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Mit aller Gewalt

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Wer in letzter Zeit den Werbeblock einer handelsüblichen Privatfernsehsendung in voller Länge über sich ergehen lassen hat müssen, wird sich vermutlich eine andere Meinung gebildet haben, aber: Werber sind im Grunde ihres Herzens kreative Menschen. Zu was die salopp gekleideten Menschen in ihren hell gestrichenen Fabriketagen wirklich fähig sind, sieht man immer dann, wenn sie einen Werbespot für Kunden aus dem sozialen Bereich produzieren dürfen. Der Auftrag bringt der Werbeagentur nämlich meist kein Geld, dafür garantiert er aber auch grenzenlose Ideenfreiheit. Wie die im Idealfall aussehen kann, beweist ein Charity-Spot der Frankfurter Werbeagentur „Young & Rubicam“.

Untermalt von traumwandlerischer Musik fallen darin reihenweise Frauen eine Betontreppe herab. Es sind drastische Bilder mit blutenden Platzwunden und allerhand angedeuteten Knochenbrüchen, die den Betrachter wegen der hochglänzenden Zeitlupenästhetik, in der die Frauen in allen erdenklichen Arten die Treppenstufen herunterpurzeln, lange über den Sinn dieser Horror-Choreographie im Unklaren lassen. Erst ganz zum Schluss erscheint der erklärende Satz vor schwarzem Hintergrund: „Tausende Frauen fallen jeden Tag die Treppe herunter. Glauben Sie das wirklich? Stoppen Sie häusliche Gewalt und sprechen Sie mit uns.“ Mit „uns“ ist der Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe (bff) gemeint. Natürlich profitiert längst nicht nur der Verband der Frauenberatungsstellen von dem bildgewaltigen Werberwerk. Die Tatsache, dass der Clip auf der Shortlist für das Cannes Werbefestival stand bevor er überhaupt als Werbemaßnahme des bff präsentiert wurde, beweist nämlich vor allem seine Nützlichkeit für das Image der Werbeagentur. Klar verkünden „Young & Rubicam“ in ihrer Presseerklärung, dass sie mit diesem Clip ein Zeichen gegen häusliche Gewalt setzten wollen. Klar ist aber auch, dass mit dem Gewinn von Werberpreisen der Marktwert einer Agentur gesteigert wird. Und mit den aktuell superdrögen Werbespots für Waschmittelhersteller und Autobauer ist das nur schwer möglich. Solange der bff-Spot allerdings wirklich dazu beiträgt, dass mehr Menschen als sonst den Ausreden-Klassiker misshandelter Frauen - „Ich bin die Treppe heruntergefallen“ - hinterfragen als sonst, hat sich die Geistesleistung der Frankfurter Werber in jedem Fall gelohnt.

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