Aus der ehemaligen jetzt-Community: Du liest einen Nutzertext aus unserem Archiv.
Sprachkrüppel
Ni puta idea oder: Ist Sprache wichtig?
Merkwürdig finde ich, dass ich, bis zu meinem eigenen Auslandssemester, noch nie ein Gespräch mitverfolgt oder geführt habe, in dem es um das "sich genau ausdrücken können" in einer fremden Sprache ging. Das mag an meiner Unaufmerksamkeit oder meinem löchrigen Gedächtnis liegen. Heute möchte ich endlich mal darüber reden - mit Euch.
Ich gehöre zu den Menschen, die denken, dass 98% unserer Identität über den Kode -die Sprache- transportiert werden. Folglich kann ich mir auch nur schwer eine ernsthafte Partnerschaft zwischen zwei Menschen vorstellen, die verschiedene Sprachen sprechen. Gegenbeweise gibt es schon in meinem Bekanntenkreis zu Hauf, aber nach meinem Jahr in Spanien verstehe ich nicht, wie so etwas möglich ist, ohne dass ein Beziehungspartner dauerhaft frustriert ist und sich unverstanden fühlt.
Und da kommt schon der erste Einwand. Habe ich nicht selbst einmal eine zweisprachige Liebelei gehabt? Ja! Und sie gehört bis heute zu den wichtigsten Liebeserfahrungen, die ich gemacht habe. Er sprach als zweite Muttersprache Englisch, mein Englisch dagegen begrenzte sich auf nie gemachte Englisch-Hausaufgaben und Roskilde-Festival-Erfahrungen, bei denen meine Zunge immer durch einschlägige Drogen gelockert war und mich sowieso niemand verstehen musste, weil ich nach einem Konzert nie mit den Dänen sprach sondern sofort mit ihnen rumknutschte. An dieser Stelle könnte mir ein Licht aufgehen: Kann man den Mangel an Sprachkompetenz mit sexuellen Handlungen ausgleichen?
Mit meinem Frankokanadier blieb damals für zwei Wochen die Welt stehen, ich verliebte mich bis über beide Ohren in ihn und verbesserte mein Englisch fundamental - doch habe ich mich jemals von ihm wirklich verstanden gefühlt? Nein. Diese Beziehung ließe sich wahrscheinlich am besten so charakterisieren: Er fand die kleine Deutsche süß, weil sie so niedliche Sprachfehler machte und sie himmelte ihn an, weil er sich doch so unheimlich intelligent ausdrücken konnte. Bis heute, sechs Jahre danach, haben wir Kontakt. Gerade gestern chattete ich mit ihm. Wir hatten ein Gespräch über weihnachtlichen Konsumterror. Während ich zum Gespräch lediglich Sprachgerüste beitragen konnte, wie, ich sei "pissed" vom "christmas-stuff", erzählte er was von tiefgehendem sozialen Fehlverhalten und unbewusst ablaufenden Mechanismen eines Konsumopfers. Ja, da frage ich mich: So doof bin ich doch nicht! Auf Deutsch hätte ich Millionen Dinge dazu zu sagen gehabt, auf Englisch war ich jedoch leider nur gepisst.
Mein Jahr in Spanien zeichnete sich in den ersten Monaten dadurch aus, dass ich als Person nur Basisgefühle beschreiben konnte, mir ging es gut oder schlecht, oder mittel. Alle meine spanischen Ansprechpersonen müssen mich als gefühlsverarmten Menschen empfunden haben. Ich konnte weder witzig noch sprachlich spontan sein. Naja, witzig war ich schon, weil ich "eine ordentliche Portion Penis" anstatt "Huhn" für die Suppe kaufen wollte und weil ich 45 Minuten im Stadtpark gekommen war, anstatt hindurch zu laufen, und auch, weil ich sagte, ich hätte in Hamburg in einem Puff gearbeitet und nicht in einem Club. Haha. Aber ich stritt mich auch nie vernünftig mit meinen Mitbewohnern, weil ich immer nur Bruchstücke dessen, was ich wirklich meinte, ausdrücken konnte. Hätte ich vielleicht mehr auf Erasmus machen sollen? Worte hier rein, da raus, Klappe halten, saufen, zum Abschluss ficken?
Und damit geht eine abschließende Frage an all die Menschen in einer gemischtsprachigen Beziehung. Können Gefühle wirklich ausreichend über Berührungen und Augenkontakt transportiert werden? Oder muss man nicht auch irgendwann anfangen, seine Gefühle nuanciert in ein Sprachgewand zu kleiden? Je länger ich Spanisch studiere umso klarer wird mir, wie weit ich als -nicht gerade übermäßig talentierte- Sprachstudentin von einem mich zufrieden stellenden Sprachergebnis entfernt bin. Niemals werde ich in Spanien dieselbe sein können, wie hier, in Deutschland. Bin ich verdammt dazu, ein Sprachkrüppel zu sein?
