. In München brüllen Bands gemeinsam ihren Bandnamen. Sie trinken Wein aus Gläsern. Oder sagen Sätze wie: „Die fünf schwulen Cousinen fisten ihre Katze.“ Ein Sänger betet. Der Liebe Gott sorgt also offensichtlich dafür, dass der Gitarrist die richtigen Töne trifft. Ich bin klein, mein Herz ist rein, lass es ein guter Auftritt sein – oder so ähnlich. Ich entscheide mich dazu, den Kuschelkurs fortan auch in meiner eigenen Band anzuwenden. Auf unserer nächsten Probe nehme ich mir kurz Zeit für ein Stoßgebet (Lieber Gott, mach dass die Zigaretten meiner Stimme nicht schaden) und schließe danach meinen Schlagzeuger unvermittelt und für mindestens drei Minuten fest in den Arm. Irgendwann löst er sich belustigt aus meiner Umklammerung und blickt mich an. Ob irgendwas Schlimmes passiert sei? Äh, nein. Lachen und ein Knuff in die Seite. „Ich hol uns mal ein Bier am Automaten, Alex, wie wär’s?“ Ich hab eine Flasche Wein dabei, will ich noch sagen. Aber da ist er schon verschwunden.

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