Merkwürdig finde ich, dass ich, bis zu meinem eigenen Auslandssemester, noch nie ein Gespräch mitverfolgt oder geführt habe, in dem es um das "sich genau ausdrücken können" in einer fremden Sprache ging. Das mag an meiner Unaufmerksamkeit oder meinem löchrigen Gedächtnis liegen. Heute möchte ich endlich mal darüber reden - mit Euch.
Ich gehöre zu den Menschen, die denken, dass 98% unserer Identität über den Kode -die Sprache- transportiert werden. Folglich kann ich mir auch nur schwer eine ernsthafte Partnerschaft zwischen zwei Menschen vorstellen, die verschiedene Sprachen sprechen. Gegenbeweise gibt es schon in meinem Bekanntenkreis zu Hauf, aber nach meinem Jahr in Spanien verstehe ich nicht, wie so etwas möglich ist, ohne dass ein Beziehungspartner dauerhaft frustriert ist und sich unverstanden fühlt.
Und da kommt schon der erste Einwand. Habe ich nicht selbst einmal eine zweisprachige Liebelei gehabt? Ja! Und sie gehört bis heute zu den wichtigsten Liebeserfahrungen, die ich gemacht habe. Er sprach als zweite Muttersprache Englisch, mein Englisch dagegen begrenzte sich auf nie gemachte Englisch-Hausaufgaben und Roskilde-Festival-Erfahrungen, bei denen meine Zunge immer durch einschlägige Drogen gelockert war und mich sowieso niemand verstehen musste, weil ich nach einem Konzert nie mit den Dänen sprach sondern sofort mit ihnen rumknutschte. An dieser Stelle könnte mir ein Licht aufgehen: Kann man den Mangel an Sprachkompetenz mit sexuellen Handlungen ausgleichen?
Mit meinem Frankokanadier blieb damals für zwei Wochen die Welt stehen, ich verliebte mich bis über beide Ohren in ihn und verbesserte mein Englisch fundamental - doch habe ich mich jemals von ihm wirklich verstanden gefühlt? Nein. Diese Beziehung ließe sich wahrscheinlich am besten so charakterisieren: Er fand die kleine Deutsche süß, weil sie so niedliche Sprachfehler machte und sie himmelte ihn an, weil er sich doch so unheimlich intelligent ausdrücken konnte. Bis heute, sechs Jahre danach, haben wir Kontakt. Gerade gestern chattete ich mit ihm. Wir hatten ein Gespräch über weihnachtlichen Konsumterror. Während ich zum Gespräch lediglich Sprachgerüste beitragen konnte, wie, ich sei "pissed" vom "christmas-stuff", erzählte er was von tiefgehendem sozialen Fehlverhalten und unbewusst ablaufenden Mechanismen eines Konsumopfers. Ja, da frage ich mich: So doof bin ich doch nicht! Auf Deutsch hätte ich Millionen Dinge dazu zu sagen gehabt, auf Englisch war ich jedoch leider nur gepisst.
Mein Jahr in Spanien zeichnete sich in den ersten Monaten dadurch aus, dass ich als Person nur Basisgefühle beschreiben konnte, mir ging es gut oder schlecht, oder mittel. Alle meine spanischen Ansprechpersonen müssen mich als gefühlsverarmten Menschen empfunden haben. Ich konnte weder witzig noch sprachlich spontan sein. Naja, witzig war ich schon, weil ich "eine ordentliche Portion Penis" anstatt "Huhn" für die Suppe kaufen wollte und weil ich 45 Minuten im Stadtpark gekommen war, anstatt hindurch zu laufen, und auch, weil ich sagte, ich hätte in Hamburg in einem Puff gearbeitet und nicht in einem Club. Haha. Aber ich stritt mich auch nie vernünftig mit meinen Mitbewohnern, weil ich immer nur Bruchstücke dessen, was ich wirklich meinte, ausdrücken konnte. Hätte ich vielleicht mehr auf Erasmus machen sollen? Worte hier rein, da raus, Klappe halten, saufen, zum Abschluss ficken?
Und damit geht eine abschließende Frage an all die Menschen in einer gemischtsprachigen Beziehung. Können Gefühle wirklich ausreichend über Berührungen und Augenkontakt transportiert werden? Oder muss man nicht auch irgendwann anfangen, seine Gefühle nuanciert in ein Sprachgewand zu kleiden? Je länger ich Spanisch studiere umso klarer wird mir, wie weit ich als -nicht gerade übermäßig talentierte- Sprachstudentin von einem mich zufrieden stellenden Sprachergebnis entfernt bin. Niemals werde ich in Spanien dieselbe sein können, wie hier, in Deutschland. Bin ich verdammt dazu, ein Sprachkrüppel zu sein?